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Die neue EU-Dual-Use-Verordnung tritt in Kürze in Kraft

11.06.2021

Was lange währt, wird endlich gut, heißt es in einem Sprichwort. Am 11. Juni 2021 wurde die Verordnung (EU) 2021/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 über eine Unionsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Unterstützung der Durchfuhr und der Verbringung betreffend Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Amtsblatt der Europäischen Union („EU“) veröffentlicht. Am 10. Mai 2021 hatte der Rat nach einem außergewöhnlich langwierigen Gesetzgebungsverfahren endlich die neu gefasste Dual-Use-Verordnung angenommen. Die Annahme war fast fünf Jahre, nachdem die Europäische Kommission („Kommission“) im September 2016 eine deutlich überarbeitete Fassung der Dual-Use-Verordnung von 2009 (Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates) vorgeschlagen hatte, erfolgt. Der Rat und Vertreter des Europäischen Parlaments hatten schließlich im November 2020 eine politische Einigung über die neuen Vorschriften erzielt, und die Dual-Use-Reform war vom Europäischen Parlament im März 2021 schließlich förmlich gebilligt worden.

Aber: Ist tatsächlich etwas Gutes dabei herausgekommen? Die neue Fassung der Dual-Use-Verordnung aktualisiert die EU-Regeln für den Handel mit Gütern mit doppeltem Verwendungszweck in einer Art und Weise, die Unternehmensinteressen und langjährige Bedenken der Wirtschaft berücksichtigt. Doch während sie versucht, die verschiedenen Perspektiven und Interessen auszubalancieren, und obwohl sie lang erwartete Erleichterungen für Unternehmen bietet, wurden möglicherweise durch die Neufassung neue Bereiche mangelnder Rechtssicherheit geschaffen.

A. Ausgleich verschiedener Perspektiven und Interessen

Einerseits dienen die EU-Vorschriften über den Handel mit Gütern mit doppeltem Verwendungszweck den etablierten Zielen der Dual-Use-Ausfuhrkontrollen: der nationalen Sicherheit, der Verhinderung der Verbreitung nuklearer, chemischer und biologischer Waffen und ihrer Trägersysteme sowie dem Frieden, der Sicherheit und der Stabilität. Zu dieser Liste der erklärten Ziele fügt die neue Verordnung einen zusätzlichen - lang erwarteten - Punkt hinzu, nämlich den Schutz der Menschenrechte im Ausland durch Dual-Use-Kontrollen. Auf der anderen Seite betont die Neufassung der Dual-Use-Verordnung die Bedeutung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU-Exporteure und stellt klar, dass es nicht das eine Compliance-Programm gibt, das für alle passt. Stattdessen müssen die Größe und die Organisationsstruktur berücksichtigt werden, was insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen relevant ist..

B. Erleichterungen für Unternehmen

Die Neufassung der Dual-Use-Verordnung bringt einige wesentliche Erleichterungen für Unternehmen mit sich. So wird der Anwendungsbereich der sog. Allgemeingenehmigungen auf EU-Ebene erweitert - d.h. der Exporteur muss sich grundsätzlich nur für die Nutzung einer solchen Allgemeingenehmigung registrieren lassen (zusätzlich kann er zu halbjährlichen Meldungen verpflichtet werden). Die wohl wichtigste neue Allgemeingenehmigung betrifft die konzerninterne Ausfuhr von Software und Technologie unter bestimmten, relativ strengen Voraussetzungen (vgl. Anhang IIg der neuen Verordnung). Sind diese Bedingungen jedoch erfüllt, vereinfacht diese Allgemeingenehmigung konzerninterne Lösungen erheblich. In ihren Erwägungsgründen ermutigt die neue Verordnung die Mitgliedstaaten, für bestimmte Übertragungen von Software und Technologie mit doppeltem Verwendungszweck Allgemein- und Globalgenehmigungen oder harmonisierte Auslegungen von Bestimmungen vorzusehen, um den Verwaltungsaufwand im Hinblick auf alltägliche Geschäftsvorgänge zu begrenzen, die eine Übertragung von Software oder Technologie über elektronische Medien, Fax, Telefon usw. darstellen können.

Darüber hinaus wird mit der Neufassung  der Dual-Use-Verordnung eine neue Art von Genehmigung eingeführt: die sogenannte „Genehmigung für Großprojekte“, definiert als „die einem bestimmten Ausführer für eine Art oder Kategorie von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck erteilte Einzelausfuhrgenehmigung oder Globalausfuhrgenehmigung, die für die Ausfuhr zu einem oder mehreren genau bestimmten Endverwendern in ein oder mehrere genau festgelegte Drittländer zum Zweck der Durchführung eines genau bestimmten Großprojekts gültig sein kann“. Diese neue Art von Genehmigung kann bis zu vier Jahre gültig sein. Dennoch scheint sie keine eindeutigen Vorteile im Vergleich zu globalen Ausfuhrgenehmigungen mit sich zu bringen.

