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BGH stärkt Banken in ihrer Rolle als Kreditgeber in Sanierungsfällen

16.09.2020

Der Bundesgerichtshof hat für Banken mit Urteil vom 25.06.2020 (Az. IX ZR 243/18) im Bereich der Sanierungskredite Rechtsklarheit und -sicherheit geschaffen. Der Insolvenzsenat harmonisiert mit seiner Leitsatzentscheidung die unbestimmten Rechtsbegriffe der wirtschaftlich gesellschaftergleichen Stellung i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO mit den bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben und trägt gleichzeitig dem regelmäßig erhöhten Kreditsicherungsinteresse der Kreditinstitute in Sanierungsfällen Rechnung. Vor dieser Entscheidung sahen sich Banken in Sanierungsfällen erhöhten Risiken ausgesetzt, wenn sie neben dem banküblichen Kreditsicherungsinteresse über Covenants entsprechend den Anforderungen an die MaRisk die Umsetzung des Sanierungskonzepts und die Auswirkungen der Maßnahmen überwachten. Teile der Literatur vertraten die Auffassung, dass Banken wegen der dadurch bedingten (faktischen) Einflussnahme auf sanierungsbedürftige Schuldner eine gesellschaftergleiche Stellung i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO innehätten. In der Folge seien Banken ausschließlich nachrangige Insolvenzgläubiger und erleichterten Anfechtungsmöglichkeiten gem. § 135 Abs. 1 InsO ausgesetzt. Dem hat der Bundesgerichtshof nunmehr grundsätzlich eine Absage erteilt.

I. Sachverhalt (vereinfacht)

Ein Bankenkonsortium gewährte der Schuldnerin einen Sanierungskredit. Diesen Sanierungskredit ließ das Bankenkonsortium sowohl über Sicherheiten der Insolvenzschuldnerin (Schuldnerin) sowie der Muttergesellschaft, einer GmbH & Co. KG (der Beklagten), als auch über eine sog. doppelseitige Treuhand besichern. Letztere beinhaltet im konkreten Fall eine treuhänderische Übertragung der Geschäftsanteile an der Komplementärin der Beklagten auf eine nicht weisungsgebundene, nur der Treuhandvereinbarung unterliegende Treuhandgesellschaft. Dabei war das Bankenkonsortium als bevorrechtigter Begünstigter der Treuhandvereinbarung und gem. § 328 Abs. 1 BGB unmittelbar berechtigt.

Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin (Kläger) nahm die Beklagte wegen Darlehensrückzahlungen der Schuldnerin an das Bankenkonsortium innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantragstellung aus § 135 Abs. 2 InsO in Anspruch. § 135 Abs. 2 InsO unterwirft Rechtshandlungen der Insolvenzanfechtung gegenüber dem Gesellschafter, die einem gesellschafterfremden Dritten Befriedigung gewähren, wenn dadurch dieser Gesellschafter die Befreiung einer Sicherheit erlangt. Das Landgericht hat die Klage wegen der gesellschaftergleichen Stellung des Bankenkonsortiums und deren vorrangiger Haftung aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO abgewiesen. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt, Urteil vom 08.08.2018 – 4 U 49/17, NZI 2018, 891) hat demgegenüber die Entscheidung abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, weil das Bankenkonsortium kein gesellschaftergleicher Dritter i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sei.

II. Wesentlicher Inhalt der Entscheidung

Der Bundesgerichtshof bestätigt die Entscheidung des Berufungsgerichts und stuft das Bankenkonsortium als gesellschafterfremden Dritten i.S.v. §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 2 InsO ein.

Gesellschaftsgleicher Dritter sei ein Darlehensgeber ausschließlich, wenn die ihm aufgrund der Treuhandvereinbarung und gegebenenfalls sonstiger Abreden zustehenden Rechte bei der jeweiligen Gesellschaftsform in einer Gesamtwürdigung den Dreifachtatbestand aus Erlösbeteiligung, gesellschaftergleichen Rechten und Teilhabe an der Geschäftsführung in einer Weise erfüllen, dass seine Rechtsposition der eines regulären Gesellschafters entspricht. Diese Voraussetzungen waren im zu beurteilenden Fall nicht gegeben.

  • Keine besonders ausgeprägte Beteiligung am Unternehmensgewinn: Beschränkt sich die Beteiligung des Darlehensgebers an der Erlösverteilung im Wesentlichen auf eine Sicherungsfunktion, also zur Absicherung der Ansprüche des Darlehensgebers auf (Rück-)Zahlung von Zins und Tilgung, sieht der BGH darin letztlich nur eine indirekte Beteiligung am Gewinn und damit nur ein schwaches Indiz für eine Gleichstellung mit einem Gesellschafter. Solche Vereinbarungen entsprächen in ihrem Umfang den Ansprüchen bei einem Fremddarlehen.

