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Bundestag beschließt Gesetz zur Korruption im Gesund­heits­wesen

15.04.2016

Der Deutsche Bundestag hat am 14.04.2016 das langerwartete und vieldiskutierte Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen beschlossen.

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Update vom 17.05.2016: Der Bundesrat hat am 13.05.2016 beschlossen, zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Das Gesetz wird also in seiner jetzigen Form in Kraft treten.

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Kernstück des nun beschlossene Gesetzes sind die beiden neuen Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a und 299b StGB). Sie erfassen Verhaltensweisen, bei denen Vorteile dafür gewährt werden, dass ein Angehöriger eines Heilberufs bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, beim Bezug bestimmter Arznei- oder Hilfsmittel oder Medizinprodukte oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen Anbieter dieser Leistungen im Wettbewerb unlauter bevorzugt. Die Straftatbestände erfassen alle Heilberufe, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Anders als in einem der frühen Vorentwürfe noch vorgesehen war, ist die Strafbarkeit also nicht auf Angehörige akademischer Heilberufe beschränkt, sodass sich neben Ärzten, Zahnärzten Apothekern oder psychologischen Psychotherapeuten auch Krankenpfleger, Hebammen oder Logopäden strafbar machen können. Spiegelbildlich macht sich jeder strafbar, der diesen Personen als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb beim Bezug von Arzneimitteln oder der Zuführung von Patienten einen Vorteil anbietet. Die Straftatbestände unterscheiden nicht zwischen der privatärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung.

Mit der Neuregelung sollen strafrechtlich vor allem Aktivitäten des „Pharmamarketings“, so bspw. unzulässige Entgelte für die Verschreibung von Arzneimitteln in Form von Rabatten oder Kick-Backs, erfasst werden. Aber auch „Zuweisungsprämien“, die niedergelassene Ärzte von anderen Ärzten, Kliniken, Laboren oder Sanitätshäusern für die Zuführung von Patienten erhalten, sind in der Begründung des Entwurfs ausdrücklich genannt.

Diesem Gesetz geht eine lange Gesetzgebungsgeschichte voraus. Anlass war ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2012. Der Große Senat für Strafsachen hatte in seinem damaligen Beschluss die Amtsträgereigenschaft von niedergelassenen (Vertrags-) Ärzten verneint und zudem festgestellt, dass niedergelassene Ärzte auch keine „Beauftragten“ i.S.d. § 299 StGB sind. Unzulässige Zuwendungen an niedergelassene Ärzte zur Beeinflussung des ärztlichen Verhaltens konnten infolgedessen korruptionsrechtlich weder als Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) noch als Amtsträgerbestechung (§§ 331 ff. StGB) erfasst werden. Die hierdurch eintretende strafrechtliche Bevorzugung von freiberuflichen Ärzten gegenüber Klinikärzten wurde gemeinhin als ungerechtfertigt empfunden.

Die ursprünglichen Entwürfe gingen über die nun beschlossene Fassung in vielen Punkten hinaus. So war lange als strafwürdige Gegenleistung für den Vorteil nicht nur die unlautere Bevorzugung bei der Verordnung oder Abgabe von Arzneimitteln oder Medizinprodukten bzw. bei der Zuführung von Patienten erfasst, sondern auch die Verletzung einer berufsrechtlichen Pflicht. Diese Strafbarkeit korrespondiert mit der Neuerung, wie sie mit dem sog. Geschäftsherrenmodell im November letzten Jahres in den allgemeinen Tatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB Einzug gehalten hat: Dieser lässt für eine Strafbarkeit neben einer unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb nun auch eine Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen, für das man handelt, genügen lässt. Gleichwohl wurde das Merkmal der Berufspflichtverletzung für die Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens aufgeweicht und zuletzt völlig aufgegeben. Das ist sinnvoll. So wäre ein genereller Verweis auf berufsrechtliche Pflichten deshalb problematisch, weil diese durch die jeweiligen Landesärzte- oder –apothekerkammern festgelegt werden und daher bundesweit nicht einheitlich, zudem auch häufig recht unbestimmt sind.

Die im Vorentwurf noch geltende Differenzierung zwischen der Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln (Ärzte) auf der einen Seite sowie dem Bezug von Arzneimitteln (Apotheker) auf der anderen Seite, wurde damit hinfällig. Diese Differenzierung war im Vorentwurf, in dem nur beim Bezug von Arzneimitteln allein auf den Wettbewerbsverstoß abgestellt wurde, gegenüber der davor gültigen Entwurfsfassung auf Druck der Apothekerverbände eingefügt worden, weil beim Bezug von Arzneimitteln, also auf der Einkaufsseite, die kaufmännische und nicht die gesundheitsberatende Rolle von Apothekern im Vordergrund steht. Hier wäre die Pönalisierung der Verletzung einer berufsrechtlichen Pflicht unangebracht. Dies ist sie aber generell, da berufsrechtliche Pflichten vielschichtig sind und deren Aufnahme in den Tatbestand der §§ 299a, 299b StGB-E den jeweiligen berufsständischen Kammern als Satzungsgeber indirekt strafrechtliche Rechtssetzungskompetenz verliehen hätte. Insofern ist die nun beschlossene Einschränkung zu begrüßen.

Bemerkenswert am nun beschlossenen Gesetzentwurf ist ferner, dass nunmehr offenbar auch das Strafantragserfordernis des § 301 StGB für die Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen weggefallen ist. Dies betrifft allerdings nur den nun eingeführten Straftatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen, nicht den der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im allgemeinen geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB. Die Gesetzesvorlage ist etwas undeutlich, wenn die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses bei § 301 StGB von „entfällt“ spricht (vgl. BT-Drucks. 18/8106 S. 7-8), die Begründung aber ausführt: „Die neuen Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen sollen nicht wie § 299 StGB als bedingte Antragsdelikte, sondern als Offizialdelikte ausgestaltet werden und damit stets von Amts wegen zu verfolgen sein.“ (BT-Drucks. 18/8106 S. 17). Tatsächlich soll also wohl bei der „allgemeinen“ Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr am Strafantragserfordernis festgehalten werden. Hierdurch wäre aber ein Wertungsgefälle begründet: Der bestochene Arzt einer Klinik, die Prothesen unmittelbar bei Patienten verwendet, könnte ohne Strafantrag verfolgt werden, der bestochene (kaufmännische) Einkaufsleiter nur auf Antrag oder bei einem besonderen öffentlichen Interesse, was von einer Staatsanwaltschaft vermutlich ohnehin regelmäßig bejaht werden dürfte.

Die Praxisauswirkungen des nun beschlossenen Gesetzes können kaum überschätzt werden. So sind lange eingeübte Praktiken des „Sponsoring“ niedergelassener Ärzte, sei es in Form von vergüteter Teilnahme an klinischen Studien, in Form von Beraterverträgen oder vergüteter Referententätigkeit ebenso wie Zuweisungsprämien von Kliniken oder anderen Ärzten künftig rechtswidrig oder bedürfen zumindest einer kritischen Überprüfung. Dies gilt auch für Rabatte beim Bezug von Arzneimitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, also etwa Zahnimplantate oder Prothesen.

Auch ist davon auszugehen, dass die Verfolgungsintensität im Hinblick auf Praktiken, die bislang bereits strafbar waren, durch das Inkrafttreten des neuen Gesetzes enorm zunehmen wird. So haben einige Bundesländer, darunter Bayern, bereits angekündigt Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung korruptiver Praktiken im Gesundheitswesen einzurichten.

 

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