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Beilegung von DBA-Steuerstreitigkeiten zwischen EU-Staaten: BMF legt Referentenentwurf vor 

30.04.2019

Mit dem am 16.4.2019 vom BMF veröffentlichten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen zwischen EU-Staaten (kurz EU-DBA-SBG) soll die EU-Streitbeilegungsrichtlinie (SBRL) in nationales Recht umgesetzt werden. Damit wird in Deutschland ein weiteres Verfahren zur Beseitigung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten implementiert. Soweit möglich orientiert sich der 33 Paragrafen umfassende Gesetzentwurf weitgehend an der Terminologie der EU-Streitbeilegungsrichtlinie, um späteren Auslegungsfragen vorzubeugen.

Der wesentliche Inhalt des Referentenentwurfs lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Dreistufiges Verfahren der Streitbeilegung

In dem Gesetzentwurf wird ein Streitbeilegungsverfahren eingeführt, das die folgenden drei Phasen umfasst:

• die Einreichung der Streitbeilegungsbeschwerde (§§ 4 bis 12 EU-DBA-SBG-E),

• das Verständigungsverfahren (§§ 13 bis 16 EU-DBA-SBG-E) und

• das Schiedsverfahren (§§ 17 bis 19 EU-DBA-SBG-E).

Anwendungsbereich und Verfahrenssprache

Das EU-DBA-SBG gilt für Streitigkeiten zwischen Deutschland und einem anderen oder mehreren anderen EU-Staaten, die durch die Auslegung und Anwendung von DBA entstehen (§ 1 EU-DBA-SBG-E). Als Verfahrenssprache wird neben der Amtssprache Deutsch auch Englisch zugelassen (§ 3 EU-DBA-SBG-E).

Phase 1: Einreichung der Streitbeilegungsbeschwerde

Die erste Phase umfasst die Einreichung der Streitbeilegungsbeschwerde durch die betroffene Person über eine Streitfrage. Hierfür stellt der von einem Doppelbesteuerungssachverhalt betroffene Steuerpflichtige den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens (§ 4 EU-DBA-SBG-E). Die Beschwerdefrist beträgt drei Jahre nach Bekanntgabe der ersten Mitteilung einer Maßnahme (z. B. der Bekanntgabe eines Steuerbescheids), die im Ergebnis zur Streitfrage geführt hat (§ 4 Abs. 3 EU-DBA-SBG-E).

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Streitbeilegungsverfahren grundsätzlich den Verfahren nach DBA oder dem EU-Schiedsübereinkommen vorgeht. Sobald der Steuerpflichtige ein Streitbeilegungsverfahren initiiert, sind vergleichbare Verfahren auf Grundlage des DBA oder dem EU-Schiedsübereinkommen beendet (§ 4 Abs. 4 EU-DBA-SBG-E). Dies gilt auch nach Beendigung des Streitbeilegungsverfahrens.

Anschließend entscheiden die zuständigen Behörden der EU-Staaten grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten ab Zugang der Streitbeilegungsbeschwerde über die Zulassung des Antrags (§ 8 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E). Entscheidet die zuständige Behörde in Deutschland nicht fristgemäß über die Streitbeilegungsbeschwerde, gilt der Antrag durch die Zulassungsfiktion als zugelassen (§ 8 Abs. 4 EU-DBA-SBG-E).

Sollten alle zuständigen Behörden der betroffenen EU-Staaten die Streitbeilegungsbeschwerde zurückweisen (Nicht-Zulassung), steht den betroffenen Steuerpflichtigen der Finanzrechtsweg offen (§ 9 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E).

Entscheiden dagegen nicht alle zuständigen Behörden einheitlich über die Zulassung des Antrags, kann der sog. Beratende Ausschuss bezüglich der Zulassung oder Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde angerufen werden (§ 10 EU-DBA-SBG-E). Allerdings ist die Zulassung durch den Beratenden Ausschuss ausgeschlossen, wenn in einem betroffenen EU-Staat die Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch ein Gericht rechtskräftig bestätigt wurde und der betroffene EU-Staat aufgrund der Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung hiervon nicht mehr abweichen kann (§ 9 Abs. 2 EU-DBA-SBG-E).

