News

Einstweilige Verfügung - Keine Kosten bei abbestelltem Abschluss­schreiben

19.11.2020

Das OLG München hat mit (rechtskräftigem) Urteil vom 13.08.2020 (Az. 29 U 1872/20) geurteilt, dass ein Abschlussschreiben vor Ablauf der Wartefrist „abbestellt“ werden kann, auch wenn im Rahmen der Abbestellung offen gelassen wird, ob die Abschlusserklärung abgegeben werden soll oder nicht. Im Fall einer solchen Abbestellung hat die unterlegene Partei eines einstweiligen Verfügungsverfahrens keine Kosten für das Abschlussschreiben zu tragen.

Die Hintergründe

Das Abschlussverfahren nach Erlass einer einstweiligen Verfügung dient dazu, ein anschließendes Hauptsacheverfahren zu ersparen und den Rechtsstreit zu beenden. Mit der Abschlusserklärung kann der Schuldner die an sich nur vorläufige Unterlassungsverfügung als endgültige Regelung akzeptieren, die einem Hauptsacheurteil gleichsteht. Der Abschlusserklärung geht typischerweise ein Abschlussschreiben voraus, mit dem der Gläubiger den Schuldner auffordert, eine solche Abschlusserklärung abzugeben. Ein Abschlussschreiben darf erst nach Ablauf einer angemessenen Wartefrist von mindestens zwei Wochen versandt werden. Der Gläubiger muss dem Schuldner darin eine Erklärungsfrist von im Regelfall mindestens zwei Wochen für die Prüfung einräumen. In dieser Zeit darf der Schuldner prüfen, ob er die Abschlusserklärung abgeben will, wobei die Summe aus Warte- und Erklärungsfrist nicht kürzer als die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) sein darf. Das Abschlussverfahren verschafft damit dem Gläubiger Klarheit darüber, ob er noch eine Hauptsacheklage erheben muss, auch um eine Verjährung seiner Ansprüche und eine deshalb drohende Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu verhindern. Der Schuldner erhält durch das Abschlussverfahren die Möglichkeit, den Rechtsstreit endgültig zu beenden. Die Abschlusserklärung bringt also auf schnelle und pragmatische Weise Rechtssicherheit für beide Parteien. Die Kosten des Abschlussschreibens sind dabei grundsätzlich vom Schuldner zu tragen. In der bisherigen Praxis wurde auf ein Abschlussschreiben zumeist (nur) dann verzichtet bzw. war es entbehrlich und die diesbezüglichen Kosten nicht erstattungsfähig, wenn der Schuldner entweder deutlich machte, mit der Verfügung nicht einverstanden zu sein, oder er unaufgefordert eine Abschlusserklärung abgab.

Das Verfahren

Im konkreten Verfahren stritten die Parteien um Kostenerstattungsansprüche wegen der Versendung eines Abschlussschreibens. Die Parteien waren Antragstellerin und Antragsgegnerin eines vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens gewesen, im Rahmen dessen eine auf Lauterkeitsrecht gestützte einstweilige Unterlassungsverfügung erlassen worden war. Noch vor Ablauf der zweiwöchigen Wartefrist sandte die Beklagte der Klägerin ein Schreiben, in dem sie mitteilte, dass sie innerhalb der Frist nach § 517 ZPO unaufgefordert darauf zurückkommen werde, ob die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt werde, und es eines Abschlussschreibens daher nicht bedürfe. Nach weiterem Schriftwechsel, in dem die Beklagte abermals versicherte, dass sie vor Ablauf der Frist nach § 517 ZPO und unaufgefordert auf die Sache zurückkommen werde, versandte die Klägerin nach Ablauf der zweiwöchigen Wartefrist ein Abschlussschreiben und machte für das Schreiben einen Kostenerstattungsanspruch geltend. Die Beklagte gab noch innerhalb eines Monats nach Zustellung der Verfügung eine Abschlusserklärung ab, weigerte sich jedoch, die Kosten des Abschlussschreibens zu tragen.

Die Entscheidung

Das OLG München gab der Beklagten recht und urteilte, dass der Klägerin kein Kostenerstattungsanspruch zusteht.Ein Erstattungsanspruch folge nicht aus den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB). Ein solcher Anspruch komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte explizit den Willen geäußert habe, dass es eines Abschlussschreibens nicht bedürfe. Eine solche „Abbestellung“ sei auch ohne eine verbindliche Äußerung dahingehend, ob eine Abschlusserklärung abgegeben werde oder nicht, möglich. Im Übrigen sei das Abschlussschreiben im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen, weil die vorausgehenden Schreiben der Beklagten das Abschlussschreiben überflüssig und funktionslos gemacht hätten. Die Beklagte sei sich erkennbar der Möglichkeit bewusst gewesen, den Rechtsstreit durch Abgabe einer Abschlusserklärung zu beenden. Das Abschlussschreiben konnte auch den Zweck zur Verschaffung von Klarheit darüber, ob ein Hauptsacheverfahren noch eingeleitet wird, nicht fördern, weil die Beklagte ohnehin schon zugesagt hatte, sich hierzu fristgerecht zu erklären. Die Kosten für ein funktionsloses und damit überflüssiges Abschlussschreiben, das der Gläubiger dem Schuldner gegen dessen erklärten Willen aufdränge, könne der Schuldner nicht gemäß §§ 677, 683, 670 BGB ersetzt verlangen. Es ergebe sich auch kein Kostenerstattungsanspruch aus § 9 UWG, weil die Anwaltskosten für das Abschlussschreiben im vorliegenden Fall für die Wahrung der Rechte der Klägerin nicht erforderlich und zweckmäßig waren.

Analyse

Bei der Entscheidung des OLG München handelt es sich um ein Grundlagenurteil zum Abschlussverfahren. Es kann nun als für den Unterlassungsschuldner gesichert angesehen werden, dass er ein Abschlussschreiben auch mit einer noch unverbindlichen Erklärung abbestellen kann, sofern er dem Gläubiger binnen der Wartefrist mitteilt, dass ein Abschlussschreiben nicht erforderlich ist und er sich innerhalb der Frist nach § 517 ZPO mit seiner Entscheidung zur Abgabe einer Abschlusserklärung melden werde. In einem solchen Fall trägt der Unterlassungsschuldner keine Kosten für ein dennoch versandtes Abschlussschreiben. Damit ist das Abschlussverfahren zwar nicht „abgeschafft“. Es dürfte für Unterlassungsschuldner in Zukunft jedoch stets möglich sein, die Kosten eines Abschlussschreibens zu vermeiden, ohne vor dem Ende der Wartefrist schon eine Entscheidung in der Sache getroffen haben zu müssen.

Kontakt


Gewerblicher Rechtsschutz

Share