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Ausweitung der Sorgfalts­pflichten in der Liefer­kette geplant

24.02.2022

Gestern hat die Kommission den lange angekündigten Entwurf der Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen vorgestellt, der Verschärfungen im Hinblick auf die von Unternehmen zu beachtenden Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vorsieht.

Aktuell geltende Regelungen nach deutschem Recht

Der deutsche Gesetzgeber hat im Juni 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erlassen, das am 01. Januar 2023 in Kraft tritt (siehe auch News vom 14.6.2021: LkSG tritt mit verhandelten Änderungen am 01. Januar 2023 in Kraft).

Das LkSG gilt branchenübergreifend zunächst für Unternehmen mit 3.000 und mehr Arbeitnehmern. Ab dem 01.01.2024 trifft es auch Unternehmen mit 1.000 Arbeitnehmern und mehr. Voraussetzung ist, dass die Hauptverwaltung, die Hauptniederlassung, der Verwaltungssitz oder der satzungsmäßige Sitz in Deutschland liegt. Das Gesetz gilt auch für Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften, sofern die vorbeschriebenen Schwellen bzgl. der Arbeitnehmeranzahl erreicht oder überschritten werden.

Die betroffenen Unternehmen sind verpflichtet, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu beachten. Das LkSG enthält in § 3 Abs. 1 LkSG einen Maßnahmenkatalog an Sorgfaltspflichten. Zu diesen Sorgfaltspflichten gehören etwa die Einrichtung eines Risikomanagements, die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, die Abgabe einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie des Unternehmens, das Ergreifen von Präventions- oder Abhilfemaßnahmen sowie die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens. Diese Sorgfaltspflichten gelten primär im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens sowie gegenüber unmittelbaren Zulieferern.

Bei Nichteinhaltung dieser Sorgfaltspflichten drohen den Unternehmen empfindliche Bußgelder. Einen zivilrechtlichen Haftungstatbestand sieht das LkSG jedoch nicht vor.

Entwurf der Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen

Auf EU-Ebene gelten bereits sektorspezifische Sorgfaltspflichten für Unternehmen hinsichtlich ihrer Lieferanten für Konfliktmineralien und den Holzhandel. Darüber hinaus bestehen seit Jahren Bestrebungen der Kommission und des Europäischen Parlaments, ein sektorübergreifendes Lieferkettengesetz in Form einer Richtlinie zu erlassen, um ein level playing field für Unternehmen aus der EU zu schaffen. Es sollen damit uneinheitliche Wettbewerbsbedingungen verhindert werden, die durch unterschiedliche nationale Lieferkettengesetze entstehen. Neben Deutschland hat auch Frankreich bereits ein Lieferkettengesetz erlassen; auch andere Länder planen eigene Gesetze.

Mit einem Initiativbeschluss hat das Europäische Parlament im März 2021 Forderungen und Empfehlungen an die Kommission hinsichtlich eines entsprechenden Richtlinienentwurfs verabschiedet. Dieser Entwurf deckte sich zu großen Teilen mit den Ansätzen im LkSG, ging aber auch wesentlich darüber hinaus. Insbesondere sollten selbst kleinere und mittlere Unternehmen von der Richtlinie erfasst sein. Das Europäische Parlament hat mit diesem Beschluss die Kommission aufgefordert, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Nur die Kommission besitzt formell ein entsprechendes Vorschlagsrecht.

Der Entwurf der Kommission ließ jedoch lange auf sich warten und wurde mehrfach aufgeschoben. Dies lag auch an den ambitionierten Plänen des zuständigen Justizkommissars Didier Reynders, die auf Widerstand in der Wirtschaft stießen.

Nun hat die Kommission jedoch einen umfangreichen Entwurf vorgelegt mit über 70 Erwägungsgründen und 32 Artikeln.

Anwendungsbereich

Der heute vorgestellte Entwurf der EU-Richtlinie sieht eine Verschärfung des Anwendungsbereichs im Vergleich zum LkSG vor.

Konkret sollen alle EU-Unternehmen von der Richtlinie betroffen sein, die mindestens 500 Beschäftigte und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. EUR weltweit haben (Gruppe 1).

Anwendbar sollen die neuen Regelungen auch auf andere Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen EUR sein, wenn diese mindestens 50% ihres Nettoumsatzes in einer ressourcenintensiven Branche erwirtschaften (Gruppe 2). Dazu gehören etwa die Branchen Landwirtschaft, Textilien oder Mineralien. Für diese zweite Gruppe an Unternehmen gelten die Vorschriften erst zwei Jahre später als für Gruppe 1.

Weiter sollen auch in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten, die einen Umsatz in Höhe von Gruppe 1 und Gruppe 2 innerhalb der EU erwirtschaften, unter die Richtlinie fallen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Beschäftigten sind vom direkten Anwendungsbereich des Richtlinienentwurfs nicht direkt betroffen.