  • Keine Teilhabe an der Geschäftsführung (Einfluss auf die Geschäftsführung): Bloße wirtschaftliche Verhandlungsmacht des Darlehensgebers bzw. dessen Möglichkeit, bloß faktisch auf die Entscheidungen der Geschäftsführung der Schuldnerin Einfluss zu nehmen, reichen nicht aus. Notwendig ist vielmehr eine Weisungsgebundenheit der maßgeblichen Akteure gegenüber dem Darlehensgeber bzw. eine Abhängigkeit der Entscheidungsträger in rechtlich abgesicherter Form bzw. in rechtlich begründeter Art. Ebenso wenig verschaffen Kündigungsrechte des Darlehensgebers einen rechtlich begründeten Einfluss auf die Geschäftsführung.

  • Keine gesellschaftergleichen Rechte: Notwendig ist eine rechtliche gesicherte Einflussnahme, die dazu führt, dass die Tätigkeit des jeweiligen Schuldners als unternehmerische Tätigkeit des Darlehensgebers anzusehen ist. Nicht hinreichend sind die Begünstigung des Darlehensgebers über eine doppelseitige Treuhand, die Abhängigkeit der Finanzierungszusage von Beauftragung, Beachtung und Einhaltung eines Sanierungskonzepts, Thesaurierungspflichten, Zustimmungsvorbehalte des Darlehensgebers für Gewinnausschüttungen oder Entnahmen zugunsten von Kommanditisten oder Berichts- sowie Informationspflichten gegenüber dem Darlehensgeber. Für eine Gleichstellung eines Darlehensgebers mit einem Gesellschafter genügt es - anders als der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13. Juli 1992 (II ZR 251/91, BGHZ 119, 191, 198) für das Eigenkapitalersatzrecht hervorgehoben hat - nicht, dass die Gesellschafter in grundsätzlichen Fragen nicht mehr eigenverantwortlich entscheiden können. Entscheidend ist vielmehr, wem die Entscheidungsbefugnis - sei es auch nur in Form von Zustimmungsvorbehalten - zuwächst. Dies war hier die Treuhänderin ausschließlich gebunden an den Treuhandvertrag.

  • Abwägende Gesamtbetrachtung: In seiner Gesamtheit muss der dem Darlehensgeber in rechtlicher Hinsicht mögliche Einfluss die Rechtsstellung eines Gesellschafters erreichen. Es darf nicht zugleich an einer einem Gesellschafter vergleichbaren Gewinnbeteiligung der Banken fehlen. Ohne ausreichende rechtliche Grundlage, welche dem Darlehensgeber einen hinreichenden Einfluss eröffnet, kann die Tätigkeit des Schuldners nicht als eigene unternehmerische Tätigkeit des Darlehensgebers angesehen werden.

III. Fazit und Auswirkungen auf die Praxis

Der BGH harmonisiert mit seiner Leitsatzentscheidung die unbestimmten Rechtsbegriffe der wirtschaftlich gesellschaftergleichen Stellung i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO mit den bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben und trägt gleichzeitig dem regelmäßig erhöhten Kreditsicherungsinteresse der institutionalisierten Darlehensgeber in Sanierungsfällen Rechnung. Gleichzeitig schafft der BGH mit dem Dreifachtatbestand und einer abschließenden Gesamtwürdigung einen hinreichend gesicherten Rechtsrahmen für die Kautelarpraxis, um im Besonderen auch den bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen, konkret der mit dem Rundschreiben 09/2017 (BA) - Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), dort insbesondere BTO 1.2.5 (Behandlung von Problemkrediten), genügen zu können. Im Ergebnis dürfte Kreditinstituten realistisch nicht mehr das Risiko drohen, dass ihre Forderungen im Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eingeordnet werden, sofern sie über vertragliche Vorgaben primär ihr Kreditsicherungsinteresse sowie die Einhaltung bankaufsichtsrechtlicher Vorgaben in Sanierungsfällen verfolgen.

Der hier streitentscheidenden Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO kommt überdies bei gegen Banken gerichteten Insolvenzanfechtungsanfechtungsklagen erhebliche Bedeutung zu. Sollten bei einer anfechtbaren Kreditrückführung Gesellschaftersicherheiten frei werden, dürfte nicht nur eine Streitverkündung aus eigenem Recht wegen eines möglichen Wiederauflebens dieser Sicherheiten geboten sein. Vielmehr erscheint daneben aus eigenem und aus übergehendem Recht des Insolvenzverwalters eine Streitverkündung gem. § 426 Abs. 1 BGB sowie aus § 426 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO als Vorgehen nicht selten angezeigt.

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