News

Das Corona-Paket für die Investitionskontrolle

25.05.2020

Wie bereits berichtet, verschärft die Bundesregierung derzeit das Investitionskontrollrecht, und zwar planmäßig und außerplanmäßig (siehe unsere News vom 24.04.2020). Nun liegen diejenigen Änderungen im Entwurf vor, die eine unmittelbare Reaktion auf die Covid-19-Pandemie sind.

Zu diesem Zweck hat das Kabinett nach entsprechender Vorlage aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) am 20.05.2020 die Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung („15. ÄndVO“) verabschiedet.

Der regulatorische Kern dieser 15. ÄndVO liegt in der Erweiterung derjenigen Fallgruppen, die gem. § 55 Abs. 1 S. 2 AWV zur kritischen Infrastruktur zählen. Denn damit geht in Bezug auf den Erwerb zugehöriger Unternehmen durch Nicht-EU-Investoren eine Meldepflicht und eine Absenkung des maßgeblichen Schwellenwerts von 25 % auf 10 % einher. Für die betroffenen Unternehmen wird die Meldepflicht in Zukunft erhebliche Auswirkungen auf Transaktionssicherheit und -timing haben, da ein strafbewehrtes Vollzugsverbot für meldepflichtige Transaktionen vorgesehen ist.

Welche Zielgesellschaften im Gesundheitssektor wären vor allem betroffen?

Im Einzelnen führt das Änderungsvorhaben Fallgruppen für den Erwerb solcher Unternehmen ein, die

  • näher bestimmte persönliche Schutzausrüstung entwickeln oder herstellen,
  • wesentliche Arzneimittel einschließlich deren Ausgangs- und Wirkstoffe entwickeln, herstellen, in Verkehr bringen oder Inhaber einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Zulassung sind,
  • zur Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten bestimmte Medizinprodukte entwickeln, herstellen oder vertreiben,
  • näher bestimmte In-vitro-Diagnostika im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten liefern, entwickeln, herstellen oder vertreiben.

Diese Maßnahme leistete, so heißt es in der Verordnungsbegründung, „auch mit Blick auf künftige vergleichbare Krisensituationen […] einen Beitrag zur dauerhaften Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems“.

Was soll der Entwurf noch verändern?

Daneben finden sich in dem Entwurf zur 15. ÄndVO auch Maßnahmen, die nicht durch die Covid-19-Pandemie bedingt sind. Dazu gehört die Aufnahme einer zusätzlichen Fallgruppe, die ebenfalls eine Meldepflicht und eine Absenkung des Schwellenwert auf 10 % nach sich zieht, nämlich für Unternehmen, die bestimmte Dienstleistungen im Bereich der staatlichen Kommunikationsinfrastruktur erbringen.

Außerdem betont die 15. ÄndVO, dass der Erwerb eines abgrenzbaren Betriebsteils oder aller wesentlichen Betriebsmittel (sog. Asset Deal) als „Erwerb“ im Sinne der §§ 55 ff. AWV anzusehen ist. Der Asset Deal wurde freilich nach ganz überwiegender Auffassung auch bisher schon dem ausdrücklich erfassten Anteilserwerb gleichgestellt und damit der Investitionskontrolle unterworfen. Ähnlich dürfte es sich mit investorspezifischen Kriterien verhalten, die bislang zwar nicht explizit in der AWV genannt wurden, vom BMWi jedoch fallbezogen mitgeprüft worden sind. Hierzu gehören die fremdstaatliche Kontrolle des Investors, vergangene Aktivitäten mit nachteiligen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung Deutschlands oder anderer EU-Mitgliedsstaaten sowie das bestehende Risiko, dass der Erwerber an bestimmten Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten beteiligt war bzw. ist. Als Investor gilt hierbei nicht nur der direkte Erwerber, bei dem es sich häufig um ein Akquisitionsvehikel handeln wird.

Welche Unterschiede bestehen zwischen dem Referentenentwurf der 15. ÄndVO und vom Kabinett verabschiedeten Fassung?

