News

EU-Kommission veröffentlicht neue Strategie für Stabilität des EU-Wirtschafts- und Finanzsystems

26.01.2021

Am 19.01.2021 hat die Europäische Kommission eine neue Strategie zur Stärkung des europäischen Wirtschafts- und Finanzsystems veröffentlicht. Die darin enthaltenen Vorschläge sind Teil des von der Kommission aufgestellten Ansatzes einer „open strategic autonomy“ zur Rolle der EU auf der internationalen Ebene. Die längerfristig angelegten Vorschläge spiegeln eine verstärkt geostrategische Ausrichtung der EU-Wirtschaftspolitik der Kommission wider und bezwecken den Schutz der Europäischen Souveränität. Konkret enthält die Strategie Vorschläge für die Stärkung der Rolle des Euro als internationales Zahlungsmittel, die Stabilität der europäischen Finanzmärkte, die Effektivierung von EU-Sanktionen und die Reaktion auf extraterritorial wirkende Sanktionen von Drittstaaten.

Stärkung der internationalen Rolle des Euro und der europäischen Finanzmärkte

Zur Stärkung der internationalen Bedeutung des Euro empfiehlt die Kommission, bei Drittstaaten um die Nutzung der Gemeinschaftswährung zu werben, etwa als Reserve- und Referenzwährung. Für die EU liege der Nutzen etwa darin, die Wirkung ausländischer Wechselkursschocks zu verringern und die internationale Reichweite europäischer Währungspolitik zu verstärken. Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzmärkte regt die Kommission des Weiteren mehrere Änderungen der Finanzmarktrichtlinie („MiFID II“) an, darunter auch die Verringerung bestehender Anforderungen an Unternehmen.

Schutz europäischer Unternehmen vor ausländischen Sanktionen

Soweit die Strategie Maßnahmen zum Umgang mit extraterritorial wirkenden ausländischen Sanktionen in den Blick nimmt, ist dies vor dem Hintergrund der expansiven Sanktionspolitik der USA zu sehen. Der deutlich verschärfte Einsatz extraterritorial wirkender, völkerrechtswidriger Sekundärsanktionen (secondary sanctions) unter der Trump-Administration etwa gegenüber dem Iran hatte erhebliche negative Auswirkungen auf europäische Unternehmen mit iranischen Partnern und Wirtschaftsinteressen im Iran (vgl. unsere News vom 14.01.2020, vom 05.10.2019 sowie vom 07.08.2018). Die US-Sanktionen haben zudem das Atomabkommen mit dem Iran an den Rand des Scheiterns gebracht.

Um den extraterritorial wirkenden Sanktionsmaßnahmen und anderen unilateralen Handelsbeschränkungen von Drittstaaten – insbesondere der USA, aber zunehmend auch China – mittelfristig wirksame Maßnahmen entgegensetzen zu können, schlägt die Kommission die folgenden Schritte vor:

  • Die Kommission will die Anfälligkeit europäischer Finanzmarktunternehmen und der europäischen Finanzmarktinfrastruktur gegenüber Sanktionen umfassend analysieren.

  • Die Kommission will nach alternativen Instrumenten suchen, um den Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen der EU und von Sanktionen betroffenen Handelspartnern vor den Auswirkungen solcher Sanktionen zu schützen (z.B. INSTEX, vgl. hierzu unsere News vom 05.04.2020).

  • Die Kommission will, dass die Verfahren nach der EU-Blocking-Verordnung vereinfacht und verbessert werden, die es von extraterritorialen Sanktionen betroffenen Unternehmen ermöglichen, erlittene Schäden gerichtlich einzuklagen (vgl. hierzu unsere News vom 07.08.2018).

  • Die Kommission will europäische Wirtschaftsteilnehmer, die sich in ausländischen Verfahren mit Sanktionen konfrontiert sehen, direkt unterstützen.

  • Bei der Beurteilung, ob ausländische Direktinvestitionen in EU-Unternehmen ein Sicherheitsrisiko darstellen, will die Kommission zukünftig berücksichtigen, inwiefern die Investition die Verwundbarkeit des Unternehmens gegenüber extraterritorialen Sanktionen erhöhen könnte.

Verbesserung der Implementierung und Durchsetzung von EU-Sanktionen

Die Kommission kündigt an, zukünftig laufend die einheitliche Umsetzung und Effektivität von EU-Sanktionen zu überprüfen und bei Bedarf eine Neujustierung vorzuschlagen. Zusätzlich ist eine Untersuchung geplant, um die Auswirkung von Kryptowährungen auf die Umgehung von Sanktionen zu bewerten.

Zur Verbesserung der Transparenz kündigt die Kommission für 2021 ein „Sanctions Information Exchange Repository“ an – eine Datenbank, die den Informationsaustausch bezüglich der Implementierung und Durchsetzung von Sanktionen zwischen der Union und den Mitgliedsstaaten erleichtern soll.

Die neue Strategie sieht außerdem ein neues Expertengremium vor, das aus Vertretern der Mitgliedsstaaten und der europäischen Institutionen bestehen und sich sowohl mit Fragen der Implementierung der Blocking-Verordnung als auch mit der Wirkung ausländischer Sanktionen befassen soll.

Zudem ist die Einrichtung einer EU-weiten einheitlichen Kontaktstelle („single contact point“) geplant, um Fragen der Implementierung und Durchsetzung europäischer Sanktionen, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen, besser zwischen den Mitgliedsstaaten und der EU zu koordinieren.

Schließlich kündigt die Kommission die Einrichtung einer anonymen Meldestelle an, die Whistleblowing ermöglichen soll, um Umgehungen der Sanktionen durch Unternehmen aber auch durch die Mitgliedsstaaten zu verhindern.

Einschätzung

Mit der neuen Strategie setzt die Kommission wichtige und lang überfällige Impulse für eine stärkere Rolle der EU-Außenwirtschaftspolitik und den Schutz der Europäischen Souveränität. Der politische Wille, die wirtschaftliche Autonomie der EU zu stärken, ist im angesichts einer sich wandelnden geopolitischen Lage nachvollziehbar. Allerdings bleibt die Strategie an entscheidenden Stellen wenig konkret und beschränkt sich vielfach auf die Ankündigung von Analyse- und Evaluierungsprozessen. Zudem stehen die mit großer Spannung erwarteten Vorschläge der Kommission zur Abschreckung und Bekämpfung extraterritorialer Zwangsmaßnahmen von Drittstaaten noch aus. Diese will die Kommission im Laufe des Jahres vorlegen.

Regulierung & Governmental Affairs
Banking & Finance
Außenwirtschaftsrecht & Investitionskontrolle

Share