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Europäische Kommission veröffentlicht zweiten Jahres­bericht über die Über­prüfung ausländischer Direkt­investitionen

19.09.2022

Am 01. September 2022 hat die Europäische Kommission („Kommission“) ihren zweiten Jahresbericht über die Anwendung der EU-Verordnung über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (ADI) (Verordnung (EU) 2019/452, im Folgenden „Verordnung über die Überprüfung von ADI“) veröffentlicht.

Wie bei dem ersten Bericht erfolgte die Veröffentlichung des zweiten Jahresberichts über die Überprüfung von ADI zeitgleich mit der Veröffentlichung des Jahresberichts über die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, dem zweiten Bericht über die Ausfuhrkontrolle gemäß der aktualisierten Dual Use-Verordnung (Verordnung (EU) 2021/821). Bei der Verordnung über die Überprüfung von ADI und der Dual Use-Verordnung handelt es sich um wesentliche Mechanismen zur strategischen Handels- und Investitionskontrolle in sicherheitsrelevanten Bereichen der EU.

Unseren News-Beitrag zum ersten Jahresbericht finden Sie hier (in englischer Sprache).

Wesentliche Erkenntnisse und Trends

Der zweite Jahresbericht markiert das Ende des zweiten vollen Anwendungsjahres der Verordnung über die Überprüfung von ADI (nach ihrem Inkrafttreten am 11. Oktober 2020) und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Jahr 2021.

Der COVID-bedingte Rückgang bei den ausländischen Investitionen scheint Geschichte zu sein, nachdem ADI in der EU im Jahr 2021 wieder über das Niveau von 2019 (+ 11 %) anstiegen. Bei genauerer Betrachtung der Zielsektoren zeigt sich, dass ADI in IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) und das verarbeitende Gewerbe die Wachstumsmotoren waren. Dieser Aufwärtstrend bei den Investitionen ist offenbar eine Bestätigung des Ziels der EU, für ausländische Investitionen offen zu bleiben.

Die meisten ausländischen Investoren kamen 2021 aus den Vereinigten Staaten, gefolgt von dem Vereinigten Königreich. Bemerkenswert bei diesem Wiederanstieg ist, dass China und Japan jeweils unter dem Niveau von 2020 blieben. Der Bericht legt nahe, dass strenge Kapitalkontrollen Chinas und die Konzentration der Investitionstätigkeit chinesischer Investoren in Kernindustriesektoren diesen Trend in Bezug auf China erklären könnten.

Deutschland war mit 16,4 % aller Übernahmen durch ausländische Investoren 2021 in der EU das ADI-Zielland mit dem höchsten Anteil und verzeichnete gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg von 20 % bei der Zahl der Transaktionen. Deutliche Anstiege gegenüber 2020 konnten auch in Spanien, Frankreich und den Niederlanden beobachtet werden, die mit einem Anteil von 13,8 %, 10,7 % bzw. 10,5 % der Auslandstransaktionen auf Deutschland folgen.

In Hinblick auf den Transaktionswert lag der Wert bei den meisten Transaktionen unter EUR 500 Millionen; bei 34 % der Transaktionen jedoch über EUR 500 Millionen.

Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten und Entwicklungen

Auch wenn die Einführung eines nationalen Überprüfungsmechanismus im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt und optional bleibt, hat die Kommission die Bedeutung eines solchen Mechanismus bei diversen Gelegenheiten hervorgehoben. Die meisten EU-Mitgliedstaaten haben seither einen nationalen Überprüfungsmechanismus eingeführt oder sind dabei, diesen einzurichten. Bulgarien und Zypern sind gegenwärtig die einzigen Ausnahmen.

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Es bestehen auch weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen den EU-Staaten hinsichtlich der Bedingungen für die Einleitung einer förmlichen Überprüfung einer Auslandstransaktion, insbesondere bei den geltenden Fristen, bei den Wirtschaftszweigen, auf die der Mechanismus anzuwenden ist, sowie hinsichtlich der für Mitteilungen geltenden Anforderungen.

Gesundheitsversorgung und Energie sind zwei Schlüsselbereiche, die von der Pandemie und den Unterbrechungen der globalen Lieferketten in besonderem Maße betroffen waren, sodass sich viele EU-Staaten für ein Eingreifen und für die Einführung bzw. Ausweitung von Überprüfungsmechanismen zur Abdeckung dieser Bereiche entschieden. In der Folge haben 2021 drei Mitgliedstaaten einen neuen Überprüfungsmechanismus eingeführt, sechs Mitgliedstaaten ihren bestehenden Überprüfungsmechanismus geändert und sieben ein Konsultations- oder Gesetzgebungsverfahren zur Einrichtung eines solchen Mechanismus eingeleitet. Insgesamt verfügen zwei Drittel der EU Mitgliedstaaten über Rechtsvorschriften zur Überprüfung von ADI. Deutschland hat seiner Liste neuer oder sensibler Technologien 16 neue Fallgruppen hinzugefügt. Weitere Informationen zu diesem Thema können Sie unseren diesbezüglichen News-Beiträgen hier und hier entnehmen.