Nach Schätzungen der Kommission fallen etwa 13.000 Unternehmen innerhalb der EU sowie etwa 4.000 Unternehmen aus Drittstaaten in den Anwendungsbereich der Richtlinie.

Erweiterung der Sorgfaltspflichten

Auch im weiteren Anwendungsbereich sieht der Richtlinienentwurf eine Verschärfung vor. So gilt der Vorschlag nicht nur für die genannten Unternehmen selbst, sondern auch für ihre Tochtergesellschaften und die gesamte Wertschöpfungskette, also alle etablierten direkt und indirekt bestehenden Geschäftsbeziehungen. Das LkSG sieht bisher Sorgfaltspflichten grundsätzlich nur im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern vor.

Inhaltlich sieht der Entwurf eine Sorgfaltspflicht von Unternehmen vor, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu ermitteln, zu vermeiden, abzumildern und abzustellen und für sie Rechenschaft abzulegen. Die konkreten Maßnahmen zur Umsetzung dieser Sorgfaltspflicht sind wie das LkSG angelehnt an den „OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln“ und entsprechen im Wesentlichen dem Maßnahmenkatalog des LkSG. Wie das LkSG sieht auch die Richtlinie eine jährliche Überprüfung der Risikobewertung und übrigen Maßnahmen vor. Auch trifft das Unternehmen Berichtspflichten hinsichtlich der Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten.

Unternehmen der Gruppe 1 werden zudem verpflichtet, mit einem Unternehmensplan sicherzustellen, dass ihre Geschäftsstrategie die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris berücksichtigt.

Die Verantwortung für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten soll bei der Unternehmensleitung liegen. Von der Einhaltung dieser Pflichten können auch Bonuszahlungen abhängig gemacht werden.

Zivilrechtliche Haftung geplant

Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sollen neben Bußgeldern auch eine zivilrechtliche Haftung zur Folge haben können.

Personen, die durch die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens geschädigt wurden, sollen die Möglichkeit erhalten, das Unternehmen vor den zuständigen einzelstaatlichen Gerichten auf Schadensersatz zu verklagen. Die zivilrechtliche Haftung setzt voraus, dass der entstehende Schaden durch geeignete Sorgfaltsvorkehrungen hätte erkannt und verhindert oder gemindert werden können.

Im Verhältnis zu indirekten Geschäftspartnern hat das Unternehmen jedoch die Möglichkeit, ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen in Form einer vertraglichen Zusicherung des Geschäftspartners, dass dieser den Code of Conduct und den Präventionsplan des Unternehmens einhält.

Importverbot in gesondertem Rechtsakt geplant

Der Richtlinienentwurf enthält keinen Mechanismus zum Importverbot von Produkten, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden. Jedoch gab die Kommission in ihrer „Mitteilung über menschenwürdige Arbeit weltweit“ (COM(2022) 66 final) vom heutigen Tag bekannt, dass ein entsprechendes Rechtsinstrument vorbereitet werde. Mit diesem Instrument soll wirksam verboten werden, dass in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf den EU-Markt gelangen. Dieses Instrument wird für Waren gelten, die innerhalb und außerhalb der EU hergestellt werden. Es wird auf internationalen Standards aufbauen und soll die Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen und andere horizontale und sektorale EU-Initiativen ergänzen.

Entsprechende Importverbote existieren bereits in den USA und Kanada.

Ausblick

Der Entwurf der Kommission stellt den ersten Schritt des Gesetzgebungsverfahrens in der EU dar. Der Vorschlag der Kommission wird nun im Europäischen Parlament diskutiert werden. Hier ist mit einer kontroversen Debatte zu rechnen. Einerseits bleibt der Entwurf der Kommission im Hinblick auf den Anwendungsbereich und die Sorgfaltspflichten hinter dem Vorschlag des Parlaments aus dem März 2021 zurück. Gleichzeitig regt sich jedoch auch Widerstandes in der Wirtschaft, insbesondere von mittelständischen Unternehmen, gegen die geplanten Verschärfungen. Daher ist mit Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen. Zum Erlass der Richtlinie ist eine Zustimmung von Parlament und EU-Ministerrat notwendig.

Mit einer endgültigen Entscheidung über das Europäisches Lieferkettengesetz ist daher frühestens 2023 oder 2024 zu rechnen.

Da es sich um eine EU-Richtlinie handelt, die keine unmittelbare Geltung entfaltet, wird der deutsche Gesetzgeber nach Erlass der Richtlinie die darin festgelegten Anforderungen innerhalb einer Umsetzungsfrist in das LkSG übertragen müssen. Im Richtlinienentwurf ist eine Umsetzungsfrist von zwei Jahren vorgesehen. Bis es dazu kommt gelten jedoch die aktuellen Regelungen des LkSG.

 

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