Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) verabschiedet
11/14/2019
Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) ist für die Praxis nun in Sichtweite und wird voraussichtlich zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Der Bundestag hat heute den Gesetzesentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 13. November 2019 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Im Vergleich zum Regierungsentwurf (siehe hierzu Regierungsentwurf zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)) enthält der verabschiedete Gesetzesentwurf insbesondere Neuerungen für die Festsetzung der Vorstandsvergütung. Auch der Schwellenwert für Related Party Transactions wurde nochmals herabgesetzt.
1. Maximalvergütung des Vorstands – Festlegungspflicht des Aufsichtsrats und Möglichkeit der Herabsetzung durch die Hauptversammlung
Der Streit, ob die Zuständigkeit und Letztentscheidung für die Festsetzung der Vorstandsvergütung beim Aufsichtsrat verbleiben oder künftig in die Hände der Aktionäre in der Hauptversammlung gelegt werden soll, hatte das Gesetzgebungsverfahren zuletzt maßgeblich verzögert. Der verabschiedete Gesetzesentwurf sieht hierfür nun einen Mittelweg vor:
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Im Grundsatz bleibt es bei der schon im Regierungsentwurf angelegten Kompetenzverteilung: Der Aufsichtsrat ist für die Festlegung des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder zuständig; die Mitverantwortung der Arbeitnehmervertreter im mitbestimmten Aufsichtsrat bleibt insofern erhalten. Das erforderliche Votum der Hauptversammlung zum vorgelegten Vergütungssystem hat lediglich beratenden Charakter.
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Neu hinzugekommen ist, dass der Aufsichtsrat künftig gesetzlich verpflichtet ist, als Teil des Vergütungssystems eine Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder festzulegen (§ 87a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG-E). Die Festlegung einer Höchstgrenze für die Vorstandsvergütung ist bereits bislang verbreitete Praxis und entspricht einer Empfehlung des DCGK (vgl. Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 6 bzw. G.2 in der noch nicht in Kraft getretenen Fassung vom 9. Mai 2019).
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Die Hauptversammlung kann die vom Aufsichtsrat festgelegte Maximalvergütung für den Vorstand durch verbindliches Votum herabsetzen (§ 87 Abs. 4 AktG-E). Die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung bezieht sich jedoch nur auf die Herabsetzung der Maximalvergütung wie sie in dem durch den Aufsichtsrat beschlossenen Vergütungssystem festgelegt ist. In seiner konkreten Ausgestaltung verändern kann die Hauptversammlung die Maximalvergütung nicht. Auch für künftige, von der Hauptversammlung neu beschlossene Vergütungssysteme gilt das HV-Votum nicht weiter. Es hat auch keine Auswirkungen auf laufende Verträge.
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Zur Befassung der Hauptversammlung mit der Herabsetzung der Maximalvergütung ist ein Antrag zur Ergänzung der Tagesordnung gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG vor der Hauptversammlung erforderlich. Dies verlangt ein Mindestquorum von 5 % oder einen anteiligen Betrag von EUR 500.000 des Grundkapitals. Ein Antrag in der Hauptversammlung zu einem vorhandenen Gegenstand der Tagesordnung (§ 124 Abs. 4 Satz 2 AktG), z.B. dem beratenden Vergütungsvotum (§ 120a Abs. 1 AktG-E), genügt im Umkehrschluss nicht. Der Herabsetzungsbeschluss bedarf der einfachen Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG). Anders als das Votum zum Vergütungssystem (§ 120a Abs. 1 Satz 3 AktG-E) ist der Herabsetzungsbeschluss zur Maximalvergütung auch anfechtbar.
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Der Aufsichtsrat ist weitgehend frei, in welcher Form er die Maximalvergütung festlegt. Er kann die Maximalvergütung für den Gesamtvorstand oder jedes Vorstandsmitglied gesondert, getrennt nach Gruppen von Vorstandsmitgliedern (Vorstandsvorsitzender und ordentliche Vorstandsmitglieder), für variable und fixe Vergütungsbestandteile einheitlich oder gesondert festlegen. Die Maximalvergütung soll konkrete Zahlen benennen.
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Dem Aufsichtsrat verbleibt auch mit Blick auf die im Vergütungssystem vorgesehene Maximalvergütung die Möglichkeit, vorübergehend von dem Vergütungssystem abzuweichen, wenn dies im Interesse des langfristigen Wohlergehens der Gesellschaft notwendig ist und das Vergütungssystem das Verfahren des Abweichens sowie die Bestandteile des Vergütungssystems, von denen abgewichen wird, benennt (§ 87a Abs. 2 Satz 2 AktG-E). Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn die im Vergütungssystem festgelegte Maximalvergütung von der Hauptversammlung herabgesetzt wurde.
