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Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (StAbwG)

03.05.2021

Am 1.4.2021 hat die Bundesregierung dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetzes zugeleitet (den Entwurf finden Sie hier). Kern des geplanten Gesetzes ist die Einführung eines Steueroasen-Abwehrgesetzes (StAbwG).

Ziel des Gesetzes

Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, Steueroasen auszutrocknen. Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete sollen dazu angehalten werden, Anpassungen in Richtung einer Umsetzung und Beachtung internationaler Standards im Steuerbereich vorzunehmen. Betroffen sind ausschließlich Geschäftsbeziehungen mit und in Staaten und Gebieten, die auf der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke („schwarze Liste“ bzw. „EU-Blacklist“) stehen. Auf der EU-Blacklist stehen derzeit 12 Staaten, darunter Panama und die Seychellen (sowie außerdem die Amerikanischen Samoa-Inseln, Anguilla, Dominica, Fidschi, Guam, Palau, Samoa, Trinidad und Tobago, US Jungferninseln, Vanuatu). Die EU-Blacklist wird halbjährlich überprüft und ggf. aktualisiert. Zuletzt waren im Oktober 2020 die Cayman Islands von der Liste gestrichen worden, nachdem sie ihre Gesetzgebung in Bezug auf Investmentfonds angepasst hatten. Unter Beobachtung und damit als möglicher künftiger Kandidat für die EU-Blacklist wird die Türkei gehandelt, allerdings konnten sich die EU-Staaten in ihrer letzten Sitzung im Februar 2021 nicht einstimmig darauf verständigen.

Die neuen Regelungen sollen die im Jahr 2009 durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz eingeführten Regelungen im Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und der Abgabenordnung sowie der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung ersetzen.

Definition nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete

Nach der Definition in § 2 Abs. 1 StAbwG-E ist ein Steuerhoheitsgebiet nicht kooperativ, wenn es

  • keine hinreichende Transparenz in Steuersachen gewährleistet (§ 4 Abs. 1 StAbwG-E), oder
  • einen unfairen Steuerwettbewerb betreibt, insbesondere durch eine Niedrig- oder Nullbesteuerung selbst ohne tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit oder Präsenz im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet (§ 5 Abs. 1 StAbwG-E), oder
  • keine Verpflichtung zur Umsetzung der Mindeststandards des OECD/G20 BEPS-Projekts gegen Gewinnkürzung und Gewinnverschiebung abgeschlossen hat (§ 6 Abs. 1 StAbwG-E).

Zusätzlich muss das jeweilige Steuerhoheitsgebiet in der jeweils aktuellen Fassung der EU-Blacklist aufgeführt sein. Anders als noch im Referentenentwurf ergibt sich diese weitere Voraussetzung nicht aus § 2 StAbwG-E, sondern aus der Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 1 StAbwG-E. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung sollen das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium mit Zustimmung des Bundesrates nämlich eine Rechtsverordnung erlassen, in der die nach § 2 StAbwG-E nicht kooperativen Staaten genannt sind, wenn sie zusätzlich in der EU-Blacklist aufgeführt sind. Damit ist sichergestellt, dass unten dargestellten Maßnahmen keinesfalls in Bezug auf Steuerhoheitsgebiete zur Anwendung kommen, die nicht auf der EU-Blacklist geführt werden (s. Gesetzesbegründung, BR-Drs. 272/21, 19).

Rechtsfolgen und Restriktionen bei Geschäftsbeziehungen in und mit nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten

Unterhält ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet, reichen die steuerlichen Restriktionen

  • von Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugsverboten (§ 8 StAbwG-E),
  • einer verschärften Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG-E)
  • bis hin zur Versagung von Quellensteuererstattungen (§ 10 StAbwG-E)
  • sowie der Versagung von Steuerbefreiungen (§ 11 StAbwG-E).

a) Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugsverbot (§ 8 StAbwG-E)

Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet, dürfen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden. Dies gilt nur ausnahmsweise nicht, soweit die den Aufwendungen entsprechenden Erträge beim Empfänger der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen.

b) Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG-E)

Bei der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung gelten Gesellschaften, die in den nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten ansässig sind, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 AStG mit ihren sämtlichen Einkünften als Zwischengesellschaften. Die Art der Einkünfte (d.h. aktiv oder passiv), die Erfüllung des sog. Motivtests (§ 8 Abs. 2 AStG) oder das Unterschreiten der Freigrenze (§ 9 AStG) ist jeweils unbeachtlich. Entsprechendes gilt für nachgeschaltete Zwischengesellschaften i.S.d. § 14 AStG (ferner sind negative Einkünfte solcher Gesellschaften abweichend von § 14 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht zuzurechnen). Ausgenommen von der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung sind nur diejenigen Einkünfte oder Teile von Einkünften, soweit sie aus aktiven Tätigkeiten stammen und die den Erträgen entsprechenden Aufwendungen dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG unterlegen haben.

Für in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet gelegene Betriebsstätten gilt ebenfalls eine verschärfte Regelung. Danach ist die Switch-Over-Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG (d.h. Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode bei DBA-Betriebsstätten) auf sämtliche (d.h. aktive und passive) Einkünfte der Betriebsstätte anzuwenden. Die Ausnahme nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG ist nicht anzuwenden.

