News

ARUG II in Kraft getreten: Die nun geltenden Vorgaben für Related Party Transactions

02.01.2020

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) ist erwartungsgemäß zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten (zu den zuletzt im Gesetzgebungsverfahren erfolgten Änderungen siehe Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) verabschiedet). Die Praxis börsennotierter Gesellschaften, Intermediäre, institutioneller Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater wird sich nun – mit unterschiedlichen Übergangsfristen – verändern. Die neuen Regelungen für die Angesprochenen sind vielfältig. Wir werden Ihnen deshalb die einzelnen Themenkomplexe jeweils in gesonderten Beiträgen nochmals in ihren wesentlichen Einzelheiten vorstellen. Zum Auftakt gilt das Augenmerk den Geschäften der börsennotierten Gesellschaft mit nahestehenden Personen (sog. Related Party Transactions, RPT), die ohne Übergangsfrist bereits unmittelbar zu beachten sind. Inhaltlich enthalten die RPT-Regelungen einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats sowie eine (kapitalmarktrechtliche) Publizitätspflicht.

1. Zustimmungsvorbehalt

Wesentliche RPT bedürfen künftig grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines dazu errichteten Aufsichtsratsausschusses (§ 111b Abs. 1 AktG). Ein ohne die Zustimmung abgeschlossenes Geschäft ist im Außenverhältnis wirksam, führt aber gegebenenfalls zur Haftung der Vorstandsmitglieder.

Nahestehende Personen (Related Parties)

  • Zur Definition der relevanten nahestehenden Person verweisen die RPT-Regelungen auf die internationalen Rechnungslegungsstandards, v.a. IAS 24 und IAS 28.
  • Ein Nahestehen wird u.a. regelmäßig vermutet, wenn ein Aktionär mittelbar oder unmittelbar mit mehr als 20 % der Stimmrechte an der Gesellschaft beteiligt ist. Auch das Bekleiden einer Schlüsselposition in der Gesellschaft oder ihrem Mutterunternehmen (z.B. als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats) oder eine enge familiäre Beziehung zu diesen Personen kann ein Nahestehen begründen. Gleiches gilt für Beziehungen zu demselben Dritten (z.B. bei Schwestergesellschaften) oder ein abgestimmtes Zusammenwirken mehrerer (acting in concert).

Wesentliche Geschäfte

  • Der den RPT-Regelungen zugrundeliegende Begriff des „Geschäfts“ ist weit zu verstehen. Erfasst ist neben Rechtsgeschäften oder Maßnahmen zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung oder Überlassung von Gegenständen z.B. auch die Erbringung von Dienstleistungen.

  • Wesentlich ist das Geschäft, wenn sein wirtschaftlicher Wert allein oder zusammen mit den innerhalb des laufenden Geschäftsjahres mit derselben Person getätigten Geschäften 1,5 Prozent der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft nach Maßgabe des letzten festgestellten Jahresabschlusses (§ 111b Abs. 1 AktG) bzw. des zuletzt gebilligten Konzernabschlusses (§ 111b Abs. 3 AktG) übersteigt. Maßgeblich für den wirtschaftlichen Wert des Geschäfts ist der am Markt zu erzielende Zeitwert des zu übertragenden Gegenstands, wobei der Aufsichtsrat sich auf eine realistische Schätzung verlassen kann.
  • Der Gesetzgeber hat verschiedene Ausnahmetatbestände vorgesehen:   

    • Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen mit nahestehenden Personen getätigt werden, sind grundsätzlich ausgenommen (§ 111b Abs. 2 AktG). Marktüblich ist ein Geschäft regelmäßig dann, wenn Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen, das Geschäft also einem Drittvergleich standhält. Insoweit können Markt- oder Schätzwerte herangezogen werden. Zudem muss das Geschäft im ordentlichen Geschäftsgang abgeschlossen werden, was bei typischen, sich wiederholenden Alltagsgeschäften der Fall ist.
    • Weitere Ausnahmefälle werden in § 111a Abs. 3 AktG benannt, weil ein besonderer Schutz der Minderheit nicht erforderlich oder bereits auf andere Weise sichergestellt ist. Ausgenommen sind danach v.a. Geschäfte innerhalb eines Vertragskonzerns und Geschäfte der börsennotierten Gesellschaft mit 100 %-igen oder in der Europäischen Union börsennotierten Tochtergesellschaften. Geschäfte im faktischen Konzern sind unter diesen Voraussetzungen aus der Perspektive der börsennotierten Muttergesellschaft von den RPT-Regelungen ausgenommen; bei der börsennotierten Tochtergesellschaft unterliegen sie dagegen dem RPT-Regime.

