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Brexit – Konsequenzen für Arzneimittel und Medizinprodukte

21.01.2021

Ausgangssituation: Verabschiedetes Brexit-Abkommen

Durch den Austritt aus der Europäischen Union („EU“) wird das Vereinigte Königreich nunmehr zu einem Drittstaat. Hieran ändert dem Grunde nach auch der zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ausgehandelte Partnerschaftsvertrag (das „Brexit-Abkommen“) nichts. Das im Brexit-Abkommen enthaltene Nordirland-Protokoll führt aber dazu, dass spezifische europarechtliche Vorschriften für das Gebiet Nordirland weiterhin anwendbar bleiben – Nordirland somit im Hinblick auf diese europarechtlichen Vorschriften weiterhin als EU-Gebiet anzusehen ist. Dies würde insbesondere auch für gesundheitsrechtliche Vorschriften gelten.

Das Brexit-Abkommen trat am 1. Januar 2021 vorläufig in Kraft und ist vom Europäischen Parlament noch abzusegnen. Was Hersteller, Importeure und Händler von Arzneimitteln und Medizinprodukten im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich jetzt wissen sollten, fasst dieser Beitrag in einem Überblick zusammen.

Konsequenzen für Arzneimittel und Medizinprodukte

Arzneimittel

 

Zentrale Arzneimittelzulassungen gelten ausschließlich für das Gebiet der Europäischen Union. Da das Vereinigte Königreich dem Gebiet der EU nicht mehr angehört, gelten zentrale Arzneimittelzulassungen nicht mehr für das britische Gebiet (mit Ausnahme von Nordirland, wenn das Abkommen hierzu endgültig in Kraft tritt). Für den Vertrieb im Vereinigten Königreich bedürfen Arzneimittel mit zentraler Zulassung daher nunmehr einer (zusätzlichen) nationalen Zulassung für das Vereinigte Königreich.

Der Vertrieb von Arzneimitteln aus dem Vereinigte Königreich in die EU stellt von nun an einen Import dar. Der Import von Arzneimitteln setzt voraus, dass importierende Händler ihren Sitz in der EU haben und in Besitz einer Importerlaubnis nach § 72 Abs. 1 AMG sind.

Importierte Funktionshumanarzneimittel benötigen außerdem nunmehr ein Zertifikat nach § 72a Abs. 1 AMG, das bescheinigt, dass in dem Vereinigten Königreich geltende Qualitätsstandards bei der Herstellung eingehalten worden sind. Weiterhin ist ein vertragliches Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich als Drittstaat und der EU erforderlich, aufgrund dessen die Gleichwertigkeit der Qualitätsstandards in Bezug auf die Herstellung der betreffenden Produkte anerkannt wird (sogenanntes Mutual Recognition Agreement – MRA). Ein solches MRA ist im Brexit-Abkommen enthalten.

Für weiterführende Informationen siehe außerdem unsere Newsbeitrag-Reihe zu den Folgen des Brexits für die Pharma-Industrie:

Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (IVD)

 

Medizinprodukte und IVD sind in der EU ähnlich wie Arzneimittel besonders reguliert. Das Inverkehrbringen erfordert vor allem die CE-Kennzeichnung, der die Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens vorausgeht. Mit dem Konformitätsbewertungsverfahren und der entsprechenden EU-Konformitätserklärung erbringt der Hersteller zusammengefasst u.a. den Nachweis, dass das Medizinprodukt oder IVD die grundlegenden Anforderungen und die Sicherheit und Leistungsfähigkeit erfüllt.

Die für die EU erforderliche CE-Kennzeichnung wird – nach Ablauf einer Übergangsphase bis zum 30. Juni 2023 – von Großbritannien (England, Schottland und Wales) nicht mehr anerkannt. Das bedeutet, für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten in Großbritannien werden zukünftig ein besonderes Konformitätsbewertungsverfahren nach britischem Recht sowie eine zusätzliche Kennzeichnung erforderlich sein. Darüber hinaus besteht eine Registrierungspflicht bei der britischen Behörde Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA). Zertifikate, die im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens von in der EU anerkannten Benannten Stellen ausgestellt wurden, sind ebenfalls noch bis zum 30. Juni 2023 in Großbritannien für den britischen Markt gültig. Außerdem müssen Hersteller aus der EU nunmehr eine bevollmächtigte Person benennen (UK Responsible Person), die die Verantwortung für das Medizinprodukt in Großbritannien übernimmt.

Mit Blick auf Nordirland hingegen bleibt es – im Falle der endgültigen Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Brexit-Abkommen einschließlich dem Nordirland-Protokoll – bei dem Erfordernis der CE-Kennzeichnung und der Anwendung der EU-Vorschriften für Medizinprodukte und IVD. Wenn bei dem Konformitätsbewertungsverfahren eine britische Benannte Stelle mitgewirkt hat, ist eine besondere Kennzeichnung erforderlich. Bestimmte Medizinprodukte und IVD sind darüber hinaus bei der MHRA zu registrieren.

Ausblick

Insbesondere Medizinproduktehersteller stehen vor großen Herausforderungen. Sie müssen in naher Zukunft nicht nur die Umstellung auf die MDR und IVDR (Verordnung (EU) 2017/745 und Verordnung (EU) 2017/746) sicherstellen, die am 26. Mai 2021 bzw. am 26. Mai 2022 gültig werden. Zusätzlich müssen sie auch die Umsetzung der britischen Regelungen rechtzeitig auf den Weg bringen, wenn sie auf dem britischen Markt weiterhin aktiv sein wollen.

Im Übrigen bleibt vor allem im Hinblick auf den Status von Nordirland noch abzuwarten, ob das Europäische Parlament dem Brexit-Abkommen einschließlich des Nordirland-Protokolls zustimmt. Die Beratungen der einzelnen Ausschüsse haben hierzu am Montag, 11. Januar 2021, begonnen. Wie lange dies in Anspruch nehmen wird, bleibt abzuwarten.

 

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