News

Fünfte Sanktionsrunde der EU gegen das Putin-Regime in der Ukraine-Krise

11.04.2022

Nach den Gräueltaten in Butscha und anderen Gebieten, aus denen die russischen Truppen kürzlich vertrieben wurden, hat sich die EU auf ein fünftes Maßnahmenpaket verständigt, mit dem Ziel, das russische Finanz- und Wirtschaftssystem weiter zu schwächen. Zum ersten Mal sind hierbei auch Beschränkungen auf russische Energieexporte verhängt worden.

Mit diesem neuen Paket werden die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russland, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen und die Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine, geändert. Das Paketbesteht aus den folgenden sechs Säulen:

Beschränkungen für bestimmte fossile Brennstoffe

Erstens scheut die EU mit den neuen Maßnahmen vor Beschränkungen für fossile Brennstoffe nicht mehr gänzlich zurück. Ab August 2022 wird es verboten sein, Kohle und andere feste fossile Brennstoffe unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, in die Union einzuführen oder zu verbringen, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt werden, wodurch Russland Einnahmen in einem geschätzten Wert von 8 Milliarden Euro pro Jahr entgehen, Art.3j und Anhang XXII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.

Finanzsanktionen gegen vier wichtige russische Banken nach vorherigem Ausschluss aus dem SWIFT-System

Zweitens verstärkt die EU ihre Finanzsanktionen gegen Russland erheblich und in einer Weise, die voraussichtlich empfindliche Auswirkungen auf Zahlungen aus und nach Russland haben wird. Die EU hat nun vier wichtige russische Banken gelistet, namentlich die Bank Otkritie, die Novikombank, die Sovcombank und VTB, d.h. die zweitgrößte russische Bank. Damit geht einher, dass diesen Banken keine Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen, was einem vollständigen Transaktionsverbot mit diesen Banken gleichkommen dürfte Art. 2 Abs. 2 und Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 n.F. Auf diese vier Banken, die zuvor bereits aus dem SWIFT-System ausgeschlossen worden waren, entfallen 23 % des Marktanteils im Bankensektor.

Zu beachten ist jedoch, dass die zuständigen Behörden in einem Mitgliedstaat die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen an die folgenden Einrichtungen genehmigen können, wenn diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen für die Beendigung von vor dem 23. Februar 2022 mit diesen Einrichtungen geschlossenen Operationen, Verträgen oder anderen Vereinbarungen, einschließlich Korrespondenzbankbeziehungen, bis zum 24. August 2022 erforderlich sind, Art. 6b Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 n.F.: Bank Rossiya, Promsvyazbank, VEB.RF (alias Vnesheconombank – VEB).

Die gleiche Ausnahme gilt für die Otkritie FC Bank (vormals NOMOS Bank), Novikombank, Sovcombank (vormals Buycombank) und die VTB Bank, wenn diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen für die Beendigung von vor dem 8. April 2022 mit diesen Einrichtungen geschlossenen Operationen, Verträgen oder anderen Vereinbarungen, einschließlich Korrespondenzbankbeziehungen, bis zum 9. Oktober 2022 erforderlich sind. Abweichend können die zuständigen Behörden in einem Mitgliedstaat die Freigabe bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen an eine natürliche oder juristische Person, Einrichtung oder Organisation genehmigen, wenn die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen für den Verkauf und die Übertragung von Eigentumsrechten bis zum 9. Oktober 2022 erforderlich sind, Art. 6b Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 n.F. Die Deutsche Bundesbank hat erklärt, dass es sich bei der VTB Bank (Europe) SE nicht um ein kontrolliertes Unternehmen handelt, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat der PJSC VTB Bank die Ausübung von Stimmrechten über die VTB Bank (Europe) SE untersagt.

Weitreichende Schließung europäischer Häfen und Beschränkungen auf Transitrechte – mit zahlreichen Ausnahmen

Drittens verbietet die EU Schiffen, die unter der Flagge Russlands registriert sind, den Zugang zu europäischen Häfen. Ausgenommen hiervon sind Schiffe, deren Zugang zu europäischen Häfen für den Kauf oder Transport bestimmter Waren wie Energie, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel oder zu humanitären Zwecken erforderlich ist, Art. 3ea der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. Weiterhin ist es nunmehr russischen (Art. 3l der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.) und belarussischen (Art. 1zc der Verordnung (EC) Nr. 765/2006 n.F.) Kraftverkehrsunternehmen verboten, die EU zu durchqueren, außer im Rahmen der Beförderung von Produkten wie Erdgas und Erdöl, Titan, Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Eisenerz, pharmazeutischen, medizinischen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln und für humanitäre Zwecke.