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Im Vergütungsbericht müssen Vorstand und Aufsichtsrat zu jedem einzelnen namentlich genannten Vorstandsmitglied erläutern, wie die festgelegte Maximalvergütung eingehalten wurde (§ 162 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AktG-E).
2. Vorstandsvergütung – langfristige und nachhaltige Ausrichtung der Vergütungsstruktur
Die bisherige Verpflichtung des Aufsichtsrats börsennotierter Gesellschaften, die Vergütungsstruktur für den Vorstand auf eine „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ auszurichten (§ 87 Abs. 1 Satz 2 AktG), wurde in der Praxis bislang überwiegend als eine rein zeitliche Maßgabe verstanden. Künftig ist die Vergütungsstruktur auf eine „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ auszurichten. Durch die Doppelung dieser Begriffe soll klargestellt werden, dass die Vergütungsanreize für den Vorstand auch die soziale und ökologische Entwicklung des Unternehmens in den Blick nehmen müssen.
3. Related Party Transactions (RPT) – Herabsetzung des Schwellenwerts
Der Schwellenwert für Geschäfte mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions, RPT) wurde von 2,5 Prozent auf 1,5 Prozent der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen nach Maßgabe des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses bzw. gebilligten Konzernabschlusses herabgesetzt (§ 111b Abs. 1, 3 AktG-E).
4. Identifikation der Aktionäre und Informationspflichten von Intermediären
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Die Regelungen zur Identifikation der Aktionäre und zu Informationspflichten von Intermediären haben wenige redaktionelle Änderungen erfahren, die teilweise bereits im Änderungsvorschlag des Bundesrats enthalten waren.
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Die einzige materielle Änderung betrifft die Kostentragungspflicht (§ 67f Abs. 1 Satz 1 AktG-E). Anders als nach der Konzeption des Regierungsentwurfs soll die Gesellschaft nicht zwingend mit den Kosten der Datenverarbeitung und
-berichtigung der Intermediäre (§ 67e AktG-E) belastet sein. Es bleibt vielmehr den Beteiligten (Gesellschaft, Intermediär, Aktionäre) überlassen, die Kostentragung vertraglich zu regeln.
5. Gesteigerte Transparenzpflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater
Die Vorschriften zu den Transparenzpflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater wurden im Vergleich zum Regierungsentwurf nicht verändert.
6. Ausblick und Übergangsregelungen
Es ist davon auszugehen, dass der Bundesrat nun bereits in seiner Sitzung am 29. November 2019 mit dem ARUG II befasst wird. Danach ist damit zu rechnen, dass das ARUG II voraussichtlich am 1. Januar 2020 in Kraft tritt.
- Die Regelungen zu den RPT gelten mangels besonderer Übergangsvorschriften unmittelbar.
- Die Übergangregelungen zum Say On Pay wurden dagegen nochmals verlängert:
- Die Aktionäre haben über das vom Aufsichtsrat vorzulegende Vergütungssystem erstmals in ordentlichen Hauptversammlungen zu beschließen, die nach dem 31. Dezember 2020 stattfinden.
- Bis zum Ablauf von zwei Monaten nach erstmaliger Billigung des Vergütungssystems durch die Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat die Vergütung der Vorstandsmitglieder in Übereinstimmung mit einem der Hauptversammlung zur Billigung vorgelegten Vergütungssystem festzusetzen. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Aufsichtsrat der Vergütung ein nicht gebilligtes Vergütungssystem zugrunde legen muss. Die Regelung hat indes nicht zur Folge, dass laufende Verträge geändert werden müssen.
- Der Vergütungsbericht ist erstmals für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr zu erstellen und der Hauptversammlung bis zum Ablauf der ersten ordentlichen Hauptversammlung in dem darauffolgenden Geschäftsjahr zur Billigung (§ 120a Abs. 4 AktG-E) vorzulegen.
- Die Regelungen zur Aktionärsidentifikation und zum Informationsaustausch mit Aktionären sind erst ab dem 3. September 2020 anzuwenden und sollen frühestens auf Hauptversammlungen Anwendung finden, die nach dem 3. September 2020 einberufen werden.
Wir werden Ihnen die neuen Regelungen zu den verschiedenen Themenkomplexen jeweils nochmals vertieft und mit weiteren Einzelheiten vorstellen.
Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie gern: Dr. Ralph Schilha, Dr. Lisa Guntermann, Dr. Stephan Schulz, Dr. Ingo Theusinger, Dr. Ricarda-Charlotte Jud, Dominique Stütz
Praxisgruppe: Capital Markets