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EuGH-Vorlage zu Fach­kreis­werbung und Health-Claims-VO (HCVO)

24.02.2015

Hintergrund

Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (sogenannte Health-Claims-Verordnung bzw. HCVO) regelt die Voraussetzungen sowie Art und Weise der Darstellung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel. Sie dient sowohl dem gesundheitlichen Verbraucherschutz als auch dem Schutz vor Irreführung. Bereits Erlass und Inhalt der HCVO waren im Rahmen des Rechtssetzungsverfahrens heftig umstritten – bis heute beschäftigen sich Gerichte mit der Auslegung dieses Regelwerkes. Aktuell hat das Landgericht München I über die Anwendbarkeit der HCVO auf die sogenannte „Fachkreiswerbung“ zu entscheiden. Das Gericht hat diese Rechtsfrage mit Beschluss vom 16.12.2014 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt.

EuGH-Vorlage

Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht sind wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen behaupteter Verstöße gegen die HCVO. Beklagte ist die Inverkehrbringerin des Nahrungsergänzungsmittels „i.Vitamin D3“. Die Beklagte warb in Schreiben – die sie ausschließlich an Ärzte richtete – mit gesundheitsbezogenen Angaben, ohne dass die materiellen Voraussetzungen für solche Claims nach der HCVO vorlagen. Entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits ist daher die Frage, ob auch Werbung gegenüber einem Fachpublikum, z. B. Ärzte, Apotheker, Heilpraktiker, Ernährungsberater und Diätassistenten, von der HCVO erfasst wird. Ausdrückliche Regelungen hierzu enthält die HCVO nicht. Umso kontroverser wird dieser Aspekt in der lebensmittelrechtlichen Literatur diskutiert.

Argumente zur Anwendung der HCVO auf Fachkreiswerbung

PRO CONTRA

Die Befürworter der Anwendung der HCVO auf Fachkreiswerbung stellen vornehmlich auf den Wortlaut der HCVO und hier Artikel 1 Absatz 2 ab. Dort heißt es:

„Diese Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen.“

Dem Wortlaut nach differenziert die Norm also gerade nicht nach dem Adressaten der Mitteilung. Der Anwendungsbereich sei daher allein produktbezogen zu bestimmen. Erfasst werde insbesondere auch die Kommunikation gegenüber Fachkreisen, solange die restlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Außerdem verlange das Verordnungsziel – der Verbraucherschutz – eine Anwendung der HCVO auch auf Fachkreiswerbung. Denn Werbung gegenüber Fachkreisen wirke sich mittelbar gegenüber Verbrauchern aus. Fachkreise seien Informations-mittler und nicht immer mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut. Daher sei an sie gerichtete Werbung auch geeignet, Fachkreise zu überzeugen. Gelinge dies, so sprächen sie auch Empfehlungen für bestimmte Produkte aus.

Dagegen wird argumentiert, dass die HCVO an sich nur die B2C-Kommunikation erfasse. Eine Differenzierung nach dem Adressaten der Mitteilung in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung sei deswegen nicht erforderlich und der Wortlaut der Norm insoweit nicht ausschlaggebend. Außerdem würden sowohl Erwägungsgründe als auch zahlreiche Beschränkungen der HCVO auf den Verbraucher und dessen Verständnis von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben abstellen. Auch systematisch ließen sich Argumente gegen eine Anwendung auf Fachkreiswerbung anbringen. So habe der Gesetzgeber das Re-gelungsbedürfnis betreffend Fachkreise erkannt. Denn Artikel 11 und 12 HCVO enthalten spezifische Vorschriften für Angaben durch bestimmte Fachkreise. Hätte der Gesetzgeber auch Angaben gegenüber Fachkreisen erfassen wollen, hätte er – so die Argumentation der gegen eine Anwendung auf Fachkreise gerichteten Stimmen – das ausdrücklich klargestellt. Ferner sei zu bedenken, dass die HCVO keine Möglichkeit eröffne, eine Zulassung bestimmter Angaben gegenüber Fachkreisen zu erhalten. Dann müsste das allgemeine Erfordernis von Art. 10 HCVO, wonach zulassungsfähig nur solche Angaben sind, die auch vom Verbraucher verstanden werden können, auch für Fachkreiswerbung gelten. Dadurch werde aber nicht berücksichtigt, dass Fachkreise ein anderes Hintergrundwissen aufwiesen als der durchschnittliche Verbraucher.

Ausblick

Die ausstehende Entscheidung des EuGH ist von höchster praktischer Relevanz. Ist der Anwendungsbereich der HCVO hinsichtlich Fachkreiswerbung eröffnet, müssen kommerzielle Mitteilungen an Fachkreise, die – wie in der Regel – der Werbung dienen, sämtlichen Anforderungen nach der HCVO genügen. Insbesondere wären dann auch gegenüber Fachkreisen nur solche Health Claims zulässig, die in die von der Kommission geführte Liste aufgenommen sind. Ferner müsste auch die Nährwertkennzeichnung auf die Angaben im Rahmen der Fachkreiswerbung abgestimmt werden. Verneint der EuGH hingegen eine Anwendung der HCVO auf Fachkreiswerbung, so wären die darin geregelten Einschränkungen und Anforderungen nicht zu beachten. Health-Claims wären gegenüber Fachkreisen grundsätzlich zulässig, solange sie nicht irreführend sind. Die Entscheidung des EuGH wird zu einer wichtigen Auslegungsfrage betreffend die HCVO Klarheit und insgesamt hoffentlich ein Stück mehr Rechtssicherheit bringen.

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