Gezielte Ausfuhrverbote

Viertens verhängt die EU gezielte Ausfuhrverbote in besonders sensiblen Bereichen wie fortgeschrittene Halbleiter, Quanteninformatik, hochwertige Elektronikerzeugnisse, Software, Flugzeugtreibstoff, Maschinen und Geräte, Transportausrüstungen und diverse Rohstoffe und Industriewaren in einem geschätzten Wert von 10 Mrd. Euro, Art. 2a mit erweitertem Anhang VII, Art. 3c mit Anhang XX und Art. 3k mit Anhang XXIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.

Neue Einfuhrverbote

Fünftens verhängt die EU neue Einfuhrverbote für Produkte wie Holz, Zement, Kautschuk, Spirituosen, Likör und erlesene Meeresfrüchte, wodurch Russland Einnahmen in einem geschätzten Wert von 5,5 Mrd. Euro pro Jahr entgehen, Art. 3i und Anhang XXI der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.

Gezielte Maßnahmen betreffend u.a. Vergabeverfahren und die Unterstützung russischer öffentlicher Einrichtungen

Sechstens ergreift die EU eine Reihe weiterer gezielter Maßnahmen wie ein allgemeines Verbot der Teilnahme russischer Unternehmen an der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU, Art. 5k der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F., und der Ausschluss jeglicher finanziellen Unterstützung seitens der EU oder ihrer Mitgliedstaaten für öffentliche Einrichtungen in Russland, Art. 5l der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. Neu ist zudem das erweiterte Verbot für Einlagen in Krypto-Wallets mit russischem Bezug und des Verkaufs von Banknoten und übertragbarer Wertpapiere in allen amtlichen EU-Währungen an Russland (Art. 5b, 5f, 5i der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.) und Belarus (Art. 1y und 1za der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 n.F.).

Ergänzend: Liste der sanktionierten Personen und Einrichtungen wird länger

Zudem hat die EU weitere Personen und Einrichtungen auf die Liste gesetzt, die die russische Invasion der Ukraine materiell oder finanziell unterstützten oder von ihr profitierten, wie z. B. führende Geschäftsleute, hochrangige Beamte und Familienangehörige von bereits sanktionierten Personen. Auch gegen Minister und Mitglieder des Volksrats der sogenannten „Donezker Volksrepublik“ und der sogenannten „Luhansker Volksrepublik“ werden restriktive Maßnahmen verhängt.

Dadurch wurden 216 Personen und 18 Einrichtungen in die in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 enthaltene Liste der Personen, Einrichtungen und Organisationen, gegen die restriktive Maßnahmen verhängt wurden, aufgenommen. Insgesamt gelten die restriktiven Maßnahmen der EU (Vermögenseinfrierung und Reiseverbot) nun für 1091 Personen und 80 Einrichtungen.

Ausblick

Mit dieser fünften Sanktionsrunde verschärft die EU ihre Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland erheblich – und erhöht die extreme Komplexität ihres Sanktionsregimes weiter. Während jedes Detail der neuen Maßnahmen für sich genommen volle Aufmerksamkeit verdient, sind zwei Aspekte mit Blick auf die Zukunft besonders bemerkenswert.

An erster Stelle ist der Umstand zu nennen, dass die EU nicht mehr vor Beschränkungen für fossile Brennstoffe zurückschreckt und erstmals die russischen Energieexporte direkt ins Visier genommen hat. Zusätzliche weitreichende Restriktionen werden damit in diesem Bereich immer wahrscheinlicher. Die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst arbeiten bereits an neuen Vorschlägen für mögliche weitere Sanktionen, unter anderem gegen Erdöleinfuhren.

Zweitens ist beachtlich, dass die EU sich für ein – de facto – vollständiges Transaktionsverbot gegen vier Banken entschieden hat, das voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf Zahlungen nach und aus Russland haben wird. Dies deutet darauf hin, dass weitere Finanzsanktionen folgen könnten.

 


Weitere Informationen finden Sie auch in unserem Ukraine-Russia Crisis Center

 

Außenwirtschaftsrecht & Investitionskontrolle
Banking & Finance
Energie & Infrastruktur
Finanzdienstleistungsaufsicht
Regulierung & Governmental Affairs
Einkauf Logistik & Vertrieb
Ukraine Crisis Center

Share