News

BFH: Der Zoll darf ausländische Transport­unternehmen auf die Einhaltung des MiLoG prüfen

18.05.2021

Der Bundesfinanzhof hat am 18.08.2020 gleich mit drei Entscheidungen (VII R 34/18; VII R 35/18; VII R 12/19) bestätigt, dass der Bundesgesetzgeber der Zollverwaltung die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers nach § 20 MiLoG übertragen durfte. Transportunternehmen mit Sitz in der Europäischen Union, deren Arbeitnehmer im Inland tätig sind, sind somit verpflichtet, eine Überprüfung der Zollverwaltung auf die Einhaltung der Regelungen zum Mindestlohn zu dulden.

1. Was war Hintergrund der Entscheidung?

In den den Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalten, klagten Speditionsunternehmen mit Sitz in der Slowakei und Polen, die ihre Arbeitnehmer im grenzüberschreitenden Straßenverkehr beschäftigt hatten. Die grenzüberschreitenden Transporte führten nach und aus der Bundesrepublik Deutschland; entweder nur die Ent- oder Beladung erfolgte im Inland. Strittig war in zwei Fällen, ob die Fahrer nicht lediglich im sogenannten Transitverkehr tätig geworden waren und nicht einmal eine Be- und Entladung im Inland erfolgte. Zur Aufklärung, ob die Mindestlohngrenze zumindest temporär von den Klägerinnen hätte beachtet werden müssen, ordnete die Zollverwaltung die Durchführung eines Prüfungsverfahrens nach §§ 2 ff. SchwarzArbG, insbesondere auf die Einhaltung der Mindestlohnbestimmungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 SchwarzArbG i.V.m. § 20 MiLoG  an. Im Rahmen der Prüfungsanordnung verfügte die Zollverwaltung, dass die Klägerinnen Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen und Zahlungsnachweise, Arbeitsaufzeichnungen sowie Namen und Anschrift der jeweiligen Auftraggeber vorlegen müssten. 

Gegen diese Verfügung klagten die betroffenen Speditionsunternehmen. Sie waren der Auffassung, dass die Zollverwaltung für eine Prüfung nach §§ 2 ff. SchwarzArbG nicht zuständig wäre, da das SchwarzArbG auf sie als ausländische Transportunternehmen nicht anwendbar sei. Es läge keine „Entsendung“ vor. Außerdem verstoße das MiLoG gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung, das Bestimmtheitsgebot und gegen Unionsrecht. Im Übrigen sei die Kontrolle unverhältnismäßig, sachwidrig und willkürlich.

2. Die Entscheidungen des BFH

Der Bundesfinanzhof hat die Revisionen der Speditionsunternehmen als unbegründet zurückgewiesen und festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber der Zollverwaltung die Prüfung der Einhaltung der Pflichten nach § 20 MiLoG übertragen durfte. Transportunternehmen mit Sitz im Ausland, deren Arbeitnehmer im Inland tätig sind, haben eine Überprüfung der tatsächlich im Inland verrichteten Arbeiten nach MiLoG zu dulden. Insbesondere sei die Übertragung der Prüfungskompetenz weder grundrechts- noch unionsrechtswidrig.

Hinsichtlich der streitigen Prüfungsbefugnisse der Zollverwaltung könne sich der Bundesgesetzgeber auf den Kompetenztitel des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG stützen. Darüber hinaus stellte der BFH unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil Mazzoleni und ISA, ECLI:EU:C:2001:162, Rz 34 ff.) fest, dass die Verpflichtung für ausländische Arbeitgeber, die genannten Unterlagen vorzuhalten und auf Anforderung vorzulegen, nicht außer Verhältnis zu den mit dem Mindestlohngesetz verfolgten Zielen stehe. Im Ergebnis entspreche dies der Verhältnismäßigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b und c RL 2014/67/EU.

Der Bundesfinanzhof wies jedoch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin, dass immer noch auslegungsbedürftig sei, „wer unter das Tatbestandsmerkmal der „im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern“ in § 20 MiLoG fällt, und somit auch, wer als Arbeitgeber der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Regelungen zur Durchsetzung und Kontrolle der Mindestlohnpflicht in §§ 16 ff. MiLoG unterliegt. Insbesondere ist ungeklärt, ob ausnahmslos jede, auch nur kurzfristige Tätigkeit auf dem Staatsgebiet Deutschlands eine Inlandsbeschäftigung darstellt oder ob eine bestimmte Dauer oder ein Bezug zu den deutschen Sozialversicherungssystemen und zu den Lebenshaltungskosten in Deutschland vorauszusetzen ist.“ (BFH (VII. Senat), Urteil vom 18.08.2020 – VII R 34/18; mit Verweis auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 25.06.2015 - 1 BvR 555/15).
Darauf kam es indes in den zugrunde liegenden Streitfällen nicht an. Der Bundesfinanzhof urteilte, „dass ungeachtet der aufgezeigten Problematik, die Zollverwaltung die  Möglichkeit haben müsse, überhaupt festzustellen, in welchem Umfang die betreffenden Arbeitnehmer tatsächlich im Inland beschäftigt werden bzw. beschäftigt worden sind. Erst im Anschluss an eine solche Feststellung stellt sich dann die Frage, ob der festgestellte Umfang der Tätigkeit eine - im Sinne der EuGH-Rechtsprechung - hinreichende Verbindung zum deutschen Hoheitsgebiet begründet mit der Folge, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 20 MiLoG im Einzelfall eingreift.“  (BFH (VII. Senat), Urteil vom 18.08.2020 – VII R 34/18).

3. Fazit

Der Bundesfinanzhof hat in seinen Urteilen keine Feststellung zu der streitigen Frage getroffen, ob das Mindestlohngesetz auf kurzzeitige Beschäftigungen im Inland überhaupt anwendbar ist, stellt jedoch eindeutig klar, dass eine Kontrollkompetenz der Zollverwaltung gegeben ist.

Die Urteile haben nunmehr zur Folge, dass sich ausländische Arbeitgeber, soweit ihre Arbeitnehmer, egal in welcher Form, im Inland tätig sind, einer Überprüfung durch die Zollverwaltung in der Regel nicht entziehen können. 

Arbeitsrecht
Compliance & Interne Untersuchungen

Share