Für die Anrufung des Beratenden Ausschusses ist ein Antrag erforderlich, der schriftlich und innerhalb von 50 Tagen nach dem Tag der Mitteilung der Nichtzulassung zu stellen ist. Der Beratende Ausschuss hat die Entscheidung über die Zulassung innerhalb von sechs Monaten ab dem Datum seiner Einsetzung (spätestens 120 Tage nach Antragszugang) zu treffen und den zuständigen Behörden der betroffenen EU-Staaten innerhalb von 30 Tagen mitzuteilen (§ 10 Abs. 3, 4 EU-DBA-SBG-E).

Der betroffenen Person steht jederzeit die Möglichkeit zur Rücknahme der Streitbeilegungsbeschwerde offen (§ 11 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E). Hierüber sind alle zuständigen Behörden der betroffenen EU-Staaten gleichzeitig durch schriftliche Mitteilung zu informieren. Die Rücknahme beendet alle Verfahren gemäß dem EU-DBA-SBG mit sofortiger Wirkung. Bei der Rücknahme ist zu beachten, dass diese zur Übernahme der bereits entstandenen Kosten von Mitgliedern des Beratenden Ausschusses führt (§ 31 Abs. 3 EU-DBA-SBG-E).

Phase 2: Verständigungsverfahren

Nach der Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde aller zuständigen Behörden der betroffenen EU-Staaten bemühen sich diese in der zweiten Phase darum, die Streitfrage innerhalb von zwei Jahren ab dem Zugang der letzten Zulassungsmitteilung im Verständigungsverfahren zu lösen (§ 13 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E). Allerdings können sich die beteiligten Behörden der EU-Staaten auch auf eine Verlängerung der Frist um ein Jahr verständigen.

Können die zuständigen Behörden der betroffenen EU-Staaten eine Einigung über die Streitfrage erzielen, teilt die zuständige Behörde Deutschlands jeder betroffenen Person unverzüglich die Einigung mit (§ 15 EU-DBA-SBG-E). Diese Entscheidung ist für die Behörde verbindlich und von der betroffenen Person durchsetzbar, sofern jede betroffene Person der Entscheidung zustimmt und auf das Recht auf Rechtsbehelfe gegen die Änderungsbescheide, die infolge und entsprechend der Einigung erlassen werden, und deren Ursprungsbescheide verzichtet.

Kommt es dagegen im Einigungszeitraum des Verständigungsverfahrens zu keiner Einigung der zuständigen Behörden über die Lösung der Streitfrage, so teilt die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland der betroffenen Person mit, aus welchen allgemeinen Gründen keine Einigung erzielt wurde (§ 16 EU-DBA-SBG-E).

Phase 3: Schiedsverfahren

Im Fall der Nichteinigung im Rahmen der Verständigungsphase schließt sich auf Antrag des Steuerpflichtigen die Schiedsverfahrensphase an. Der Antrag ist vom Betroffenen schriftlich und innerhalb von 50 Tagen nach der Mitteilung der Behörden über die Nichteinigung der Streitfrage bei jeder zuständigen Behörde gleichzeitig und mit den gleichen Angaben einzureichen (§ 17 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E).

In der Schiedsverfahrensphase wird die Streitfrage dem Beratenden Ausschuss vorgelegt. Die Einsetzung des Beratenden Ausschusses erfolgt spätestens 120 Tage nach dem Zugang des Antrags (§ 21 EU-DBA-SBG-E). Der Beratende Ausschuss gibt seine Stellungnahme dazu ab, wie die Streitfrage zu lösen ist. Diese ist in schriftlicher Form an die zuständigen Behörden der betroffenen EU-Staaten spätestens sechs Monate nach dem Datum seiner Einsetzung abzugeben, wobei eine Verlängerung der Abgabefrist der Stellungnahme um 3 Monate bei besonders schwierigen Streitfragen möglich ist (§ 17 Abs. 3 EU-DBA-SBG-E).

Das Streitbeilegungsverfahren endet schließlich mit der abschließenden Entscheidung der zuständigen Behörden darüber, wie die Streitfrage zu lösen ist. Die zuständigen Behörden können der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses zustimmen oder auch von dieser abweichen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 EU-DBA-SBG-E). Treffen allerdings die zuständigen Behörden innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten nach der Übermittlung der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses keine abschließende Entscheidung, gilt der Inhalt der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses als abschließende Entscheidung (§ 18 Abs. 2 Satz 2 EU-DBA-SBG-E). Stimmt der Steuerpflichtige der abschließenden Entscheidung über die Streitfrage innerhalb von 60 Tagen nach Bekanntgabe der abschließenden Entscheidung zu und verzichtet er auf Rechtsbehelfe, sind die fraglichen Steuerbescheide des Steuerpflichtigen entsprechend der Entscheidung zu ändern (§ 18 Abs. 5 EU-DBA-SBG-E).

