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Auswirkungen der anstehenden Reformen bei der Investitions­kontrolle

02.10.2018

Das Recht über die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland, geregelt in §§ 55 ff. der Außenwirtschaftsverordnung wurde zwar erst im Vorjahr verschärft (wir berichteten). Dennoch werden in diesen Tagen verstärkt verschiedene Reformvorhaben diskutiert, deren Umsetzung erhebliche Auswirkungen auf die M&A-Transaktionspraxis haben dürfte.

Die einzelnen Reformvorhaben

In Vorbereitung sind drei unterschiedliche Maßnahmenpakete, zwei auf deutscher, eins auf europäischer Ebene.

1. Kabinettsvorlage zur Herabsenkung des Schwellenwertes

Dem Bundeskabinett liegt eine Vorlage des BMWi vor, nach der der relevante Schwellenwert herabgesenkt werden soll. Derzeit greifen die Regeln über die Investitionskontrolle ein, wenn ein ausländischer Erwerber bzw. ein Erwerber aus einem Nicht-EU oder Nicht-EFTA-Land 25% oder mehr der Stimmrechte an einem inländischen Unternehmen erwerben möchte. Dieser Wert soll nun auf 15% herabgesenkt werden. Diskutiert wird darüber hinaus eine noch weitere Herabsenkung sowie eine Beschränkung der Absenkung auf besonders kritische Infrastrukturen, wie etwa die Bereiche IT oder Energieversorgung.

Hintergrund dieser Maßnahme dürften die Erfahrungen im Fall 50 Hertz sein. Hier hatte das chinesische Staatsunternehmen State Grid lediglich 20% der Anteile des Netzbetreibers übernehmen wollen. Diesen Fall hat die Bundesregierung u.a. auch mit Verweis auf eine mangelnde Eingriffskompetenz über einen anderen Weg gelöst: Auf ihren Geheiß übernahm die KfW-Bankengruppe den Anteil.

Zeitplan: Die Absenkung des Schwellenwertes könnte relativ schnell erfolgen. Diese Rechtsänderung kann die Bundesregierung im Verordnungswege herbeizuführen. Mit einer Umsetzung wird noch in diesem Jahr gerechnet.

2. Staatsfonds

Daneben wurden in der vergangenen Woche Überlegungen publik, einen Staatsfonds zu gründen, der anstelle des als kritisch bewerteten ausländischen Investors die Anteile an einem Unternehmen übernehmen könnte. Diese Fonds-Lösung darf noch als unausgegoren gelten. Völlig unklar ist, ob in diesem Zusammenhang auch ein Vorkaufsrecht geregelt werden könnte.

Zeitplan: Die Auflage des Fonds und die rechtliche Ausgestaltung erfordert deutlich mehr gesetzgeberischen Vorlauf, da u.a. verfassungs- und haushaltsrechtliche Fragen gelöst werden müssten, zudem ist eine Umsetzung wohl nur im Rahmen eines normalen Gesetzgebungsverfahrens möglich (zur Komplexitität derartiger Vorhaben siehe auch unsere Beratung der Bundesregierung zur Errichtung eines Staatsfonds bezüglich der kerntechnischen Entsorgung).

3. EU-Rahmenverordnung

Vor ziemlich genau einem Jahr hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Rahmenverordnung vorgelegt. Diese enthält im Wesentlichen drei Bausteine: (i) Vorgaben für die nationalen Verfahren; (ii) einen Berichtsmechanismus; und (iii) einen Kooperationsmechanismus.

Nach unserer Einschätzung entspricht das deutsche Verfahren nach der AWV dem durch die Rahmenverordnung vorgegebenen Rahmen. Allerdings dürfte die Rahmenverordnung in der Praxis erhebliche Auswirkungen auf die Dauer der Verfahren und evtl. auf die Bereitschaft der beteiligten Stellen haben, Kompromisslösungen zu finden. Denn die Mitgliedstaaten müssen ihre formalen Investitionsprüfungen den anderen Mitgliedstaaten in jedem Falle mitteilen und deren Stellungnahme 25 Tage lang abwarten. Gegebenenfalls schließt sich eine weitere Stellungnahme der Kommission an, für die diese wiederum 25 Tage Zeit hat. Das bedeutet, dass für das formale Investitionsprüfverfahren faktisch 50 Tage eingeplant werden müssen. Es hätte damit eine Mindestlänge von zwei Monaten, die derzeit in der Praxis häufig nicht erreicht wird.

