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Gesellschafter­beschlüsse in Textform Reichweite

04.05.2020

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (“Covid-19-Gesetz”) ist am 28.03.2020 in Kraft getreten. In Artikel 2 Covid-19-Gesetz sind Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts vorgesehen. Diese betreffen unter anderem die Erleichterung von präsenzlosen Beschlussfassungen im GmbH-Gesellschafterkreis. Artikel 2 § 2 des Covid-19-Gesetz sieht vor, dass vorübergehend – in Abänderung von § 48 Abs. 2 GmbHG   Beschlüsse der Gesellschafter in Textform auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können. Die Regelung gilt nur für Gesellschafterversammlungen, die im Jahr 2020 stattfinden, und kann durch Rechtsverordnung des BMJV bis höchstens zum 31. Dezember 2021 verlängert werden (Artikel 2 § 8 Covid-19-Gesetz).

Das Covid-19-Gesetz beinhaltet keine Änderungen des Personengesellschaftsrechts. Somit erleichtert das Gesetz in unmittelbarer Anwendung auch nicht Beschlussfassungen bei der praktisch eine große Rolle spielenden GmbH & Co KG. Ob für eine analoge Anwendung Raum ist, die eine Regelungslücke im Covid-19-Gesetz voraussetzen würde, ist fraglich. Das LG Köln hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nun aktuell entschieden, dass Beschlussfassungen in Anwendung des Covid-19-Gesetzes bei einer GmbH & Co KG unzulässig sind.

Gemäß Gesetzesbegründung sollen mit den Ausnahmegesetz Folgen der eingeschränkten Versammlungsmöglichkeiten abgemildert werden, die sonst erhebliche Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit von Gesellschaften hätten. Dies gelte insbesondere für wesentliche Finanzierungsmaßnahmen, für die auch angesichts der Pandemie keine Verzögerung eintreten dürfe.

In der Praxis wird derzeit diskutiert, ob die Neuregelung von Artikel 2 § 2 des Covid-19-Gesetzes auch bei GmbHs Anwendung findet, deren Gesellschaftsvertrag – wie häufig – für Beschlussfassungen außerhalb von Präsenztreffen das Einverständnis aller Gesellschafter vorsieht. Anlass für die Diskussion ist, dass in § 45 Abs. 2 GmbHG ein grundsätzlicher Vorrang von Satzungsregelungen vor Gesetzesregelungen statuiert ist. Das Covid-19-Gesetz lässt diese Norm unberührt. Insofern spricht systematisch viel dafür, dass der im Gesellschaftsvertrag niedergelegte Wille der Gesellschafter nach wie vor der Regelung in § 48 Abs. 2 GmbHG vorgeht. Damit ist zwar der Anwendungsbereich des Covid-19-Gesetzes im Fall von GmbH-Beschlussfassungen deutlich reduziert, da viele Satzungen das Einverständnis aller Gesellschafter zu Beschlussfassungen außerhalb von Präsenzversammlungen vorsehen. Das dürfte aber gesetzessystematisch hinzunehmen zu sein.

Auch dies hat das LG Köln inzwischen in einem weiteren Verfügungsverfahren bestätigt. Noerr LLP hat eine einstweilige Verfügung auf Untersagung von GmbH-Beschlussfassungen in Textform erwirkt, da entgegen dem Satzungserfordernis nicht das Einverständnis aller Gesellschafter hierzu vorlag. Einstweilige Verfügungen im Vorfeld von Gesellschafterversammlungen werden nur in Ausnahmefällen stattgegeben. In der Regel verweisen die Gerichte auf nachträglichen Rechtsschutz gegen etwaig gefasste Gesellschafterbeschlüsse. Einen solchen Ausnahmefall hat das LG Köln hier angenommen: die Beschlussfassung unter Verstoß gegen § 45 Abs. 2 GmbHG würde einen so gravierenden Mangel darstellen, dass bereits die Beschlussfassung als solche zu verhindern sei. Etwaige Beschlüsse wären nichtig.

Wegen der drohenden Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses, der unter Verstoß gegen Regelungen des Gesellschaftsvertrags gefasst wurde, sollte von der in Artikel 2 § 2 Covid-19-Gesetz vorgesehenen Erleichterung für das Fassen von GmbH Gesellschafterbeschlüssen daher nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn die Satzung der Gesellschaft keine oder dem Gesetzeswortlaut entsprechende Regelungen zur Beschlussfassung außerhalb von Präsenzsitzungen vorsieht. 

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