Die Regelungen zur verschärften Hinzurechnungsbesteuerung sollen nicht gelten, soweit deren Anwendung zu einer Besserstellung ggü. der normalen Hinzurechnungsbesteuerung führen würde (z.B. aufgrund der Verrechnung niedrig besteuerter passiver Einkünfte mit hoch besteuerten aktiven Einkünften).

c) Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG-E)

Ferner ist eine Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 49 EStG für natürliche Personen und Körperschaften vorgesehen, die in nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten ansässig sind. Betroffen davon sind unter anderem Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehensverhältnisse und Finanzierungsleasing), aus Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen, aus der Erbringung von Dienstleistungen (z.B. Rechts- und Beratungsleistungen und Onlinewerbung) und aus dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen, (i) sofern die jeweiligen Einkünfte bei unbeschränkter Steuerpflicht der Besteuerung unterlägen und (ii) soweit die diesen Einkünften entsprechenden Aufwendungen oder Werbungskosten bei einem anderen Steuerpflichtigen im Rahmen einer inländischen Veranlagung zu berücksichtigen wären. Dabei wird der Besteuerung des Einkünftebeziehers Vorrang vor dem Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugsverbot nach § 8 StAbwG-E eingeräumt.

Die Steuer beträgt 15% zzgl. SolZ und ist im Wege des Steuerabzugs einzubehalten und an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abzuführen.

d) Einschränkung der Steuerfreiheit von Dividenden und Veräußerungsgewinnen (§ 11 StAbwG-E)

Ferner sind Dividenden aus einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Körperschaft grundsätzlich weder nach § 8b Abs. 1 KStG noch nach einem DBA-Schachtelprivileg steuerfrei. Gleiches gilt für Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften aus nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten, die ebenfalls nicht unter die Steuerfreiheit in § 8b Abs. 2 KStG oder DBA-Steuerbefreiungen fallen sollen. Auch die Abgeltungsteuer und das Teileinkünfteverfahren finden auf derartige Bezüge keine Anwendung. Im Vergleich zum Referentenentwurf wurde zusätzlich eine Vorschrift für sog. Durchschüttungsfälle mit aufgenommen. Demnach sollen die o.g. Regelungen auch gelten, wenn der Steuerpflichtige die Bezüge von einer nahestehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG erhält, die ihrerseits entsprechende Bezüge von einer Körperschaft in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet erhalten hat, sofern auf die nahestehende Person selbst nicht die o.g. Regelungen oder vergleichbare ausländischen Regelungen angewendet worden sind.

Die o.g. Maßnahmen sollen keine Anwendung finden, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Ausschüttungen aus Beträgen resultieren, die beim Leistenden bereits der Quellenbesteuerung nach § 10 StAbwG-E unterlegen haben oder für die bereits das Abzugsverbot nach § 8 StAbwG-E angewendet worden ist.

Betroffene Steuerarten

Die Regelungen des StAbwG sollen auf alle Steuern und Steuervergütungen anzuwenden sein, die durch Bundes- oder EU-Recht geregelt sind und durch Bundes- oder Landesbehörden oder Gemeinden verwaltet werden, d.h. insbesondere auf die Körperschaftsteuer, die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer. Keine Anwendung finden die Einschränkungen dagegen auf die Umsatzsteuer (einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, § 1 Abs. 2 StAbwG-E).

Die Regelungen des StAbwG sollen den DBA-Vorschriften vorgehen (sog. Treaty Over-ride, § 1 Abs. 3 StAbwG-E).

Gesteigerte Mitwirkungspflichten

Vorgesehen sind darüber hinaus gesteigerte Mitwirkungspflichten, die über die nach § 90 AO hinausgehen (§ 12 StAbwG-E). Dies betrifft insbesondere eine detaillierte Darstellung und Dokumentation der Geschäftsbeziehungen und Vertragsverhältnisse, der eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte, der gewählten Geschäftsstrategien, der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse sowie der natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft im nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet beteiligt sind. Die Aufzeichnungen sind an die zuständige Finanzbehörde sowie in bestimmten Fällen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu übermitteln.

Erstmalige Anwendung

Die Regelungen sollen grundsätzlich erstmals ab dem 1.1.2022 anzuwenden sein (§ 13 Abs. 1 StAbwG-E). Abweichend davon sollen die Regelungen auf Steuerhoheitsgebiete, die am 1.1.2021 nicht auf der EU-Blacklist genannt waren, ab dem 1.1.2023 anzuwenden sein.

Auswirkungen für die Praxis

Die oben dargestellten Maßnahmen werden in dieser oder ähnlicher Form derzeit auch in anderen EU-Staaten vorangetrieben. Strukturen unter Einbeziehung von Steuerhoheitsgebieten der EU-Blacklist sollten auf ihre Vorteilhaftigkeit hin überprüft werden. Aber auch politisch würde die Umsetzung dieser Steueränderungen der EU mehr Macht bei Verhandlungen mit den Steueroasen bescheren, da eine Nennung auf der EU-Blacklist zu erheblichen steuerlichen Nachteilen für den jeweiligen Wirtschaftsstandort führen können.