News

Die neue „Brückenteilzeit“ kommt – Die 12 wichtigsten Fragen zum Anspruch auf befristete Verringerung der Arbeitszeit

29.11.2018

Am 23.11.2018 hat der Bundesrat das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts durch Einführung der „Brückenteilzeit“ gebilligt, das die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag umsetzt, nachdem der Bundestag bereits am 18.10.2018 seine Zustimmung erteilt hat. Da es planmäßig nach Verkündung im Dezember 2018 bereits zum 01.01.2019 in Kraft treten soll, beantworten wir nachfolgend die 12 wichtigsten Fragen zur neuen Brückenteilzeit.

1. Was ist „Brückenteilzeit“?

Der in § 9a TzBfG eingefügte Anspruch auf Brückenteilzeit ermöglicht dem Arbeitnehmer, seine Arbeitszeit ohne Anlass und Gründe zu reduzieren und nach einem im Voraus bestimmten Zeitraum von einem bis zu fünf Jahren automatisch zu seiner bisherigen Arbeitszeit zurückkehren. Das Gesetz selbst bezeichnet den Anspruch präziser als „zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit“. Dieser Anspruch auf befristete Teilzeit steht selbständig neben dem Anspruch auf unbefristete Teilzeit gem. § 8 TzBfG. Der Arbeitnehmer hat damit die freie Wahl zwischen beiden Varianten.

2. Wie unterscheidet sich „Brückenteilzeit“ vom derzeitigen Teilzeitmodell?

Bisher war in § 8 TzBfG lediglich ein Anspruch auf dauerhafte Verringerung der Arbeitszeit vorgesehen, der jetzt – zur klaren Abgrenzung von der befristeten Teilzeit – als „zeitlich nicht begrenzte Verringerung der Arbeitszeit“ bezeichnet wird.

Umgekehrt besteht bereits nach derzeitigem Recht nach § 9 TzBfG ein Anspruch auf Aufstockung der Arbeitszeit, der auch nach Einführung der Brückenteilzeit fortbesteht. Allerdings verpflichtet dieser Aufstockungsanspruch den Arbeitgeber ausschließlich dazu, den Verlängerungswunsch des Arbeitnehmers bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen. Einen bedingungslosen Anspruch auf Rückkehr zur bisherigen Arbeitszeit kannte das TzBfG bisher ebenso wenig wie eine automatische Rückkehr zur bisherigen Arbeitszeit. Die Wiederaufstockung erfolgte nur auf „Wunsch“ des Arbeitnehmers in Form eines Antrags.

Die Brückenteilzeit soll im Unterschied dazu nun sicherstellen, dass „Arbeitnehmer freiwillig in Teilzeit arbeiten können, aber nicht unfreiwillig in Teilzeitarbeit verbleiben müssen“ (so der Regierungsentwurf vom 13.06.2018), indem die Befristung der Teilzeit mit automatischer Rückkehr eine „Brücke“ zurück in die Vollzeitbeschäftigung schlägt.

3. Wer hat Anspruch auf Brückenteilzeit?

Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs des Teilzeitverlangens länger als sechs Monate (ununterbrochen) bei demselben Arbeitgeber bestanden hat. Unerheblich ist insofern, ob der Arbeitnehmer bisher in Vollzeit oder bereits in Teilzeit beschäftigt war, denn auch Teilzeitbechäftigten steht ein Anspruch auf weitere befristete Reduzierung der Arbeitszeit zu.

4. Muss der Wunsch nach Brückenteilzeit begründet werden?

Einen bestimmten Grund setzt der Anspruch nicht voraus, sondern nach Vorstellung des Gesetzgebers nicht nur der Kindererziehung, Pflege von Angehörigen und Weiterbildung dienen, sondern z.B. auch schlicht die fließende Gestaltung des Übergangs in den Ruhestand oder ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeits- und Privatleben ermöglichen.

5. Wie wird Planungssicherheit für den Arbeitgeber geschaffen?

Um für den Arbeitgeber eine gewisse Planungssicherheit zu schaffen, sieht § 9a Abs. 1 TzBfG vor, dass der Zeitraum der Arbeitszeitverringerung mindestens ein Jahr und maximal fünf Jahre betragen muss. Den Umfang der Reduzierung regelt das Gesetz hingegen nicht, sodass grundsätzlich – sofern keine betrieblichen Gründe entgegenstehen – keine Untergrenze für die neue Arbeitszeit besteht.

6. Kann jeder Arbeitgeber in Anspruch genommen werden?

Ein Anspruch auf befristete Teilzeit besteht jedoch nur bei Arbeitgebern mit durchschnittlich mehr als 45 Arbeitnehmern, § 9a Abs. 2 TzBfG. Diese Mindestbeschäftigtenzahl dient dazu, Kleinbetriebe vor einer Überforderung zu schützen. Maßgeblich ist dabei die Größe des Unternehmens, nicht des Betriebs. Auszubildende zählen gemäß § 9a Abs. 7 TzBfG nicht mit. Im Übrigen zählt jeder Kopf, unabhängig von dem Beschäftigungsumfang.