Zeitplan: Der Bericht des Europäischen Parlamentes bzw. der Standpunkt des Rates liegen seit Mai bzw. Juni diesen Jahres vor. Derzeit findet der Trilog zwischen den beteiligten EU Institutionen statt, mit dem Ziel, noch vor der Neuwahl des Europäischen Parlamentes im Mai 2019 eine Verordnung zu verabschieden.

Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

Eine Herabsetzung des Schwellenwertes würde erhebliche Auswirkungen auf private M&A-Transaktionen beim Erwerb einer Beteiligung unterhalb von 25 % haben. Diese wären in vielen Fällen nur noch mit einer entsprechenden zeitlichen Verzögerung durchführbar. Allerdings gibt es Bereiche, in denen dies in der Praxis weniger ins Gewicht fällt, weil andere regulatorische Prozesse bereits beim Erwerb einer Beteiligung von weniger als 25% durchlaufen werden müssen, wie etwa beim Erwerb einer Bank.

Im Bereich öffentlicher Übernahmen wäre der Aufbau einer Beteiligung im Vorfeld betroffen. Dies betrifft nicht nur den Erwerb von Aktienpaketen an einer börsennotierten Gesellschaft, sondern auch Kapitalerhöhungen aus genehmigten Kapital. Erschwert würde in letzteren Fällen etwa die in der Praxis durchaus relevante Konstellation, in der Aktien aus genehmigten Kapital mit vereinfachten Bezugsrechtsausschluss von einem bestehenden Aktionär gezeichnet werden, wenn dieser hierdurch die Schwelle von 15 % überschreitet.

Öffentliche Übernahmeangebote selber zielen dagegen auf einen Kontrollerwerb und damit regelmäßig auf das Überschreiten der Schwelle von 30 % der Stimmrechte an der an der Zielgesellschaft ab. Hier ergeben sich daher keine Änderungen. Problematischer wird diesbezüglich aber sein, dass für das Investitionsprüfverfahren bei Verabschiedung des EU Rahmens künftig noch mehr Zeit eingeplant werden muss. Dies gilt es aus Bietersicht beim Zeitplan einer öffentlichen Übernahme zu berücksichtigen. Eine zügige Durchführung eines öffentlichen Übernahmeverfahrens, die zur Vermeidung von Kapitalmarktrisiken aus Bietersicht häufig wünschenswert ist, wird in diesen Fällen dann kaum mehr möglich sein und Aktionäre werden sich gedulden müssen bis sie erfahren, ob ihre Annahme eines derartigen öffentlichen Angebots wirksam werden wird.

Unternehmen mithilfe eines Staatsfonds zu übernehmen, dürfte ferner aus Staatssicht in vielen Fällen finanziell unattraktiv sein, zumindest wenn dieser Kauf zu denselben Konditionen erfolgt, wie sie der ausländische Investor eingegangen wäre. Denn bei der Rendite-Bewertung durch den Investor werden häufig Synergieeffekte eingepreist. So geht es häufig darum, den europäischen Markt für die eigenen Produkte zu öffnen oder die Produkte des Zielunternehmens auf dem heimischen Markt zu veräußern. Gerade chinesische Investoren haben dabei auch den Technologietransfer im Blick. Diese Überlegungen fließen in den Investitionspreis mit ein – alles Erwägungen, die der Staat nicht kommerzialisieren könnte. Darüber hinaus können dem nunmehr zu wesentlichen Anteilen staatlich gehaltenen Unternehmen auch Nachteile im Wettbewerb durch die Anforderungen des Vergaberechts entstehen, insbesondere in den Sektoren Energie, Wasser und Verkehrsnetze.

Fazit

Ausländische Investoren begegnen den Entwicklungen nicht nur in Deutschland mit Sorge – wir beobachten eine zunehmende Vorsicht insbesondere durch chinesische Investoren. Bereits die Verschärfungen im Jahr 2017 – und insbesondere die Ausweitung der Aufgreiffrist – steigerten die Möglichkeiten der Bundesregierung, unliebsame Investitionen effektiv zu unterbinden und jedem Anschein von „Naivität“ entschieden entgegenzutreten. Unseres Erachtens sollte der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass der Anwendungsbereich der §§ 55 ff. AWV beschränkt bleibt und die Schwellenwerte nur wirklich kritische Stimmanteile erfassen. Ferner sollte das bereits aufwändige Investitionsprüfverfahren möglichst unbürokratisch und kurz gehalten werden, nicht zuletzt, um  pragmatische Lösungen weiterhin zu ermöglichen.  

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