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FAQ zur AÜG-Reform: Teil 3 – Die Festhaltens­erklärung

11.09.2017

Mit dem am 1. April 2017 in Kraft getretenen „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetztes und anderer Gesetze“ ist eine neue Art der rechtsgestaltenden Erklärung – die Festhaltenserklärung – zum Schutz der Berufsfreiheit des Leiharbeitnehmers eingeführt worden. Leiharbeitnehmer erhalten damit eine Widerspruchsmöglichkeit gegen den – anderenfalls verfassungsrechtlich bedenklichen – Arbeitgeberwechsel kraft gesetzlicher Fiktion, den das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vorsieht.

Wir haben diese neuartige Form der Willenserklärung und ihre Rechtsfolgen eingehend untersucht und klären nun die wichtigsten Praxisfragen in Bezug auf Wirksamkeitsvoraussetzungen, Rechtsfolgen und Möglichkeiten der Einflussnahme durch den Arbeitgeber.

In welchen Fällen besteht ein Widerspruchsrecht des Leiharbeitnehmers?

Leiharbeitnehmern steht immer dann ein Widerspruchsrecht zu, wenn das AÜG den Wechsel des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher anordnet:

 

 

Welche Rechtsfolgen resultieren aus der wirksamen Abgabe einer Festhaltenserklärung durch den Leiharbeitnehmer?

Die wirksame Abgabe einer Festhaltenserklärung hat nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 – 1b AÜG zur Folge, dass „der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nicht unwirksam“ wird. Dabei sprechen gute Argumente dafür, dass die Festhaltenserklärung ex tunc wirkt, die Unwirksamkeitsfolge also rückwirkend gar nicht erst eintritt. Das Leiharbeitsverhältnis mit dem Verleiher bleibt also durchgehend wirksam, so dass zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet worden ist.

Damit führt eine Festhaltenserklärung nach § 9 Abs. 4 AÜG auch nicht zum Wegfall der gesamtschuldnerischen Haftung von Verleiher und Entleiher für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge gem. § 28 e Abs. 2 S. 4 SGB IV für den Leiharbeitnehmer.

Zu beachten ist jedoch, dass die Festhaltenserklärung keineswegs den vorangegangenen Rechtsverstoß legalisiert. Unabhängig von der Abgabe einer Festhaltenserklärung können Verstöße gegen die Erlaubnispflicht, das Offenlegungsgebot oder die Überlassungshöchstdauer weiterhin als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Festhaltenserklärung ermöglicht allein arbeitsrechtlich das Festhalten am bisherigen Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher und schützt damit die Berufsfreiheit des Leiharbeitnehmers, jedoch nicht das Festhalten an einer rechtswidrigen Einsatzpraxis. Damit kann durch die Festhaltenserklärung beispielsweise niemals die Verlängerung des Einsatzes beim Entleiher über die zulässige Überlassungshöchstdauer hinaus erreicht werden.

Welchen Inhalt muss eine Festhaltenserklärung haben?

Die Festhaltenserklärung ist eine sog. rechtsgestaltende, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muss daher hinreichend bestimmt und unbedingt sein. Sie sollte daher neben Name und Anschrift des Leiharbeitnehmers auch den Vertragsarbeitgeber und den Entleiher aufführen. Nicht erforderlich ist hingegen eine spezifische Angabe von Gründen und Ursachen der Erklärung.

Die Erklärung kann daher wie folgt formuliert werden: 

„Mir, [Vor- und Zuname des Arbeitnehmers], wohnhaft in [Anschrift des Leiharbeitnehmers] ist bekannt, dass nach dem Gesetz ein Arbeitsverhältnis zwischen mir und [Bezeichnung des Entleihers] als zustande gekommen gilt. Ich widerspreche der Entstehung eines Arbeitsverhältnisses mit [Bezeichnung des Entleihers]. Ich erkläre, dass ich stattdessen an meinem bisherigen Arbeitsvertrag mit [Bezeichnung des Verleihers] festhalte.“

Welche weiteren formellen Voraussetzungen sind zu beachten?

Das Widerspruchsrecht wird durch die Abgabe einer Festhaltenserklärung ausgeübt. Deren Wirksamkeit unterliegt jedoch strengen formellen Voraussetzungen, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Erklärung führt:

Form: Die Festhaltenserklärung bedarf der Schriftform. Dem Empfänger muss daher ein vom Leiharbeitnehmer unterschriebenes Originaldokument zugehen.
Adressat: Dem Leiharbeitnehmer steht ein Wahlrecht zu. Er darf die Festhaltenserklärung wahlweise entweder gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher abgeben. Zur Sicherheit sollte sich der Leiharbeitnehmer den Zugang der Erklärung bestätigen lassen.
Frist: Der Leiharbeitnehmer muss die Festhaltenserklärung innerhalb einer Frist von einem Monat abgeben. Maßgeblich ist dabei der Zugang beim Empfänger. Für die Fristberechnung gelten die §§ 187 ff. Bürgerliches Gesetzbuch.

Vorlage bei der Bundesagentur für Arbeit:

Die Festhaltenserklärung ist darüber hinaus gem. § 9 Abs. 2 AÜG nur wirksam, wenn

„1. der Leiharbeitnehmer diese vor ihrer Abgabe persönlich in irgendeiner Agentur für Arbeit vorlegt,

2. diese Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat, und

3. die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Ver- oder Entleiher zugeht.“

Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass sich Verleiher oder Entleiher bereits vor der Überlassung undatierte Festhaltenserklärungen oder Blanko-Vollmachten der Leiharbeitnehmers ausstellen lassen, um bei Bedarf fristgerecht eine Festhaltenserklärung vorlegen zu können.

Wann beginnt die Monatsfrist zu laufen?

