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Das richtige Maß ist entscheidend

04.02.2021

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts („LAG“) Düsseldorf vom 03.06.2020, Az. 12 SaGa 4/20 nimmt zur Einordnung von privaten Aufzeichnungen als Geschäftsgeheimnisse und zu den Anforderungen an deren Schutz durch angemessene Maßnahmen gemäß § 2 Nr. 1 lit. b des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen („GeschGehG“) Stellung.

Änderung der bisherigen Rechtslage und neue Anforderungen an den Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Know-how und Informationen sind neben den klassischen geistigen Eigentumsrechten ein zentrales Asset im Unternehmen. Für Informationen, die anderweitig nicht geschützt werden können oder deren Geheimhaltung so wichtig ist, dass womöglich aus strategischen Gründen eine Anmeldung etwa als Patent ausscheidet, ist der faktische Schutz vor Offenlegung integrale Voraussetzung für die Geheimhaltung. Der effektive Schutz von solchen Geschäftsgeheimnissen ist ein bestimmender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und den Markterfolg eines Unternehmens und spielt daher branchenübergreifend eine wichtige Rolle, um den Abfluss von Wissen sowie die Offenlegung durch unlautere Praktiken zu verhindern.

Der zivilrechtliche Geheimnisschutz richtet sich seit dem 26.04.2019 nicht mehr nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“) sondern wurde im GeschGehG neu geregelt. Ob eine Information als Geschäftsgeheimnis geschützt ist, richtet sich jetzt nach § 2 Nr. 1 GeschGehG, der als zentrale Schutzvoraussetzung und in Abänderung des bisherigen Rechts „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ fordert. Dieser auslegungsbedürftige Rechtsbegriff stellt Unternehmen vor die Herausforderung, ein „angemessenes“ Schutzniveau etablieren und durchsetzen zu müssen, damit ihre Geschäftsgeheimnisse weiterhin gesetzlich geschützt sind, ohne aber einen klaren Leitfaden zu haben, welche Anforderungen an die Angemessenheit zu stellen sind.

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf

Mit Urteil vom 03.06.2020, 12 SaGa 4/20 hat das LAG Düsseldorf in einem einstweiligen Verfügungsverfahren über den Schutz von Kundendaten und privaten Aufzeichnungen eines Arbeitnehmers als Geschäftsgeheimnisse nach dem GeschGehG entschieden.

Der dem Urteil zugrundeliegende Fall ist kein untypischer: Der Beklagte ist ein ehemaliger Arbeitnehmer des Klägers, der zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt hat. Dort soll er nach Ansicht des Klägers – seinem ehemaligen Arbeitgeber – auf dessen Kundendaten, welche der Arbeitnehmer im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit erlangt hat, zurückgegriffen haben, um zielgerichtet Kunden des Klägers zu Abwerbungszwecken anzuschreiben. Bei den streitgegenständlichen Unterlagen und Daten handelt es sich unter anderem um private Aufzeichnungen des Beklagten über Kundenbesuche und Kundendaten, sowie ihm vom Kläger im Rahmen des Arbeitsverhältnisses überlassene Kundenlisten mit Kundendaten und Absatzmengen.

Das Gericht bestätigt die Rechtsprechung zur alten Rechtslage dahingehend, dass „jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll“ ein Geschäftsgeheimnis ist (BGH, Urteil vom 27.04.2006 – Az. I ZR 126/03). Dabei besteht auch insoweit Einklang mit der alten Rechtslage, dass das Geschäftsgeheimnis per se keinen bestimmten Vermögenswert haben muss. Es genügt, dass sich das Bekanntwerden der Informationen nachteilig auswirken kann. Das Gericht stellt nochmals klar, dass es für die Einordnung als Geschäftsgeheimnis keine Rolle spielt, ob die Aufzeichnungen auf einem Datenträger des Unternehmens oder auf einem privaten Datenträger, wie beispielsweise einem privat geführten Kalender, vorgenommen wurden, denn das Eigentum am Datenträger sagt als solches nichts über die Inhaberschaft am Geschäftsgeheimnis. Das Gericht geht daher ohne weiteres davon aus, dass die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 lit. a und c GeschGehG für die Kundendaten erfüllt sind und es sich bei diesen um Geschäftsgeheimnisse handelt.

Deutlich problematischer sieht das Gericht jedoch die Frage, ob im Streitfall angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen i.S.d. § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG getroffen wurden.

Zunächst bemängelt das Gericht die im Arbeitsvertrag geregelte Geheimhaltungspflicht als zu weitreichend und inhaltsleer. Es fehle jeder Bezug zum Begriff des Geschäftsgeheimnisses. Zudem erfasse die Regelung ausdrücklich auch das, was nicht Geschäftsgeheimnis sei und beziehe sich überdies schlicht auf alle Angelegenheiten und Vorgänge, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt würden.

Bei der Beurteilung, ob angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen wurden, geht das Gericht sodann von einem objektiven Maßstab aus und betont, dass kein optimaler Schutz erforderlich ist. Die Angemessenheit der ergriffenen Maßnahmen prüft das Gericht anhand der konkreten Umstände des Falls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung und nennt exemplarisch die folgenden zu berücksichtigenden Aspekte:

  • Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten,
  • Natur der Information und Bedeutung für das Unternehmen,
  • Größe des Unternehmens,
  • die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen,
  • die Art der Kennzeichnung der Informationen sowie
  • vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern.