Bemerkenswert ist ferner, dass die Dual-Use-bezogenen Definitionen in der neuen Verordnung nun regelmäßig auf einschlägige Definitionen und Begriffe des EU-Zollrechts verweisen. Dies ist auf das Ziel zurückzuführen, dass die neue Verordnung so weit wie möglich mit dem EU-Zollrecht übereinstimmen soll. Dies ist im Sinne der Klarheit und der einheitlichen Anwendung des EU-Rechts zu begrüßen.

C. Neue Bereiche der Rechtsunsicherheit

Leider schafft die Dual-Use-Verordnung in der Fassung von 2021 aber auch neue Bereiche der Rechtsunsicherheit. Zunächst einmal unterliegt die Ausfuhr von nicht gelisteten (!) digitalen Überwachungsgütern dennoch einer Notifizierungspflicht, wenn dem Exporteur „aufgrund von im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht erlangten Erkenntnissen“ bekannt ist, dass die betreffende Güter „zur Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression und/oder der Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bestimmt sind oder bestimmt sein können (vgl. Art. 5 der neuen Verordnung). Eine Genehmigung ist dann erforderlich, wenn der Exporteur von den Behörden entsprechend informiert worden ist. Dieser Begriff ist bekannt: Er ist identisch mit nicht gelisteten Gütern, die im Zusammenhang mit ABC-Waffen oder für eine militärische Endverwendung in einem Land verwendet werden, das einem Waffenembargo unterliegt.

Unklar bleibt jedoch, wo die Grenze zwischen verbotenen „schweren“ Menschenrechtsverletzungen und - theoretisch - gar nicht verbotenen „Verletzungen“ als solchen zu ziehen ist. Darüber hinaus ist die Definition von „digitalen Überwachungsgütern“, d. h. Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, die speziell dazu bestimmt sind, die verdeckte Überwachung natürlicher Personen durch Überwachung, Extraktion, Sammlung oder Analyse von Daten aus Informations- und Telekommunikationssystemen zu ermöglichen, nicht klar umrissen. Die dadurch entstandene Rechtsunsicherheit hätte durch einen listenbasierten Ansatz vermieden werden können, entweder innerhalb der neuen Dual-Use-Verordnung oder innerhalb der bereits bestehenden Verordnung (EU) 2019/125 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Januar 2019 über den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten.

D. Gibt es sonst noch etwas, das beachtet werden sollte?

Ja. Die Ausfuhrkontrolle für die Erbringung von Vermittlungsdienstleistungen wurde erweitert. Insbesondere umfasst ein „Vermittler“ nun auch Gebietsfremde, solange sie Dienstleistungen vom Zollgebiet der EU aus erbringen.

Die Erbringung von „technischer Unterstützung“ - d.h. jegliche technische Unterstützung im Zusammenhang mit Reparaturen, der Entwicklung, Herstellung, Montage, Prüfung, Wartung und anderen Dienstleistungen - im Zusammenhang mit als kritisch eingestuften Endverwendungen unterliegt nun dem neuen EU-Dual-Use-Regime, während dies bisher nicht der Fall war. Für Exporteure in Deutschland ist dies jedoch keine große Neuigkeit, da auf nationaler Ebene die Erbringung solcher technischer Unterstützungsleistungen bereits dem deutschen Außenwirtschaftsrecht unterliegt.

In den Erwägungsgründen der neuen Verordnung werden ausdrücklich Bedenken in Bezug auf akademische und Forschungseinrichtungen geäußert, da diese sich häufig für den freien Austausch von Ideen (die eine kontrollierte Technologie darstellen könnten) in einem Hochtechnologieumfeld einsetzen.

Es wird erwartet, dass bald die EU-Leitlinien für interne Compliance-Programme eingeführt werden.

Schließlich wurden die Konsultationen und der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission intensiviert, um eine weitgehend einheitliche und kohärente Ausfuhrkontrollpraxis zu schaffen.

E. Fazit

Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU am 11. Juni 2021 wird die Neufassung 2021 der Dual-Use-Verordnung am neunzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Ungeachtet der oben genannten Unzulänglichkeiten der verabschiedeten Regeln müssen sich Exporteure nun mit dem neuen Regelwerk auseinandersetzen und sind gut beraten, die Zeit bis zum Inkrafttreten im September zu nutzen, um ihre internen Compliance-Programme entsprechend zu aktualisieren.

 

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