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Berliner Senat beschließt Gesetzesentwurf zum „Mietendeckel“

04.11.2019

Am 22. Oktober 2019 hat der Berliner Senat nach intensiven politischen Verhandlungen den Entwurf eines „Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“ (BerlMietenWoG-GE) beschlossen. Der Senat strebt ein Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2020 an. Die Bestrebungen des Landes Berlin zur „Deckelung“ der Mieten werden auch von anderen Landesregierungen in Deutschland interessiert beobachtet. Das verfassungsrechtliche Schicksal des Gesetzes wird nach Meinung vieler Beobachter entscheidend dafür sein, ob andere Länder dem Beispiel des Landes Berlin folgen und ähnliche Gesetze auf den Weg bringen.

Wesentlicher Inhalt des Gesetzesentwurfs

Ebenso wie der Referentenentwurf sieht der Gesetzesentwurf ein auf fünf Jahre befristetes Gesetz vor. Auch der Anwendungsbereich des Gesetzes ist im Vergleich zum Referentenentwurf unverändert geblieben: Das Gesetz soll nach § 1 BerlMietenWoG-GE insbesondere nicht gelten für Wohnraum des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, für Wohnraum, der ab dem 1. Januar 2014 erstmals bezugsfertig wurde, sowie für Wohnraum, den eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege zur Überlassung an Personen mit dringendem Wohnbedarf, mit Pflege- oder Teilhabebedarf mietet oder vermietet.

Die wichtigsten Regelungen des Gesetzesentwurfs lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Für Wohnraum, der nach dem 18. Juni 2019 erstmalig vermietet wird, sollen die in den §§ 5 und 6 BerlMietenWoG-GE festgelegten Obergrenzen gelten. Bei diesen Obergrenzen soll im Grundsatz nur hinsichtlich des Baujahrs und der Frage differenziert werden, ob Wohnungen mit Sammelheizung und/oder eigenem Bad ausgestattet sind. Neu im Vergleich zum Referentenentwurf ist, dass aufgrund einer „modernen“ Ausstattung ein Aufschlag von einem Euro pro Quadratmeter auf die Mietobergrenzen zulässig ist, wenn eine Wohnung drei von fünf definierten Merkmalen aufweist.
  • Am 18. Juni 2019 wirksam vereinbarte Mieten sollen nach § 4 BerlMietenWoG-GE auf Antrag der Mieterinnen und Mieter von der für das Wohnungswesen zuständigen Senatsverwaltung gekappt werden können, soweit eine Miete die nach Berücksichtigung der Wohnlage bestimmte Mietobergrenze um mehr als 20 Prozent überschreitet und nicht nach § 7 BerlMietenWoG-GE (Härtefallregelung) genehmigt ist. Die Wohnlage soll bei dieser Regelung derart berücksichtigt werden, dass bei „einfachen“ Wohnlagen 0,28 Euro und bei „mittleren“ Wohnlagen 0,09 Euro von der Obergrenze abzuziehen sind. Bei „guten“ Wohnlagen sind 0,74 Euro auf die Mietobergrenze aufzuschlagen. Die Regelung soll erst neun Monate nach Wirksamwerden des Gesetzes wirksam werden.

  • § 6 BerlMietenWoG-GE enthält eine Regelung zur Umlegung von Modernisierungskosten. Bestimmte, in § 6 Abs. 1 BerlMietenWoG-GE näher definierte Modernisierungsmaßnahmen sind anzeigepflichtig, wenn sich die Miete hierdurch um nicht mehr als einen Euro pro Quadratmeter erhöht und die Mietobergrenze um nicht mehr als einen Euro überschritten wird. Für darüber hinausgehende Modernisierungskosten bis zu maximal einem weiteren Euro pro Quadratmeter möchte der Berliner Senat Förderprogramme zur Verfügung stellen. Andere Modernisierungskosten als die in § 6 Abs. 1 BerlMietenWoG-GE genannten sollen überhaupt nicht auf die Miete umlegbar sein. Die Regelung stellt eine Verschärfung gegenüber dem Referentenentwurf dar. Dieser sah noch eine Erhöhung der Mietobergrenzen um bis zu 1,40 Euro pro Quadratmeter bei Modernisierungen vor, die in den letzten 15 Jahren vor Inkrafttreten des Gesetzes durchgeführt wurden. Zusätzlich sollte eine Erhöhung der Mietobergrenzen um einen weiteren Euro pro Quadratmeter bei künftigen Modernisierungen möglich sein.      
  • Der Gesetzesentwurf enthält schließlich in § 10 einen Ordnungswidrigkeitentatbestand. Verstöße gegen bestimmte Regelungen des Gesetzesentwurfs können demnach mit Bußgeldern bis zu 500.000 Euro geahndet werden. § 10 Abs. 1 Nr. 4 BerlMietenWoG-GE sieht dies insbesondere für das „Fordern“ einer unzulässig hohen Miete vor.

Rechtliche Einordnung

Zunächst leidet der Gesetzesentwurf ebenso wie der Referentenentwurf unverändert an dem „Geburtsfehler“ der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin (wir berichteten).

