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Die Antwort der Europäischen Kommission auf die Corona-Pandemie gemäß EU-Beihilferecht

16.03.2020

Die Kommission hatte bereits frühzeitig Maßnahmen zur Abfederung der ökonomischen Folgen der Corona-Krise angekündigt (vgl. den Noerr-Artikel hier). Hinsichtlich der Frage, inwieweit diese Maßnahmen den EU-Beihilferegeln entsprechen müssen, hat die Kommission hierzu nunmehr den ersten Fall entschieden und  eine dänische Beihilferegelung genehmigt. Einen weiteren temporären Prüfrahmen zur koordinierten Reaktion zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus wird sehr bald erwartet. Beide Punkte werden nachstehend näher beleuchtet.

Die Kommission verfolgt den Ansatz, bei der Reaktion auf die aktuellen wirtschaftlichen Bedürfnisse pragmatische Lösungen gemäß der EU-Beihilferegeln zu finden – oder in den Worten der Wettbewerbskommissarin und Geschäftsführende Vizepräsidentin Margrethe Vestager (in englisch): „Unser Ziel hierbei ist, zu gewährleisten, dass die Unternehmen über die Liquidität verfügen, die sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs benötigen und sicherzustellen, dass die Unterstützungsmaßnahmen den Unternehmen zugutekommen, die diese benötigen.“ Von der Kommission wird erwartet, dass sie schnell handeln wird.

Die Kommission stuft den Corona-Virus beihilferechtlich als „außergewöhnliches Ereignis“ ein und genehmigt die dänische Beihilferegelung

Am 12. März 2020 kündigte die Kommission ihre erste Corona-Virus-spezifische Beihilfeentscheidung an, mit der sie ein dänisches 12-Millionen-Euro-Programm zum Ausgleich von Schäden, die durch Absagen großer öffentlicher Veranstaltungen wegen des Ausbruchs des Corona-Virus entstanden sind, genehmigte. Die Kommission überprüfte und genehmigte die dänische Beihilferegelung gemäß der EU-Beihilferegeln innerhalb von nur 24 Stunden und zeigte damit eine sehr hohe Reaktionsfähigkeit sowie die Bereitschaft, effektive Lösungen für die durch die Corona-Pandemie verursachten ökonomischen Hindernisse zu finden. Zu diesem Zweck hat die Kommission eine spezielle Mailbox und Telefonnummer (in englisch) eingerichtet, um die Mitgliedstaaten bei der Notifizierung von staatlichen Beihilfemaßnahmen zu unterstützen. In der anschließenden Pressekonferenz wurde von der Kommission besonders darauf hingewiesen, dass der Support über diese Telefonnummer rund um die Uhr und an allen Wochentagen erreichbar ist.

Rechtlich stützte sich die Kommission auf eine Bestimmung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“), wonach die Kommission staatliche Beihilfen zur Beseitigung von Schäden genehmigen kann, die unmittelbar durch „außergewöhnliche Ereignisse“ entstanden sind (Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV).

Die Kommission hält zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen für Italien zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats für angemessen

Zudem veröffentlichte die Kommission am 13. März 2020 eine Pressemitteilung, in der sie ausführte, dass der Ausbruch in Italien nach Art und Ausmaß so gravierend sei, dass zusätzliche nationale Unterstützungsmaßnahmen genehmigt werden können, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats zu beheben. Dies ist eine zweite Ausnahmeregelung im EU-Beihilferecht (Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV), mit der die Kommission ihre allgemeine Flexibilität bei der Reaktion auf diese Krise beweist.

Die Kommission fasst die staatlichen Beihilfemaßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus zusammen und kündigt weitere Orientierungshilfen an

Des Weiteren zeigte die Kommission einige Bereiche auf, in denen staatliche Beihilfemaßnahmen in naher Zukunft eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden (und in denen schnelle und entschiedene Maßnahmen der Kommission zu erwarten sind). Dies betrifft u. a.:

  • die besonders von der Krise betroffenen Branchen, wie Tourismus, Transport (zum Beispiel Airlines) oder Hotels und Restaurants. Hier wird die Kommission mit den Regierungen zusammenarbeiten, um Regelungen einzuführen, mit denen die von den Unternehmen erlittenen Schäden ausgeglichen werden;
  • Pläne der Mitgliedstaaten, kleinen und mittleren Unternehmen die Liquidität zu verschaffen, die diese benötigen, um auf die Krise zu reagieren zu können;
  • Mitgliedstaaten nutzen Banken als einen Kanal zur Unterstützung der Wirtschaft – einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen – als Kreditgeber.

Von der Kommission wird außerdem bestätigt, dass sie an einem temporären Rahmen zur Bekämpfung der Krise arbeitet. Dieser wird –  wie der während der Finanzkrise von Kommission erlassene vorläufige Rechtsrahmen – dem Zweck dienen, den Mitgliedstaaten (und auch Unternehmen) Orientierungshilfen bereitzustellen, wie Beihilfen ausgestaltet und in Anspruch genommen werden können, um dazu beizutragen, die europäische Wirtschaft zu stabilisieren und dabei zugleich den Binnenmarkt zu schützen.

Wichtigste Schlussfolgerung

Es ist zu erwarten, dass die Kommission die durch den EU-Beihilferahmen zur Verfügung stehende Flexibilität nutzt, um den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, schnelle und effektive Maßnahmen zur Unterstützung der vom Corona-Virus betroffenen Bürger und Unternehmen zu ergreifen. Der sehr bald erwartete temporäre Rahmen wird genauere Orientierungshilfen geben. Die Kommission wird zweifellos schnell handeln.

Die Unternehmen sollten sorgfältig prüfen, ob in ihren jeweiligen  Branchen entsprechend der von den Mitgliedstaaten neu eingeführten Unterstützungsmaßnahmen die Möglichkeit eines Verlustausgleichs besteht. Weiterhin sollten sie prüfen, ob möglicherweise Meldepflichten existieren, um zu vermeiden, dass empfangene Beihilfen zurückgezahlt werden müssen.