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Erbschaft­steuer verfassungs­widrig - Übergangs­regelung bis 30. Juni 2016 - Abwarten oder Handeln?

17.12.2014
Heute hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil in Sachen „Erbschaftsteuer“ (1 BvL 21/12) verkündet (Pressemitteilung Nr. 116/2014). Danach sind die im Erbschaftsteuergesetz vorgesehenen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) wegen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig.

Wie geht es weiter?

Trotz Verfassungswidrigkeit gelten die Regelungen bis zum 30. Juni 2016 fort. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, bis dahin eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen soll jedoch nicht dazu führen, dass sie exzessiv ausgenutzt werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich erklärt, dass solche Gestaltungen keinen Vertrauensschutz genießen und der Gesetzgeber rückwirkend auf den heutigen Tag eine Neuregelung schaffen kann, um das zu verhindern. Für bisherige Unternehmensübergaben besteht Sicherheit. Unternehmer, die ihr Unternehmen bereits übertragen haben, kommen noch in den Genuss der bestehenden Verschonungsregelungen.

Wie soll eine Neuregelung aussehen?

Bedürfnisprüfung bei Großunternehmen

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar anerkannt, dass eine Verschonung von Betriebsvermögen grundsätzlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist. Beim Übergang von Großunternehmen sieht es aber Korrekturbedarf, weil es dort zu einem Übermaß an Verschonung kommt, das gegen den Gleichheitssatz verstößt. Deshalb muss dort konkret festgestellt werden, ob das erworbene Unternehmen verschonungsbedürftig ist. Was unter einem Großunternehmen zu verstehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht definiert. Allerdings hat es konstatiert, dass es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht unbenommen ist, sich an der Definition der EU-Kommission zu kleinen und mittleren Unternehmen zu orientieren. Darunter fallen aber nur Unternehmen, die weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens EUR 50 Mio. erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich höchstens auf EUR 43 Mio. beläuft. Dies könnte dazu führen, dass bei allen Unternehmen, die diese Schwelle überschreiten, eine Verschonung nur noch gewährt wird, wenn dafür ein Bedürfnis besteht. Wann dies der Fall ist, bedarf der Regelung durch den Gesetzgeber.

Weiterer Korrekturbedarf – auch für kleinere und mittlere Unternehmen

Unabhängig von der Größe des Unternehmens sieht das Bundesverfassungsgericht Korrekturbedarf in Bezug auf die Regelungen zu Lohnsumme und Verwaltungsvermögen:

Von der geltenden Lohnsummenregelung, wonach über die Dauer von 5 bzw. 7 Jahren eine bestimmte Lohnsumme nicht unterschritten werden darf, sind Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten befreit. Diese Befreiung ist eine unverhältnismäßige Privilegierung. Sie muss deshalb auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzt werden, sofern der Gesetzgeber überhaupt an dem Verschonungskonzept mit Lohnsummenregelung festhält. Auch Gestaltungen, mit denen die Lohnsummenregelung vermieden wird, z.B. die vom Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluss genannte Aufspaltung in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft (sog. Betriebsaufspaltung) sind eine unverhältnismäßige Privilegierung.

Betriebliches Vermögen wird derzeit selbst dann verschont, wenn es zu einem Anteil von bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen, d.h. aus nicht produktivem Vermögen besteht. Diese Privilegierung nicht produktiven Vermögens ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht gerechtfertigt. Gestaltungen zur Verlagerung von nicht produktivem (Privat-) Vermögen in betriebliches Produktivvermögen würden dadurch eher begünstigt als unterbunden. Eine ungerechtfertigte Privilegierung ergibt sich auch daraus, dass die Regelung Gestaltungen zulässt, bei denen in mehrstufigen Konzernstrukturen in Beteiligungen auf unteren Stufen Verwaltungsvermögen von bis zu 50 % deponiert wird, das auf nächst höherer Stufe vollständig als Produktivvermögen gilt, obwohl bei einer Gesamtbetrachtung des Konzerns der Verwaltungsvermögensanteil überwiegt (sog. Kaskadeneffekt).


Fazit

Die Vermutungen, dass das Bundesverfassungsgericht die derzeitigen Verschonungsregelungen für verfassungswidrig erklären wird (vgl. unsere Meldungen vom 09.07.2014 und 19.11.2014), haben sich bestätigt. Auf den ersten Blick lässt die Entscheidung aufatmen, weil die derzeitigen Verschonungsregelungen noch bis zum 30. Juni 2016 fortgelten. Sorge dürfte jedoch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrauensschutz bereiten: Ein Vertrauen darauf, dass der Gesetzgeber keine rückwirkende Neuregelung schafft, die eine exzessive Ausnutzung versagt, ist nicht geschützt. Mit anderen Worten: Auch wenn bis zum 30. Juni 2016 erbschaftsteuerfreie Unternehmensübertragungen erreicht werden können, ist nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber diese Steuerfreiheit rückwirkend kassiert.


Handlungsempfehlung

Der Familienunternehmer, der bisher schon erwogen hat, sein Unternehmen in die nächste Generation zu übertragen, sollte die Auslauffrist bis zum 30. Juni 2016 nutzen, diesen Schritt zu gehen. Denn gerade bei großen Familienunternehmen steht für die Zukunft zu befürchten, dass eine Verschonung von der Erbschaftsteuer nur noch unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen gewährt werden wird. Bei der Gestaltung dieser Nachfolge wird der Unternehmer aber höchste Vorsicht walten lassen müssen. Vor allem muss er dabei die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu exzessiven Gestaltungen beachten und Vorsorge für den Fall einer rückwirkenden Gesetzgebung treffen.