Verfahren im Aufsichtsrat bzw. im Ausschuss

Die Entscheidung über die Zustimmung zu RPT kann durch den Gesamtaufsichtsrat getroffen oder einem dazu (auch ad hoc) gebildeten Aufsichtsratsausschuss übertragen werden. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass die Besorgnis eines Interessenkonflikts im Aufsichtsratsplenum zu einem Stimmverbot führt. Im Ausschuss dürfen betroffene Aufsichtsratsmitglieder hingegen mitstimmen. Der Ausschuss muss nur mehrheitlich aus Aufsichtsratsmitgliedern zusammengesetzt sein, bei denen keine Besorgnis eines Interessenkonflikts besteht:

  • Beschließt der Gesamtaufsichtsrat über die Zustimmung, unterliegen diejenigen Aufsichtsratsmitglieder einem Stimmverbot, die an der RPT als nahestehende Personen beteiligt sind oder bei denen die Besorgnis eines Interessenkonfliktes aufgrund ihrer Beziehungen zu der nahestehenden Person besteht (§ 111b Abs. 2 AktG).

  • Nahestehende Person kann ein Aufsichtsratsmitglied selbst sein, wenn es zusätzlich Mitglied der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsorgans bei einer nahestehenden Person (z.B. der Konzernobergesellschaft) ist. Die Besorgnis eines Interessenkonflikts besteht, wenn objektiv nicht auszuschließen ist, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Entscheidung nicht allein am Unternehmensinteresse, sondern auch an dem Interesse der nahestehenden Person orientieren könnte. Nach der Wertung des Gesetzgebers begründet es keinen Interessenkonflikt, dass die Aufsichtsratsmitglieder mit den Stimmen des Mehrheitsaktionärs, mit dem die RPT abgeschlossen wird, gewählt wurden. Ein starkes Indiz für einen Interessenkonflikt soll allerdings bestehen, wenn das Aufsichtsratsmitglied von der nahestehenden Person in erheblichem Maße drittvergütet wird.

  • Wird zum Zweck der Entscheidung über die Zustimmung ein Aufsichtsratsausschuss eingerichtet oder die Entscheidungskompetenz einem bestehenden Aufsichtsratsausschuss übertragen, muss der Ausschuss mehrheitlich aus Aufsichtsratsmitgliedern bestehen, bei denen keine Besorgnis eines Interessenkonflikts aufgrund ihrer Beziehungen zu einer nahestehenden Person besteht (§ 107 Abs. 3 Satz 6 AktG). Ein Stimmverbot für Ausschussmitglieder, bei denen ein solcher Interessenkonflikt zu besorgen ist, besteht dagegen nicht. Der Gesetzgeber möchte dadurch einen Anreiz zur Übertragung der Entscheidung auf einen Ausschuss setzen.

Entscheidung über die RPT-Zustimmung

  • Wesentliches Entscheidungskriterium ist die Angemessenheit der RPT. Nach der Begründung zu § 111c Abs. 1 AktG in der Fassung des Referentenentwurfs ist die RPT regelmäßig als angemessen zu bewerten, wenn sie zu marktüblichen Bedingungen abgeschlossen wurde, einem Drittvergleich standhält und den Interessen der Gesellschaft sowie der Aktionäre, insbesondere den Vermögensinteressen, nicht schadet. Die RPT kann auch dann angemessen sein, wenn ihr Abschluss die nahestehende Person besserstellt, sofern sie trotzdem im Interesse der Gesellschaft liegt (z.B. zur Deckung eines kurzfristigen Liquiditätsbedarfs).

  • Bei der Entscheidung über die RPT-Zustimmung handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Aufsichtsrats nach Maßgabe der Business Judgement Rule.

  • Die RPT-Zustimmung ist grundsätzlich vor dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts einzuholen. Die RPT kann auch unter der aufschiebenden Bedingung der RPT-Zustimmung abgeschlossen werden.

  • Sollte der Aufsichtsrat seine RPT-Zustimmung verweigern, kann der Vorstand die RPT der Hauptversammlung zur Zustimmung vorlegen (§ 111b Abs. 4 AktG).

2. Publizitätspflicht

Neben dem Zustimmungserfordernis besteht eine (kapitalmarktrechtliche) Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung der RPT (§ 111c AktG).

Voraussetzungen der Publizitätspflicht

Der Publizitätspflicht unterliegen folgende drei Fälle:

  • RPT, die den genannten Schwellenwert (§ 111b Abs. 1 AktG) überschreiten;

  • RPT, die für sich den genannten Schwellenwert (§ 111b Abs. 1 AktG) nicht überschreiten, aber in der Zusammenrechnung mit anderen RPT innerhalb des laufenden Geschäftsjahres diesen Schwellenwert überschreiten;

  • RPT eines Tochterunternehmens mit einer der Muttergesellschaft nahestehenden Person, wenn die RPT bei der Muttergesellschaft einzeln oder zusammen mit den innerhalb eines Geschäftsjahres mit derselben nahestehenden Person vorgenommenen RPT den Zustimmungsvorbehalt auslösen würden.