Es bleibt bei der ungleichen Verteilung der Anzahl der Genehmigungsanträge zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Etwa 70 % aller Genehmigungsanträge und von Amts wegen eingeleiteter Fälle im Jahr 2021 entfielen auf nur vier Mitgliedstaaten. In Hinblick auf Transaktionen, die einer nationalen Überprüfung unterzogen wurden, übermittelten 13 Mitgliedstaaten insgesamt 414 Mitteilungen, in dem vom ersten Jahresbericht umfassten Zeitraum waren es dagegen 11. Über 85 % dieser Mitteilungen im Jahr 2021 kamen aus fünf Mitgliedstaaten, nämlich Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien.

Wesentliche Unterschiede zum ersten Jahresbericht über die Überprüfung von ADI

Obgleich die Genehmigungsanträge in der EU noch immer nicht gleichmäßig verteilt sind, gibt es seit dem ersten Jahresbericht, bei dem diese Zahl bei 86,5 % lag, vorsichtige Anzeichen einer Diversifizierung.

Für 2021 ist ein Anstieg des Anteils förmlich geprüfter Fälle zu verzeichnen (2020: 20 %, 2021: ca. 29 %). Dies könnte bedeuten, dass nationale Behörden größeres Augenmerk darauf legen, was als potenziell kritisch einzustufen ist.

Gegenüber 2020 hat sich die Anzahl der Fälle, in denen risikomindernde Maßnahmen (Auflagen) erforderlich waren, fast verdoppelt: Von 12 % im Jahr 2020 auf 23 % im Jahr 2021. Die Mitgliedstaaten blockierten 2021 jedoch nur 1 % der Transaktionen, während es 2020 noch 2 % waren.

Es gab seitens der Kommission keine Überprüfung einer Investition von Amts wegen gemäß Artikel 7 der Verordnung über die Überprüfung von ADI, der es der Kommission ermöglicht, Investitionen mit einem Mitgliedstaat zu überprüfen, und zwar unabhängig davon, ob dieser Mitgliedstaat über einen eigenen Überprüfungsmechanismus verfügt (Artikel 7 der Verordnung über die Überprüfung von ADI).

Künftige Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine

Angesichts der weitreichenden und umfassenden Sanktionen, die aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gegen Russland und Belarus verhängt wurden, werden russische und belarussische Direktinvestitionen in der EU strenger geprüft. Dies geht über ein bloßes Blockieren von Investitionen seitens mit Finanzsanktionen belegter Personen oder Unternehmen hinaus. Jede Investition in sensible Bereiche in der EU, die Personen oder Unternehmen betrifft, die Verbindungen zu der russischen oder der belarussischen Regierung haben, kann als Bedrohung für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung in der EU und in ihren Mitgliedstaaten angesehen werden.

In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission im April 2022 Leitlinien für die Mitgliedstaaten zum Umgang mit ADI aus Russland und Belarus herausgegeben. In diesen Leitlinien ruft die Kommission zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber russischen und belarussischen ADI in der EU und zur Unterstützung bei der Einhaltung der diese Investitionen betreffenden restriktiven Maßnahmen in der EU auf.

Abschließenden Bemerkungen

Wir stellen fest, dass die Verordnung nun die Konsolidierungsphase erreicht hat und positive Entwicklungen zu verzeichnen sind, trotz des Umstands, dass ADI-Mitteilungen die Komplexität von M&A Deals weiter erhöhen. So konnten von den 414 geprüften Mitteilungen 86 % in Phase 1 abgeschlossen werden, nur 11 % gingen in Phase 2. Der starke Anstieg von Freigaben unter Auflagen belegt, dass die nationalen Regierungen vor einer strikten Durchsetzung nicht zurückschrecken. Nur 3 % der Fälle führten zu einer Stellungnahme der Kommission, was verdeutlicht, dass das Hauptaugenmerk weiterhin auf wenigen Fällen liegt, die potenziell eine Bedrohung für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung darstellen könnten.

Angesichts dessen, dass die Kommission die Bedeutung nationaler Überprüfungsmechanismen in allen 27 Mitgliedstaaten und die Angleichung dieser Mechanismen zum Schutz der EU vor potenziell riskanten Investitionen aus Drittländern hervorhebt, gehen wir davon aus, dass die ADI-Kontrolle weiterhin ein Schwerpunkt der Kommission bleiben wird, der höchste Priorität genießt.

Schließlich hat die Kommission 2021 eine Studie über den ADI-Kooperationsmechanismus eingeleitet, mit dem Ziel, die Zusammenhänge zwischen den von den nationalen Behörden und von der Kommission durchgeführten Überprüfungen zu bewerten und signifikante Effizienz- oder Wirksamkeitsprobleme im gegenwärtigen System zu ermitteln. Das Ergebnis der Studie (die bald veröffentlicht werden dürfte) wird in die für 2023 geplante Bewertung der Verordnung über die Überprüfung von ADI durch die Kommission einfließen.

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