Regelungen zum Beratenden Ausschuss

Zentraler Bestandteil für die Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Beratende Ausschuss. So regelt das EU-DBA-SBG auch zahlreiche Einzelheiten zu Verfahrensregelungen für den Beratenden Ausschusses, wie die Zusammensetzung, die Einsetzungsfrist, die Informationsrechte und die Geschäftsordnung. So wird beispielsweise bestimmt, dass sich der Beratende Ausschuss zusammensetzt aus einem Vorsitzenden, einem Vertreter jeder betroffenen zuständigen Behörde und jeweils einer unabhängigen Person jedes betroffenen EU-Staats. Die unabhängigen Personen werden von jeder zuständigen Behörde aus einer von dieser zu übermittelnden Liste ausgewählt (§ 20 EU-DBA-SBG-E). Beispielsweise benennt das BMF bis zum 30.6.2019 bei der EU-Kommission für die Liste der unabhängigen Personen mindestens drei kompetente und unabhängige Personen, die unparteiisch und integer handeln können (§ 25 EU-DBA-SBG-E).

Ausschuss für alternative Streitbeilegung

Als Alternative zur Lösung der Streitfrage durch den Beratenden Ausschuss kann die zuständige Behörde Deutschlands mit der zuständige Behörde der anderen EU-Staaten auch einen Ausschuss für alternative Streitbeilegung einsetzen (§ 29 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E). Dieser Ausschuss kann auch als ständiges Gremium (Ständiger Ausschuss) eingerichtet werden.

Erleichterungen

Zudem sieht das Gesetz noch Erleichterungen für natürliche Personen und kleinere Unternehmen in § 28 EU-DBA-SBG-E vor.

Kosten des Verfahrens

Die Kosten für das Verfahren werden grundsätzlich zu gleichen Teilen von den betroffenen EU-Staaten getragen, sofern die zuständigen Behörden nichts anderes vereinbart haben (§ 30 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E). Dies gilt für die Auslagen und gegebenenfalls das Honorar für die unabhängigen Personen. Das Honorar beträgt dabei höchstens 1.000 Euro pro Person und pro Tag für jeden Sitzungstag des Beratenden Ausschusses. Der Auslagenersatz richtet sich nach dem Betrag in Höhe des Durchschnitts des üblichen Erstattungsbetrags für hochrangige Beamte der betroffenen EU-Staaten. Allerdings ist es auch möglich, dass diese Kosten unter anderem auch von der betroffenen Person getragen werden, wenn die zuständigen Behörden der betroffenen EU-Staaten der Kostentragung durch die betroffene Person zustimmen (§ 30 Abs. 2 EU-DBA-SBG-E). Die Kosten der betroffenen Person dagegen werden von den EU-Staaten nicht getragen und müssen von dieser selbst getragen werden (§ 30 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E).

Erstmalige Anwendung

Das EU-DBA-SBG findet erstmals auf alle Streitbeilegungsbeschwerden Anwendung, die ab dem 1.7.2019 zu Streitfragen im Zusammenhang mit Einkommen oder Vermögen eingereicht werden, und die Einkünfte in einem ab dem 1.1.2018 beginnenden Steuerjahr betreffen (§ 33 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E). Abweichend davon können auch Streitigkeiten aus früheren Jahren unter die

Neuregelung fallen, wenn dies die zuständige Behörde Deutschlands mit der zuständigen Behörde der anderen betroffenen EU-Staaten vereinbaren (§ 33 Abs. 1 EU-DBA-SBG-E).

Erstes Fazit

Mit dem nun vorliegenden Gesetzgebungsverfahren steht den Steuerpflichtigen ein weiteres Verfahren zur Lösing von Auslegungsfragen aus DBA-Streitigkeiten zur Verfügung. Dies gilt zumindest für solche zwischen EU-Staaten. Vorteilhaft ist vor allem an dieser Möglichkeit, dass am Ende des Verfahrens eine Lösung der Streitfrage steht. Allerdings sind die Fristen und Zeiträume der einzelnen Verfahrensphasen relativ lang gesetzt, so dass erst die Praxis zeigen wird, ob und wie schnell dieses Verfahren zur Lösung von Praxisfragen beitragen kann.