News

Erneute Anpassung des Energiesicherungsgesetzes beschlossen

08.07.2022

Am 07.07.2022 hat der Bundestag eine erneute Änderung des Energiesicherungsgesetzes beschlossen. Die geplanten Neuregelungen schärfen das schon jetzt zur Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium mit Blick auf die sich weiter zuspitzende Versorgungslage nach bzw. ergänzen den vorhandenen Instrumentenkasten. Es handelt sich um die zweite Novelle des ursprünglich aus dem Jahre 1975 stammenden Energiesicherungsgesetzes binnen kurzer Zeit. Erst am 12.05.2022 hatte der Bundestag das Gesetz an die aktuellen politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem andauernden Angriffskrieg und der schwierigen Lage auf den Energiemärkten angepasst (vgl. zum entsprechenden Gesetzesentwurf unseren Beitrag vom 3. Mai 2022).

Kapitalmaßnahmen für unter Treuhand stehende Unternehmen

Zunächst wird dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) die Möglichkeit eingeräumt, bei einem unter Treuhandverwaltung stehenden, als Kapitalgesellschaft verfassten Unternehmen, das Kritische Infrastrukturen im Sektor Energie betreibt, gesellschaftsrechtliche Maßnahmen anzuordnen, um die Fortführung des Betriebs zu gewährleisten. So ist es dem BMWK nunmehr möglich, Kapitalerhöhungen, die Auflösung von Kapital- und Gewinnrücklagen oder Kapitalherabsetzungen anzuordnen. Auf diese Weise kann nicht unerheblicher Einfluss auf die Gesellschafterstruktur genommen werden. Die Anordnung von Kapitalmaßnahmen stellt eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG dar. Entsprechend sieht die geplante Novelle auch eine Entschädigungsregelung vor.

Ergänzte Preisanpassungsrechte

Schon die letzte Novelle des Energiesicherungsgesetzes sah ein Recht zur Preisanpassung für Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette für den Fall verminderter Gasimporte vor. Durch die nunmehr beschlossenen Änderungen werden die Voraussetzungen für den Eintritt dieses Preisanpassungsrechts noch klarer gefasst: Das Preisanpassungsrecht tritt nicht automatisch mit Ausrufen der Alarm- oder Notfallstufe gemäß dem Notfallplan Gas in Kraft. Notwendige, weitere Voraussetzung ist vielmehr, dass die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmenge nach Deutschland festgestellt hat. Dieses zusätzliche Erfordernis besteht so zwar bereits nach aktueller Rechtslage, allerdings hatte das Ausrufen der Alarmstufe durch das BMWK am 23. Juni 2022 nach Verringerung der russischen Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 zu Unsicherheiten geführt. Mit der Neuregelung wird gesetzlich festgehalten, dass die Feststellung durch die Bundesnetzagentur zu einem späteren Zeitpunkt als das Ausrufen der Alarm- oder Notfallstufe erfolgen kann.

Die bereits bestehende Möglichkeit zur Preisanpassung wird zudem um ein weiteres, alternatives Instrument, das sogenannte saldierte Preisanpassungsrecht, ergänzt werden. Danach kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass an die Stelle des Preisanpassungsrechts ein finanzieller Ausgleich für die unmittelbar betroffenen Energieversorgungsunternehmen tritt. Auf diese Weise können die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung infolge von verminderten Gasimporten gleichmäßig verteilt werden.

Stabilisierungsmaßnahmen für Energieunternehmen

Unternehmen, die Kritische Infrastrukturen im Sektor Energie betreiben, sollen ferner künftig „Stabilisierungsmaßnahmen“ durch den Bund in Anspruch nehmen können. Auf diese Weise ist es dem Bund möglich, wirtschaftlich angeschlagenen Energieunternehmen übergangsweise unter die Arme zu greifen und so einen Versorgungsausfall zu vermeiden. Eine Anteilsübernahme durch den Bund kann eine „Stabilisierungsmaßnahme“ darstellen. Stabilisierungsmaßnahmen werden aktuell für das Energieunternehmen Uniper diskutiert, das von den verringerten russischen Gaslieferungen betroffen ist.

Im Fall der Anwendung solcher Stabilisierungsmaßnahmen enthält die beschlossene Novelle gesellschaftsrechtliche Erleichterungen, angelehnt an die Regelungen zum anlässlich der Corona-Pandemie eingerichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Stabilisierungsmaßnahmen haben Vorrang vor dem Einsatz von Preisanpassungsrechten.

Beschränkung von Leistungsverweigerungsrechten

Das überarbeite Energiesicherungsgesetz stellt daneben die Ausübung von Leistungsverweigerungsrechten durch Energieversorgungsunternehmen im Zusammenhang mit dem Ausfall oder der Reduzierung von Gaslieferungen unter Genehmigungsvorbehalt. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass die Unternehmen trotz erhöhter Beschaffungspreise ihren vertraglichen Lieferpflichten nachkommen.

Die Ausübung eines solchen Leistungsverweigerungsrechts, ein sogenannter „Force Majeure“-Fall, hängt nunmehr von der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur ab. Kann das jeweilige Energieversorgungsunternehmen nachweisen, dass eine Ersatzbeschaffung tatsächlich unmöglich ist, entfällt das Genehmigungserfordernis. Die Regelung zur Beschränkung der Leistungsverweigerungsrechte kommt allerdings von vornherein nur dann zum Tragen kommen, wenn zuvor die Alarm- oder Notfallstufe nach dem Notfallplan Gas ausgerufen wurde.