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Optionsfalle bei Verschonung von Betriebs­vermögen

Finanzverwaltung übernimmt strenge Auslegung des BFH

15.03.2024

Hintergrund

Bei der Konzeption von Unternehmensnachfolgen ist die Inanspruchnahme der sog. Vollverschonung für unternehmerisch genutztes Vermögen regelmäßig ein zentrales Gestaltungsziel. Anders als bei der von Amts wegen anzuwendenden Regelverschonung wird das begünstigte unternehmerische Vermögen – bei Erfüllung gesteigerter Voraussetzungen – auf gesonderten und unwiderruflichen Antrag nicht nur zu 85 %, sondern zu 100 % von der Erb- bzw. Schenkungsteuer befreit.

Neben erhöhten Anforderungen an die Erhaltung des Lohnniveaus und verlängerten Behaltensfristen müssen zur Erlangung der Vollverschonung auch strengere Quoten in Bezug auf den Bestand des Verwaltungsvermögens erfüllt werden. Vereinfacht formuliert, darf der Verkehrswert des Verwaltungsvermögens des Unternehmens (z.B. vermietete Grundstücke, Edelmetalle, Kunstgegenstände, Wertpapiere, Bankguthaben, Kassenbestand oder Forderungen) insgesamt höchstens 20 % des Gesamtwerts des Unternehmens ausmachen.

Die Bestimmung der Verwaltungsvermögensquote verursacht in der Praxis (sowohl für Schenker, Beschenkte und Erben als auch für die Finanzbehörden) regelmäßig hohe steuerliche Befolgungskosten und bildet einen Schwerpunkt der Nachfolgeplanung. Zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs auf die Beschenkten bzw. Erben und auch bei Abgabe der relevanten Steuererklärungen steht die Verwaltungsvermögensquote zudem in den seltensten Fällen mit hoher Rechtssicherheit fest, nicht zuletzt, weil zahlreiche Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote – vor allem in Konzernsachverhalten – nicht abschließend geklärt sind. Abweichungen von der deklarierten Verwaltungsvermögensquote durch die Finanzämter sind daher einzukalkulieren. Überdies können sich zusätzliche Verschiebungen infolge späterer Außenprüfungen ergeben. Umzugehen ist daher mit der Rechtsunsicherheit, dass sich ggf. erst einige Jahre nach einer Schenkung bzw. eines Erbfalls abschließend die Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vollverschonung herausstellten könnte. Es stellt sich die Frage, ob in solchen Fällen nicht zumindest die an weniger strenge Bedingungen geknüpfte Regelverschonung (85 %) hilfsweise zur Anwendung gelangen sollte.

Finanzbehörden folgen strenger Auslegung des BFH

Nach den Erbschaftsteuerrichtlinien gewährte die Finanzverwaltung ursprünglich die Regelverschonung, wenn sich nachträglich (z.B. aufgrund einer Außenprüfung) herausstellte, dass die Verwaltungsvermögensquote für die Vollverschonung nicht erfüllt war. Allerdings hatte der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 26.07.2022 (Az. II R 25/20) entschieden, dass eine „Rückkehr“ zur Regelverschonung nach Stellung eines unwiderruflichen Antrags auf Gewährung der Vollverschonung nicht mehr möglich sei.

Nunmehr haben sich die obersten Finanzbehörden der Länder im Februar 2024 mit gleich lautenden Erlassen der Rechtsauffassung des BFH angeschlossen. Ausnahmen gelten aus Vertrauensschutzgründen nur noch für Altfälle, in denen der Antrag auf Gewährung der Vollverschonung vor dem 25.01.2024 gestellt wurde. Für später eingehende Anträge wird eine spätere „Rückkehr“ zur Regelverschonung nicht mehr anerkannt.

Wird nachträglich festgestellt, dass die notwendige Verwaltungsvermögensquote für die beantragte Vollverschonung nicht erreicht wird, gelangt in der Konsequenz weder die Vollverschonung noch die Regelverschonung zur Anwendung. Folglich ist das begünstigte unternehmerische Vermögen vollständig nicht mehr von der Erb- bzw. Schenkungsteuer befreit, auch wenn die Voraussetzungen der Regelverschonung erfüllt sind.

Praxisfolgen

Stellt sich in der Nachfolgeplanung heraus, dass die Verwaltungsvermögensquote selbst unter Berücksichtigung eines „Sicherheitspuffers“ für Bewertungs- und Rechtsunsicherheiten die maßgebliche Höchstgrenze von 20 % voraussichtlich überschreiten könnte, ist der Zeitpunkt für die Stellung eines Antrags auf Gewährung der Vollverschonung sorgfältig abzuwägen.

Verfahrensrechtlich kann der Antrag noch bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Festsetzung der Erb- bzw. Schenkungsteuer nachgeholt werden. Es ist daher nicht zwingend notwendig, den Antrag bereits bei der Abgabe der Steuererklärungen zu stellen, sondern die Antragstellung kann z.B. im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen den bekannt gegebenen Steuerbescheid erfolgen oder solange der Steuerbescheid noch unter einem Nachprüfungsvorbehalt steht.

Zu berücksichtigen ist, dass bei einem zeitlich aufgeschobenen Antrag auf Gewährung der Vollverschonung das Finanzamt zunächst von Amts wegen die Regelverschonung anwenden muss, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Da in der Folge zumindest vorerst nur 85 % des begünstigten unternehmerischen Vermögens verschont werden, wird in Bezug auf die verbleibenden 15 % Erb- bzw. Schenkungsteuer festgesetzt. Diese ist vorzufinanzieren, bis der Antrag auf Gewährung der Vollverschonung nachgeholt wird.

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