Mit dem sogenannten Green New Deal verfolgt die Europäische Kommission das Ziel, bis zum Jahr 2050 eine klimaneutrale, nachhaltige Wirtschaft in der EU zu etablieren. Die Diskussion dazu hat auch das Kartellrecht erreicht und dreht sich dabei im Wesentlichen um zwei Kernthemen.
Kartellverbot
Offen ist, inwieweit Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die beispielsweise dem Umweltschutz oder der CO2-Reduzierung dienen, mit dem Kartellverbot in Einklang zu bringen sind. Denn auch Vereinbarungen darüber, gemeinnützige Ziele umzusetzen, können den Wettbewerb beeinträchtigen.
Möchten zum Beispiel Unternehmen brancheneinheitlich vereinbaren, dass nur noch eine festgelegte Menge an CO2 für die Produktion einer Produkteinheit verursacht werden darf, besteht das Risiko, dass diese Vereinbarung gegen das Kartellverbot verstößt. Ähnlich problematisch kann die Etablierung eines Kreislaufwirtschaftssystems sein, das ebenfalls branchenweite Vereinbarungen erfordert. Darüber hinaus zielen auch immer mehr Forschungs- und Entwicklungskooperationen darauf ab, Produkte klimafreundlicher zu gestalten. Auch diesbezüglich sind die üblichen kartellrechtlichen Vorgaben zu beachten.
Keinesfalls neu ist dabei die zugrundeliegende Frage, welche Rolle Gemeinwohlziele (wie bspw. Nachhaltigkeit) im Rahmen des Kartellverbotstatbestands einnehmen. Die Europäische Kommission hat in ihren Horizontalleitlinien bereits Voraussetzungen definiert, wann Kooperationen zur Umsetzung von technischen Normen oder Gütezeichen, die Gemeinwohlaspekten dienen, von der Anwendung des Kartellverbots ausgenommen sein sollen. Nicht ausdrücklich festgelegt ist zwar, dass eine nachhaltige Produktion von Waren ein anerkannter Gemeinwohlaspekt ist, jedoch ist eine dahingehende Wertung durchaus möglich. Zudem steht zu erwarten, dass in einer Neufassung der Horizontalleitlinien eine entsprechende Klarstellungen enthalten sein wird.
Kurzum: Vor dem Hintergrund der Diskussion auf politischer Ebene können (und wollen) sich Kartellbehörden in der Fallbearbeitung gegenüber entsprechenden Argumenten wohl nicht mehr verschließen, was zu Erleichterungen bei Kooperationen zwischen Wettbewerbern unter Nachhaltigkeitsaspekten führen könnte.
Fusionskontrolle
Auch der Umgang mit Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen der Fusionskontrolle ist noch nicht abschließend geklärt.
Kann bei der Zusammenschlusskontrolle (künftig) von den Unternehmen mit ökologischen Argumenten argumentiert und die Wettbewerbsbehörde zur Freigabe überzeugt werden, auch wenn das Vorhaben unter wettbewerblichen Gesichtspunkten kritisch gesehen wird? Oder können Zusammenschlüsse gar mit der Begründung untersagt werden, dass von dem entstehenden Unternehmen klimaschädliche Auswirkungen erwartet werden?
Insofern bleibt abzuwarten, inwieweit dahingehende Argumente künftig Eingang in Entscheidungen finden. Klar dürfte aber sein, dass diese auch im Rahmen der Fusionskontrolle an Bedeutung gewinnen.
Die Wettbewerbsbehörden mehrerer europäischer Länder haben die hier erwähnten Fragen bereits in Veröffentlichungen problematisiert und das Thema damit eigenständig auf ihre Agenda gesetzt (etwa Deutschland, Frankreich, Griechenland und Niederlande). Nicht auszuschließen ist daher, dass Unternehmen künftig mit Wettbewerbsbehörden auch darüber diskutieren, was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Die Fallpraxis der kommenden Jahre kann mit Spannung erwartet werden. Eindeutige Bewertungsmaßstäbe werden sich wohl erst durch die Zunahme entsprechender Fälle entwickeln. Die Möglichkeit Gemeinwohlziele zu berücksichtigen, steht Wettbewerbsbehörden jedenfalls auch heute schon offen.
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Markus Brösamle Dr. Lucas Gasser