Formale Voraussetzungen der Veröffentlichung

  • Die Veröffentlichung hat unverzüglich zu erfolgen (§ 111c Abs. 1 Satz 1 AktG). Von einer unverzüglichen Veröffentlichung ist ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf in der Regel auch noch bei einer Veröffentlichung binnen vier Handelstagen nach dem Abschluss der RPT (entsprechend § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG) auszugehen.

  • Die Veröffentlichung muss alle wesentlichen Informationen enthalten, die erforderlich sind, um zu bewerten, ob die RPT aus Sicht der Gesellschaft und der Aktionäre, die keine nahestehenden Personen sind, angemessen ist – insbesondere Name der nahestehenden Person, Art des Verhältnisses zu der nahestehenden Person, Datum und Wert des Geschäfts (§ 111b Abs. 2 Satz 3, 4 AktG):

  • Die Veröffentlichung muss   

    • in Medien, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Informationen in der gesamten EU sowie den Vertragsstaaten des EWR verbreiten (z.B. Reuters, Bloomberg oder DGAP) und
    • auf der Internetseite der Gesellschaft für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren (§ 111c Abs. 2 AktG i.V.m. § 3a Abs. 1-4 WpAV) erfolgen.

RPT zugleich Insiderinformation

  • Handelt es sich bei der RPT um eine offenlegungspflichtige Insiderinformation im Sinne von Art. 17 Marktmissbrauchsverordnung (MAR), macht die Veröffentlichung der Insiderinformation im Wege der Ad-hoc-Meldung eine Veröffentlichung nach § 111c AktG entbehrlich, wenn diese alle oben genannten Pflichtangaben zu der RPT enthält.

  • Eine Veröffentlichung von RPT ist zudem so lange entbehrlich, solange die Voraussetzungen für einen eigenverantwortlichen Aufschub der Offenlegung der Insiderinformation vorliegen (§ 111c Abs. 3 Satz 3 AktG, Art. 17 Abs. 4 MAR). Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die RPT zugleich eine offenlegungspflichtige Insiderinformation darstellt.

3. Konkreter Umsetzungs- und Anpassungsbedarf

Zur Sicherstellung der Einhaltung des neuen RPT-Regimes haben börsennotierte Gesellschaften unter anderem Folgendes zu berücksichtigen:

Überwachungsmechanismus

  • Zur Umsetzung der RPT-Regelungen ist ein Überwachungsmechanismus einzurichten für   
      
    • Geschäfte der Gesellschaft mit nahestehenden Personen und
    • Geschäfte eines Tochterunternehmens mit der Gesellschaft nahestehenden Personen,

    der idealerweise zugleich danach differenziert, ob das Geschäft den Schwellenwert selbst überschreitet oder nur in der Aggregation zu berücksichtigen ist.

  • Der Überwachungsmechanismus kann in bestehende Überwachungssysteme der Gesellschaft integriert werden. Faktisch konzernverbundene Gesellschaften können auch das zur Vorbereitung des Abhängigkeitsberichts eingerichtete Verfahren auf die Erfassung von RPT erstrecken.

  • Grundsätzlich muss sich der Überwachungsmechanismus auch darauf beziehen, ob das jeweilige Geschäft marktüblich ist und im ordentlichen Geschäftsgang vorgenommen wurde. Die Gesellschaft kann jedoch durch Satzungsregelung von dieser Ausnahmevorschrift abweichen (§ 111a Abs. 2 Satz 3 AktG). Dies kann sich etwa zur Komplexitätsreduzierung anbieten, wenn das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle ohnehin nicht zu erwarten ist.

Übertragung der Zustimmungsentscheidung auf einen Aufsichtsratsausschuss?

  • Der Aufsichtsrat hat zu prüfen, ob er die Entscheidung(en) über die RPT-Zustimmung einem Ausschuss überträgt. Dies hat den Vorteil, dass sich potentielle Interessenkonflikte (insbesondere im Fall von Doppelmandatsträgern) nicht in gleicher Weise auswirken wie bei der Zustimmung durch den Gesamtaufsichtsrat.

  • Soll ein bereits bestehender Ausschuss (z.B. Prüfungsausschuss) entscheiden, muss im Einzelfall sichergesellt sein, dass sich dieser Ausschuss mehrheitlich aus Mitgliedern zusammensetzt, bei denen in Bezug auf die zu billigende RPT keine Besorgnis eines Interessenkonflikts besteht.

In unserem nächsten Beitrag werden wir Ihnen die neuen Regelungen zur Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung (Say On Pay) näher vorstellen.

Kapitalmarktrecht
Compliance & Interne Untersuchungen

Share