Auch darüber hinaus dürften viele Einwände, die schon gegenüber dem Referentenentwurf formuliert wurden, ebenso in Bezug auf den Gesetzesentwurf begründet sein. Der verfassungsrechtlich bedeutsamste Einwand ist, dass die Lage und Ausstattung der Mietobjekte bei der Mietobergrenze nicht bzw. hinsichtlich der Ausstattung nur rudimentär berücksichtigt werden, woraus eine kaum zu rechtfertigende Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem resultiert (wir berichteten). Dieser Einwand gewinnt durch den Gesetzesentwurf noch an Gewicht, denn jedenfalls im Fall von Kappungen nach § 4 BerlMietenWoG-GE scheint sich der Berliner Senat in der Lage zu sehen, zwischen verschiedenen Wohnlagen zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso erstaunlicher, dass die Lage und Ausstattung ansonsten, d.h. bei der Festsetzung der Mietobergrenzen, irrelevant sein soll.

Der Gesetzesentwurf ist aber auch aus anderen Gründen bedenklich. Insbesondere die Regelung zur Herabsenkung von am 18. Juni 2019 wirksam vereinbarten Mieten in § 4 BerlMietenWoG-GE für den Fall, dass eine Miete die nach Berücksichtigung der Wohnlage bestimmte Mietobergrenze um mehr als 20 Prozent überschreitet und nicht nach § 7 BerlMietenWoG-GE (Härtefallregelung) genehmigt ist, ruft verfassungsrechtliche Bedenken hervor:

  • Zunächst knüpfen die Mietobergrenzen im Grundsatz an den Mietenspiegel aus dem Jahr 2013 an und wurden ab diesem Jahr lediglich der Reallohnentwicklung entsprechend fortgeschrieben. Verfassungsrechtlich fragt sich, wodurch ein Anknüpfen an derart veraltete Werte überhaupt gerechtfertigt sein soll. Die Frage der Verfassungskonformität stellt sich besonders im Fall bestehender Mietverträge, die unter Einhaltung des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Rechts zustande gekommen sind und nunmehr möglicherweise nach § 4 BerlMietenWoG-GE, der sich ebenfalls an den Obergrenzen nach §§ 5 und 6 BerlMietenWoG-GE orientiert, „gekappt“ werden dürfen. Der Eingriff in das schutzwürdige Vertrauen ist hier tiefgreifend und dürfte nicht zu rechtfertigen sein. Verschärft wird der Eingriff in schutzwürdiges Vertrauen dadurch, dass eine schon erfolgte Modernisierungsumlage nun überhaupt nicht mehr und zukünftige Modernisierungen nur in bestimmten Fällen berücksichtigt werden sollen.
  • Hinsichtlich der Einteilung des Stadtgebiets in „einfache“, „mittlere“ und „gute“ Wohnlagen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 BerlMietenWoG-GE) stellt sich die Frage, ob hier angesichts der starken städtebaulichen Diversifizierung in Berlin nicht wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird. Auf der gleichen Einteilung bauen zwar auch die „Mietenspiegel“ auf, die wiederum für die Ermittlung der „ortsüblichen Vergleichsmieten“ im Sinne von § 558 Abs. 2 BGB von entscheidender Bedeutung sind. Der Begriff der „ortsüblichen Vergleichsmieten“ ist durch das Bundesverfassungsgericht unbeanstandet geblieben. Indes werden bei der Ermittlung des „Mietspiegels“ für eine bestimmte Wohnung und damit auch bei Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete Faktoren wie „Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage“ (§ 558 Abs. 2 BGB) der Wohnung berücksichtigt. Der Vergleich zur Bestimmung der „ortsüblichen Vergleichsmieten“ zeigt demnach gerade, mit welch grobem, letztlich gleichheitswidrigem Maßstab im Entwurf für das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“ agiert wird.     

  • Schließlich bestehen Bedenken hinsichtlich der erforderlichen Bestimmtheit des Bußgeldtatbestandes in § 10 BerlMietenWoG-GE, soweit er an § 4 BerlMietenWoG-GE anknüpft. Nach § 10 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 BerlMietenWoG-GE kann eine Geldbuße bis zu 500.000 Euro verhängt werden für den Fall, dass eine Vermieterin oder ein Vermieter vorsätzlich oder fahrlässig eine höhere als die nach §§ 3 bis 6 BerlMietenWoG-GE zulässige Miete „fordert“. Soweit die Vorschrift auch § 4 BerlMietenWoG-GE in Bezug nimmt, bleibt unklar, ob ein unzulässiges „Fordern“ erst dann vorliegt, wenn der nach § 4 Abs. 1 BerlMietenWoG-GE erforderliche Antrag auf „Kappung“ seitens der Mieterin und des Mieters vorliegt und trotzdem weiter eine überhöhte Miete „gefordert“ wird, oder ob ein sanktioniertes „Fordern“ schon dann gegeben ist, wenn nach § 4 Abs. 2 BerlMietenWoG-GE in der Vergangenheit eine „überhöhte“ Miete vereinbart wurde. Wäre letzteres richtig, würden Vermieterinnen und Vermieter mittelbar angehalten werden, zum Inkrafttreten des Gesetzes aktiv auf eine Anpassung „überhöhter“ Mieten hinzuwirken. Für diese Lesart spricht, dass § 10 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 BerlMietenWoG-GE seinem Wortlaut nach davon ausgeht, dass sich schon aus dem Gesetz selbst ergibt, wann eine Mietforderung zulässig ist und wann nicht. Für die gegenteilige Auffassung spricht, dass § 4 Abs. 1 BerlMietenWoG-GE, der von § 10 Abs. 3 Nr. 4 BerlMietenWoG-GE in Bezug genommen wird, eindeutig einen Kappungsantrag als „Zwischenschritt“ voraussetzt. In jedem Fall bleibt der Normappell trotz der enormen praktischen Bedeutung – es dürften tausende Fälle betroffen sein – unklar.

 

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