Das Gericht stellt klar, dass es nicht genügt, darauf zu vertrauen, dass geheime Informationen nicht entdeckt werden. Ist dem Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses bewusst, dass eine andere Partei noch Dokumente besitzt, welche Geschäftsgeheimnisse enthalten, die trotz entsprechender Pflichten noch nicht zurückgegeben wurden, muss er tätig werden und versuchen, diese zurückzuerlangen. Unternimmt er hingegen, wie hier, ein halbes Jahr lang nichts, liegt jedenfalls kein aktiver Schutz mehr vor. Dieses Verhalten spricht damit gegen die Angemessenheit der Schutzmaßnahme. Nur soweit der ehemalige Arbeitnehmer private Unterlagen behalten und genutzt hat, von denen der Arbeitgeber keine Kenntnis hatte, erfüllt das nach Auffassung des Gerichts den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG, sodass dem Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch aus § 6 GeschGehG i.V.m. §§ 2, 4 GeschGehG zusteht. Im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen.

Einordnung des Urteils und Empfehlungen für die Praxis

Das Urteil reiht sich in die bisherige Entscheidungspraxis ein und schließt sich den strengen Maßstäben des LAG Köln in dessen Urteil vom 02.12.2019 in der Sache SaGa 20/19 an, in der sich das Kölner Gericht für ein dezidiertes Geheimnisschutz-Management ausgesprochen und „Catch-All“-Klauseln eine klare Absage erteilt hat.

Allgemein gilt, dass für die Frage der Angemessenheit von Geheimnisschutzmaßnahmen von größeren Unternehmen mit mehr Markterfahrung grundsätzlich mehr erwartet wird als von kleinen Unternehmen. Dennoch dürfen auch kleinere Unternehmen das Thema nicht ignorieren, sondern sollten ein angemessenes Geheimnisschutz-Management etablieren. Es ist nach der Rechtsprechung ausdrücklich nicht erforderlich, einen „bestmöglichen“ Geheimnisschutz zu haben. Gleichwohl sind „best practices“ und Branchengepflogenheiten mit Vorsicht zu genießen und geben allenfalls eine Orientierung, welche Geheimnisschutzmaßnahmen angemessen sein können. Die Angemessenheit des Geheimnisschutzes ist jedoch stets eine Frage des Einzelfalls.

Festzuhalten ist auch, dass vertragliche Regelungen zum Geheimnisschutz ein wichtiger, jedoch nicht der einzige Baustein eines Geheimnisschutzkonzepts sind. Wer den Dingen trotz vertraglicher Regelung passiv seinen Lauf lässt, läuft Gefahr, dass der Geschäftsgeheimnisschutz buchstäblich verloren geht. Bei der Gestaltung von Geheimnisschutzvereinbarungen ist überdies Vorsicht geboten. Auch wenn gerade allumfassende Klauseln den Willen des Unternehmens deutlich machen, dass dieses jeglichen Abfluss von Informationen vermeiden möchte, zeigt die Entscheidungspraxis der Gerichte, dass erkennbar sein muss, welche Informationen oder Informationskategorien dem Geheimnisschutz unterfallen. Der Balanceakt zwischen zu weit gefassten – und damit unwirksamen – Klauseln und zu engen Definitionen der geheimhaltungsbedürftigen Informationen kann etwa mit einer beispielhaften Aufzählung von Unterlagen und Informationen gelingen. Hier ist das richtige Maß entscheidend.

Der Verstoß gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung hat durch die neue Regelung in § 4 Abs. 2 GeschGehG nun jedenfalls nicht mehr nur vertraglich festgelegte Rechtsfolgen, sondern verstößt gleichzeitig gegen das Gesetz und bietet damit umfassenderen Schutz.

Neben vertraglichen Geheimhaltungsregelungen mit Arbeitnehmern, Kunden und Geschäftspartnern ist der faktische Schutz durch Zugangs- und Zugriffsbeschränkungen nicht zu vernachlässigen. Dazu gehört es auch, Informationen nach dem „Need-to-Know“-Prinzip nur denjenigen Personen zugänglich zu machen, die damit unmittelbar befasst sind. Darüber hinaus ist es erforderlich, im Unternehmen eine systematische Einordnung der Informationen nach ihrer Wichtigkeit vorzunehmen und entsprechend durch technische Schutzmaßnahmen und Zugangskontrollen zu schützen.

Zu guter Letzt sollten Unternehmen auf eine kontinuierliche Aktualisierung ihres Geheimnisschutz-Managements achten. Informationen, die vor einiger Zeit geschützt werden mussten, bedürfen nun vielleicht keines Schutzes mehr oder sind weniger relevant geworden. Dafür können neue Informationen hinzugekommen sein, die noch nicht angemessen geschützt sind. Es ist also kritisch zu prüfen, ob die faktischen und vertraglichen Maßnahmen auf dem aktuellen Stand sind. Wie das Urteil des LAG Düsseldorf nochmals deutlich gemacht hat, ist eine aktive Überwachung des Geheimnisschutz-Managements erforderlich, damit der Schutz nicht verloren geht. Soweit Anhaltspunkte für einen Abfluss von geschützten Informationen vorliegen oder darüber sogar positive Kenntnis besteht, ist unverzügliches Tätigwerden angezeigt.

Gewerblicher Rechtsschutz

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