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BGH: Kein Widerrufsrecht bei Bürgschaften

29.09.2020
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 22.09.2020 (Az. XI ZR 219/19) entschieden, dass Bürgschaften nicht dem Anwendungsbereich von § 312 Abs. 1 BGB (Verbrauchervertrag) unterfallen. Damit besteht kein Widerrufsrecht des Bürgen, auch wenn die Unterzeichnung außerhalb von Geschäftsräumen der Bank bei Anwesenheit eines Bankmitarbeiters erfolgte. Damit hat sich der BGH der von Noerr für die klagende Bank bereits in den Instanzgerichten vertretenen Position angeschlossen. Das Urteil ist bislang nicht veröffentlicht.
 

Hintergrund und Sachverhalt

Seit Inkrafttreten der Neufassung der §§ 312 ff. BGB herrscht Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, ob Bürgschaften Verbraucherverträge im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB in der seit dem 13.06.2014 geltenden Fassung (nachfolgend: n.F.) sind. Nach dieser Fassung des § 312 Abs. 1 BGB liegt ein Verbrauchervertrag vor, wenn dieser eine „entgeltliche Leistung des Unternehmers“ zum Gegenstand hat. Die vorherige Fassung des § 312 BGB (Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften) verlangte hingegen lediglich das Vorliegen einer „entgeltlichen Leistung“, unabhängig von der Person des Leistenden. Die Neuregelung basiert auf der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU. In dieser ist die Bürgschaft nicht genannt. Es war daher in der Literatur umstritten, ob auf Grund des engeren Wortlauts der Norm und im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben Bürgschaftsverträge nunmehr nicht in den Anwendungsbereich von §§ 312 ff. BGB fallen. Denn lediglich der Bürge wird einseitig zur Leistung verpflichtet. Wenn Bürgschaften kein Verbrauchervertrag sind, bestünde kein Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen abgegebenen Bürgschaftserklärungen gemäß §§ 312b, 312g, 355 BGB, unabhängig von einer Verbrauchereigenschaft des Bürgen und den Umständen der Unterzeichnung. In der obergerichtlichen Rechtsprechung war diese Frage bislang ungeklärt.

Im vorliegenden Fall hatte das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg das Bestehen eines Widerrufsrechts des Bürgen angenommen und die Klage der Bürgschaftsgläubigerin, einer Bank, abgewiesen. Gleichzeitig ließ es die Revision zum BGH zu.

Die Entscheidung des BGH

Mit Urteil vom 22.09.2020 (Az. XI ZR 219/19) hat der XI. Zivilsenat des BGH nunmehr die Streitfrage zu Gunsten des von Noerr vertretenen Bürgschaftsgläubigers entschieden.
 
Der BGH hat der Revision der von uns vertretenen Bürgschaftsgläubigern stattgeben und das Urteil des Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg aufgehoben. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, dass Bürgschaften nicht dem Anwendungsbereich von § 312 Abs. 1 BGB n.F. unterfallen. Der Senat wolle angesichts der Neufassung des § 312 Abs. 1 BGB nicht mehr an seiner früheren Rechtsprechung zur Vorgängernorm festhalten, wonach ein Widerruf der Bürgschaftserklärung bei sog. Haustürgeschäften möglich war. Eine Vorlage an den EuGH halte er nicht für erforderlich, da die entsprechende Verbraucherrechterichtlinie eindeutig sei und sich aus dieser daher nichts anderes ergebe.
 

Fazit

Die Frage nach dem Bestehen eines Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen unterzeichneten Bürgschaften ist nun eindeutig vom BGH verneint worden. Diese Entscheidung sorgt damit für die lange erwartete Rechtssicherheit.

Mit einem spezialisierten Team vertritt Noerr Banken und Sparkassen bundesweit in einer großen Zahl von Rechtsstreitigkeiten im Aktiv- und Passivgeschäft und hat eine Vielzahl von Grundsatzverfahren erfolgreich geführt. Sprechen Sie uns an, wenn wir auch Ihr Institut bei der Abwehr von Klagen und bei der Durchsetzung von Ansprüchen unterstützen können.

 

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