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Digitalisierung: EU-Parlaments­ausschuss fordert die Produkt­sicherheit 4.0

29.10.2020

Der EU Parlamentsausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, zuständig unter anderem für die Harmonisierung der Rechtsetzung in der Europäischen Union im Bereich Binnenmarkt, hat am 26. Oktober 2020 - einstimmig - einen beachtenswerten Berichtsentwurf (2019/2190(INI)) über die Produktsicherheit im Binnenmarkt verabschiedet und die Digitalisierung der Produktsicherheit gefordert.

Software-Updates erst nach dem Inverkehrbringen

Vollkommen richtig fordert der Ausschuss, dass bereits die in der Technical Compliance grundlegenden Begriffe „Produkt“ und „sicheres Produkt“ gänzlich überdacht werden sollen, um neue Technologien hierunter fassen zu können: Nachträgliche Software-Updates können das Produkt teilweise gänzlich verändern und auch Fragen der Nutzer- und Drittsicherheit neu aufwerfen. Deshalb sei es nicht nur notwendig, diese ebenfalls de jure als Produkte zu definieren, wie es derzeit nur im Medizinprodukterecht geschieht. Zudem wird angeregt, auch den Zeitpunkt zu überdenken, zu welchem ein Produkt regulativ als sicher gelten soll: Bislang wird bei allen europäischen CE-Richtlinien hierfür auf den klar definierten, alleinigen Zeitpunkt des Inverkehrbringens abgestellt. Denkbar kann aber die Notwendigkeit werden, die gesamte Lebensdauer des Produktes zu berücksichtigen, weil over the air spätere Veränderungen zwar nicht des technischen Designs selbst, sehr wohl aber der Funktionalität möglich werden können.

Cybersicherheit bei vernetzten Produkten

Der Ausschuss fordert zudem, die Cybersicherheit von vernetzten Geräten im Rahmen der Produktsicherheit zu berücksichtigen. Das muss man kritisch hinterfragen, da bisher aus gutem Grunde die Aspekte Safety und Security strikt getrennt waren: Produktsicherheit meint immer den Drittschutz vor industriell unbeabsichtigten Gesundheitsgefahren. Cybersicherheit betrifft dagegen absichtlichen IT-Vandalismus Dritter. Ob dessen Bekämpfung systematisch mit den Mitteln der herstellerseitigen Produktsicherheit verzahnt werden sollte, bedarf noch vieler Diskussionen. Auch soll es nach den Ausschuß-Vorstellungen künftig ein System für verpflichtende Cybersicherheitszertifizierungen von Produkten mit Künstlicher Intelligenz geben. Wie das im Einzelnen aussehen soll, überlässt der Ausschuss indes der Kreativität der Europäischen Kommission.

Rückverfolgbarkeit mittels Blockchain

Bei Produktrückrufen kann es für den Hersteller eine Herausforderung sein, die jeweils betroffenen Produkte bis zum Verbraucher, vor allem aber in der fertigenden Lieferkette der Bauteile zurückzuverfolgen. Die Kommission soll daher prüfen, ob mittels Blockchain-Technologie die Rückverfolgbarkeit von Produkten entlang der gesamten Lieferkette gestärkt werden könnte.

Es gab in den vergangenen zwei Jahrzehnten diverse Anläufe, die europäische Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG zu überarbeiten; Früchte trug dies alles bislang nicht. Eine Änderung ist vor allem mit Blick auf die stetige Entwicklung neuer Technologien im Umfeld von Digitalisierung, IoT und Connectivity zu erwarten. Offen ist, ob die zahlreichen, ambitionierten Vorschläge des Ausschusses Einzug in den Entwurf der Kommission finden werden.

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