Die Monatsfrist beginnt zu laufen, sobald das Arbeitsverhältnis zum Verleiher unwirksam und kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert wird. Dabei sind bei der Bestimmung des Fristbeginns folgende Konstellationen zu unterscheiden:

  • Arbeitnehmerüberlassung ist von Beginn an unwirksam (illegale und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung): Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Überlassung des Leiharbeitnehmers an den Entleiher.
  • Unwirksamkeit tritt erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein (Überschreitung der Überlassungshöchstdauer, nachträglicher Wegfall der Überlassungserlaubnis oder erst während der Vertragsabwicklung eintretende Verlagerung des Weisungsrechts auf den Werkbesteller/Auftraggeber): Die Frist beginnt mit dem Eintritt des Ereignisses, das die Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher begründet.

Somit knüpft der Fristbeginn allein an das objektive Merkmal der Arbeitnehmerüberlassung und deren Unwirksamkeit an. Auf die subjektive Kenntnis des Leiharbeitnehmers von den maßgeblichen Tatsachen und ihrer rechtlichen Bewertung kommt es dagegen nicht an.

Dies stellt den Rechtsanwender gerade bei der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung vor große praktische Probleme, da die Bewertung einer Kooperation als Arbeitnehmerüberlassung trotz Abschlusses eines Werk- oder Dienstvertrags sehr komplex und selten rechtssicher vorzunehmen ist. Besonders kritisch sind dabei Fälle, in denen sich eine solche Kooperation erst im Laufe der Durchführung in Richtung einer Arbeitnehmerüberlassung entwickelt. Den genauen Zeitpunkt eines tatsächlichen „Umschlagens“ in die Arbeitnehmerüberlassung wird nicht ermittelbar sein. Im Ergebnis wird die Frist aufgrund mangelnder Kenntnis des Leiharbeitnehmers in diesen Fällen häufig ungenutzt verstreichen.

Hat der Fristbeginn eine besondere Bedeutung?

Dem Fristbeginn für die Abgabe einer Festhaltenserklärung kommt außer der Berechnung des Zeitpunkts des Fristablaufs eine weitere Bedeutung zu: Der Fristbeginn stellt den frühestmöglichen Zeitpunkt einer wirksamen Erklärungsabgabe dar. Eine vor Fristbeginn abgegebene Festhaltenserklärung ist nach § 9 Abs. 3 AÜG schlicht unwirksam. Hierdurch soll verhindert werden, dass Verleiher oder Entleiher bereits vorsorglich eine wirksame Festhaltenserklärung vom Leiharbeitnehmer verlangen können.

Wann endet die Frist?

Die Frist endet mit dem Ablauf eines Monats ab Fristbeginn, genauer gesagt mit dem Ende des Tages des Folgemonats, der durch seine Zahl dem Tag des Fristbeginns entspricht. Sollte also die illegale oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung am 4. September 2017 begonnen haben, muss die Festhaltenserklärung dem Empfänger (wahlweise Entleiher oder Verleiher) unter Berücksichtigung aller formalen Erfordernisse spätestens am 4. Oktober 2017, 23.59 Uhr zugegangen sein.

Was können Unternehmen tun, um die Abgabe einer Festhaltenserklärung zu fördern?

Sowohl Verleiher als auch Entleiher können ein Interesse daran haben, dass durch Abgabe einer Festhaltenserklärung die ungewollte Entstehung eines Arbeitsverhältnisses bzw. der Verlust eines bewährten Mitarbeiters abgewendet wird.

Dabei ist es jedoch nicht möglich, bereits vor Fristbeginn eine Blankoerklärung einzuholen oder gar in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.

Unternehmen können Leiharbeitnehmer jedoch auf die Widerspruchsmöglichkeit hinweisen, eine Gegenleistung für die Abgabe einer Festhaltenserklärung anbieten und vorformulierte Festhaltenserklärungen zur Verfügung stellen.

Wie sollten Unternehmen auf den Erhalt einer Festhaltenserklärung reagieren?

Ein Unternehmen wird erst dann mit einer Festhaltenserklärung konfrontiert, wenn ein Arbeitnehmer einen Rechtsverstoß im Rahmen seines Einsatzes vermutet. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Einsatz als Leiharbeitnehmer die Überlassungshöchstdauer überschreitet. Ebenso sind jedoch Fälle denkbar, in denen Arbeitnehmer im Rahmen von geplanten Werk- oder Dienstverträgen eingesetzt sind, aber das tatsächliche Vorliegen von Leiharbeit vermuten.

Der Erhalt einer Festhaltenserklärung muss von Unternehmen – egal ob Verleiher oder Entleiher – ernst genommen werden. Der Einsatz des Mitarbeiters sollte daher sofort gestoppt werden, um weitere negative Rechtsfolgen zu vermeiden. Die beteiligten Unternehmen sollten sodann die Wirksamkeit der Festhaltenserklärung sowie den vorgeworfenen Rechtsverstoß klären. Wo erforderlich, ist der Einsatz endgültig abzustellen.

Aufgrund der Informationsweitergabe der Behörden müssen Unternehmen ferner damit rechnen, dass Ermittlungen gegen sie eingeleitet werden. Diese können beispielsweise zur Verhängung von Bußgeldern oder dem Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis führen.

Im Ergebnis bleibt die Festhaltenserklärung ein Indiz für einen Rechtsverstoß von Verleiher und Entleiher. Unternehmen sollten daher rechtzeitig bestehende und künftige Kooperationen überprüfen und erforderlichenfalls anpassen oder gar beenden. Gerne helfen wir Ihnen hierbei mit unserem HR-Compliance-Healthcheck. Wenn Sie hierzu weitere Fragen haben kontaktieren Sie bitte Lars Kutzner oder Daniel Happ.

Arbeitsrecht

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