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EuGH: Internet­videos der Presse unterliegen dem Rund­funk­recht

22.10.2015

 

Immer mehr Presseunternehmen bedienen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit in ihren Online-Angeboten nicht mehr allein mit geschriebenen Artikeln, sondern nutzen die technischen Möglichkeiten des Internets, um begleitende oder eigenständige Videoinhalte zu veröffentlichen. Der EuGH hat nun aufgrund eines Vorabentscheidungsgesuchs des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (RL 2010/13/EU – AVMD-RL) entschieden, dass diese Videoangebote unter Umständen als rundfunkähnliche Telemedien einzustufen sind und dementsprechend rundfunkrechtliche Werbe- und Sponsoringvorschriften beachtet werden müssen (Urt. v. 21. Oktober 2015 – Rs. C-347/14).

Nach § 58 Abs. 3 RStV gelten in Deutschland in Umsetzung der AVMD-RL die rundfunkrechtlichen Bestimmungen u.a. zu Werbung, Schleichwerbung, Produktplatzierung und Sponsoring für Internetseiten entsprechend, deren Dienste nach Form und Inhalt fernsehähnlich sind und die von einem Anbieter zum individuellen Abruf zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und aus einem vom Anbieter festgelegten Inhaltekatalog bereitgestellt werden (sog. audiovisuelle Mediendienste auf Abruf).

Der Hintergrund

Im österreichischen Ausgangsverfahren klagte die Tiroler Tageszeitung gegen die Einstufung ihres Videoangebots auf ihrem Online-Portal als audiovisueller Mediendienst auf Abruf, da dieser nach österreichischem Recht der Anzeigepflicht unterliegt. Die Tiroler Tageszeitung bot unter der Rubrik Video mehr als 300 Videos mit einer Länge von 30 Sekunden und mehr zu verschiedensten Themen an, von denen nur eine geringe Anzahl einen Bezug zu Presseartikeln aufwies. Die Klage wurde damit begründet, dass die kurze Dauer der Videos die Vergleichbarkeit mit herkömmlichen Rundfunksendungen – nach deutscher Terminologie die Fernsehähnlichkeit – ausschließe und die Videorubrik nicht den Hauptzweck des Internetauftritts der Tageszeitung bilde. Ausweislich der Erwägungsgründe der AVMD-RL würden elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften nicht in den Anwendungsbereich der AVMD-RL fallen, solange zumindest die audiovisuellen Inhalte nicht den Hauptzweck des Dienstes bilden.

Gleiche Regeln für Inhalte mit gleicher Zielgruppe

Der EuGH folgte dieser Argumentation nicht. Er wies daraufhin, dass die Vergleichbarkeit der Videos mit Rundfunksendungen nicht deshalb ausgeschlossen werde, weil sie von kurzer Dauer seien. Er widerspricht damit nicht nur der Auslegung der Tiroler Tageszeitung, sondern auch der bisherigen Aufsichtspraxis der britischen OFCOM, die kurze Videos bisher nicht vom Anwendungsbereich der AVMD-RL umfasst sah. Nach Ansicht des EuGH ist entscheidend, dass für alle Inhalte, die sich an das gleiche Publikum richten, die gleichen Regeln gelten. Da auch kurze Berichte mit Fernsehangeboten in Konkurrenz treten könnten, sei die Dauer der Videos unerheblich. Ferner sei für die Beurteilung, ob ein Videobereich den Hauptzweck bilde, nicht auf das Gesamtangebot des Anbieters abzustellen, sondern zu fragen, ob das Videoangebot eigenständig und unabhängig den Zweck habe, eine Sendung zur Information, Unterhaltung oder Bildung der Öffentlichkeit bereitzustellen. Werden Videos in einer eigenen Rubrik ohne Verbindung zum Textangebot dargestellt, dienten sie nicht lediglich als untrennbare Ergänzung der redaktionellen Tätigkeit der Presse.

Videoangebote unterliegen strengen Anforderungen an Werbung und Sponsoring

Nach diesen Leitlinien des EuGH sind Videoangebote einer Website, die in einem eigenen Katalog unter redaktioneller Verantwortung des Anbieters aufgelistet werden und eigenständig zur Information der Öffentlichkeit beitragen, audiovisuelle Telemediendienste auf Abruf im Sinne des § 58 Abs. 3 RStV. Sie müssen daher zwingend die strengen rundfunkrechtlichen Anforderungen an Werbung und Sponsoring einhalten. Den Ausführungen des EuGH zufolge gilt dies auch und insbesondere für Presseunternehmen, die Videos unabhängig von begleitenden Artikeln auf einer eigenständigen Unterseite des Online-Angebots anbieten. Werden die bewegten Bilder lediglich im Zusammenhang mit entsprechender Textberichterstattung veröffentlicht, dienen sie der Ergänzung der Pressetätigkeit, so dass § 58 Abs. 3 RStV nicht zur Anwendung kommt.

Unklar ist, ob eine zusätzliche Sammlung dieser begleitenden Videos in einem Online-Archiv als fernsehähnlicher Dienst zu qualifizieren ist. Ein eigenständiges Video-Archiv, das dem Nutzer ohne die korrespondierenden Presseberichte angezeigt wird, kann allerdings wohl nicht mehr als „untrennbare Ergänzung“ der textorientierten Pressetätigkeit interpretiert werden. Derartige Online-Archive wären dementsprechend audiovisuelle Mediendienste auf Abruf und müssten die rundfunkrechtlichen Bestimmungen beachten.

 

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