Die vom Kabinett verabschiedeten Fassung der 15. ÄndVO enthält drei wesentliche Änderungen im Vergleich zu dem Referentenentwurf: 

  • Erstens werden Firmen, die Komponenten liefern oder Vorprodukte herstellen für bestimmte persönliche Schutzausrüstungen, für bestimmte Medizinprodukte und für bestimmte In-vitro-Diagnostika, nicht mehr als Betreiber sensibler Infrastrukuren erfasst. Die Zulieferer in den drei genannten Fallgruppen sind damit gänzlich aus dem Anwendungsbereich der 15. ÄndVO herausgefallen.
  • Zweitens werden für keine der neu eingefügten Fallgruppen die Hersteller von Herstellungsanlagen und Technologien zur Herstellung der genannten Produkte mehr erfasst.
  • Drittens wurde der Anwendungsbereich durch die Herausnahme von Unternehmen begrenzt, die bestimmte Rohstoffe oder deren Erze gewinnen oder weiterverarbeiten. 

Was sind die wesentlichen Auswirkungen auf die M&A bzw Private Equity Transaktionspraxis?

Die Einführung weiterer Notifizierungspflichten verstärkt, was ohnehin gilt: Bereits frühzeitig muss geklärt werden, ob eine Transaktion von den Pflichten betroffen ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zu erwartenden Einführung eines strafrechtlich bewehrten Vollzugsverbots noch vor dem Sommer. Aber auch bislang müssen die Risiken eines Einschreitens des BMWi in Form von Auflagen oder - im sehr seltenen und schlimmsten Falle - einer Rückabwicklung sorgfältig bewertet und ggf. berücksichtigt werden. Derzeit ist insbesondere bei Zielgesellschaften im Gesundheitssektor mit einer erhöhten Aufmerksamkeit auch bei der Durchführung von Prüfungen zu rechnen, was sich auf die Dauer der Verfahren auswirken kann und vertraglich etwa bei der Vereinbarung eines long stop dates berücksichtigt werden sollte. Wie bisher kann auch weiterhin beim BMWi in Fällen, die nicht der Notifizierungspflicht unterliegen, bereits im Vorfeld des Erwerbs eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auf vertraulicher Basis beantragt werden.

Wie geht es weiter?

Bei der 15. ÄndVO handelt es sich nur um einen ersten, angesichts der aktuellen Pandemie als besonders dringlich empfundenen Schritt. Schließlich steht die geplante Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes – auf dem die AWV beruht – noch aus (siehe unsere News vom 31.01.2020 und unsere News vom 24.04.2020); derzeit befindet sich der entsprechende Entwurf im parlamentarischen Verfahren. Erst eine Sechzehnte Verordnung zur Änderung der AWV („16. ÄndVO“) dürfte die mit der Änderung des Außenwirtschaftsrechts verfolgten Zwecke final verwirklichen.

Die 16. ÄndVO wird noch einigen Sprengstoff bereithalten, denn diese wird einerseits notwendige Umsetzungen zur EU-Screening-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/452) beinhalten und damit voraussichtlich auch die Verfahrensdauer nochmals verändern. Andererseits enthält sie voraussichtlich die Einführung weiterer Meldepflichten und die Absenkung von Schwellenwerten, die unseres Erachtens die EU-Screening-Verordnung ihrerseits nicht zwingend erfordert. Entsprechend umstritten sind diese geplanten Maßnahmen bereits heute.

Die über die 15. ÄndVO hinausgehende Reform des Außenwirtschaftsgesetzes verleiht der oben erwähnten Erweiterung der Meldepflicht zudem eine noch größere Bedeutung – denn zum einen werden dem Vollzug dienende Rechtsgeschäfte bei Meldepflicht dann schwebend unwirksam sein, zum anderen sollen ahndungsbewehrte Verbote zwecks Effektivierung des Investitionskontrollrechts hinzutreten.

Wir halten Sie auf dem Laufenden!