7. Welche Form und Frist muss vom Mitarbeiter eingehalten werden?

Der Antrag auf befristete Teilzeit muss mindestens drei Monate vor der gewünschten Verringerung der Arbeitszeit in Textform gestellt werden und den Verringerungszeitraum bezeichnen, §§ 9a Abs. 3, 8 Abs. 2 TzBfG. Der Textform genügt jede lesbare Erklärung, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird (§ 126b BGB). Im Gegensatz zur Schriftform bedarf es keiner eigenhändigen Unterschrift, sodass auch eine E-Mail oder ein Fax genügen.

8. Können Arbeitgeber Ansprüche auf Brückenteilzeit ablehnen?

  • Für Arbeitgeber mit 45 bis 200 Arbeitnehmern sieht § 9a Abs. 2 Satz 2 TzBfG zunächst einen Überforderungsschutz dergestalt vor, dass die Anzahl der Brückenteilzeitnehmer im Betrieb gedeckelt wird: pro 15 Arbeitnehmern steht nur einer Person ein Brückenteilzeitanspruch zu. Das bedeutet: Hat der Arbeitgeber bereits einer entsprechenden Anzahl von Arbeitnehmern Brückenteilzeit gewährt, kann er weitere Anträge (ohne betriebliche Gründe) ablehnen. Für die Deckelungsgrenze spielen allerdings nur Arbeitnehmer in befristeter Teilzeit eine Rolle, sodass Mitarbeiter mit individuell oder tarifvertraglich vereinbarter Teilzeit, Altersteilzeit oder unbefristeter Teilzeit nach § 8 TzBfG unberücksichtigt bleiben.

  • Ferner kann jeder Arbeitgeber einen befristeten Teilzeitantrag aus betrieblichen Gründen ablehnen, z.B. weil eine kurzzeitige Überbrückung der Teilzeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Betriebssicherheit wesentlich beeinträchtigen würde oder nur unter unverhältnismäßigen Kosten möglich wäre. 

  • Im Übrigen kann während der befristen Teilzeit gem. § 9a Abs. 4 TzBfG weder eine weitere Verkürzung noch eine Verlängerung der Arbeitszeit verlangt werden.  

  • Kehrt der Arbeitnehmer nach Fristablauf zur ursprünglichen Arbeitszeit zurück, so ist ein neuer Brückenteilzeitantrag gem. § 9a Abs. 5 S. 1 TzBfG frühestens ein Jahr nach Rückkehr zulässig.

9. Wie und bis wann müssen Unternehmen über einen Antrag auf Brückenteilzeit reagieren?

Über einen formgemäßen Antrag hat der Arbeitgeber gemäß §§ 9a Abs. 3, 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG spätestens einen Monat vor dem gewünschten Teilzeitbeginn schriftlich zu entscheiden. Ein vor dem Ablauf der Wartezeit oder nicht in Textform gestellter Antrag ist unbeachtlich. Wichtig ist aus Arbeitgebersicht eine fristgemäße schriftliche Ablehnung: Teilt der Arbeitgeber seine Entscheidung nicht spätestens einen Monat vor dem Beginn der gewünschten Verringerung schriftlich mit, so gilt seine Zustimmung zur befristeten Arbeitszeitverringerung kraft Gesetzes als erteilt. Ob dem Wunsch betriebliche Gründe entgegenstehen, ist insoweit unerheblich.

10. Wie geht man mit konkurrierenden Anträgen um?

Konkurrieren Verringerungsanträge verschiedener Arbeitnehmer dergestalt miteinander, dass auf Grund der Deckelungsgrenze nicht für alle Anträge ein Rechtsanspruch besteht, so steht die Auswahl im billigem Ermessen des Arbeitgebers. Dabei hat der Arbeitgeber allerdings – nach Vorstellung des Gesetzgebers – im Rahmen einer Interessenabwägung auch persönliche, soziale und familiäre Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen.

11. Muss der Arbeitgeber Teilzeitwünsche zumindest besprechen?

Flankierend zum Anspruch auf Brückenteilzeit wird ein Erörterungsanspruch eingeführt, der den Arbeitgeber verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer Wünsche nach Veränderung von Dauer oder Lage seiner Arbeitszeit zu erörtern (§ 7 Abs. 2 TzBfG). Der Erörterungsanspruch ist von der Betriebsgröße unabhängig und deshalb - nicht sehr sinnvoll - auch in Kleinbetrieben zu beachten, in denen kein Recht auf befristete Teilzeit besteht.

12. Besteht ein Recht auf Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz?

Das Gesetz regelt nur die automatische Rückkehr zur bisherigen Arbeitszeit. Ein Anspruch darauf, dass die Beschäftigung nach Wiederaufnahme der ursprünglichen Arbeitszeit auf dem gleichen Arbeitsplatz erfolgt, besteht nicht. Vielmehr kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts eine gleichwertige Arbeit zuweisen.

Arbeitsrecht
Compliance & Interne Untersuchungen

Share