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Gmail ist ein Tele­kommuni­kations­dienst im Sinne des TKG

12.11.2015

In einem Urteil vom 11. November 2015 hat das VG Köln entschieden, dass das Unternehmen Google Inc. als Anbieterin des E-Mail-Services Gmail der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 TKG unterfällt, weil der angebotene Service als Telekommunikationsdienst (§ 3 Nr. 24 TKG) einzustufen sei.

Das Urteil entscheidet damit erstmals über die bisher offene und heftig umstrittene Frage, ob neben den klassischen Telekommunikationsanbietern auch Anbieter sog. Over-the-Top-Dienste (OTT), wie beispielsweise Anbieter von E-Mail-Übertragungsdiensten oder aber auch Instant-Messaging- oder VoIP-Anbieter den Pflichten des TKG unterfallen.

Der Zeitpunkt des Urteils kann deshalb als brisant gelten, weil die Frage der Einordnung bzw. Regulierung von OTT-Diensten in der laufenden Konsultation der Europäischen Kommission zur Überarbeitung des TK-Rechtsrahmens eine wichtige Rolle spielt.

Hintergrund

Nach vorangegangenen informellen Aufforderungen hatte die Bundesnetzagentur im Juli 2012 einen förmlichen Bescheid gegenüber Google Inc. mit der Anordnung erlassen, der Meldepflicht nach dem TKG nachzukommen. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hatte die Bundesnetzagentur auch der Europäischen Kommission Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Daraufhin hatte die Kommission (in rechtlich unverbindlicher Form) im Februar 2014 die Position bezogen, OTT-Dienste seien nicht als elektronische Kommunikationsdienste im Sinne des europäischen Rechtsrahmens (Art. 2 c) der Rahmenrichtlinie) anzusehen; dafür fehle es an der erforderlichen Kontrolle über die Signalübertragung. Die Bundenetzagentur hatte dem Widerspruch der Google Inc. dennoch nicht abgeholfen.

Die daraufhin zu Beginn des Jahres 2015 erhobene Klage hat das VG Köln nunmehr abgewiesen.

Positionen der Parteien

Google Inc. hatte argumentiert, Gmail sei kein Telekommunikationsdienst, weil die von Google erbrachte Dienstleistung nicht überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehe, wie es das TKG fordere. Kennzeichen eines Dienstes wie Gmail sei die Nutzung des offenen Internets als Übertragungsweg; dabei habe Google naturgemäß keine Kontrolle über die Wege, die sich die übermittelten Datenpakete mittels der IP-Protokollierung bis zum Empfänger bahnten. Wie die Stellungnahme der Kommission zeige, widerspräche eine Einstufung als Telekommunikationsdienst den Wertungen der europäischen Rahmenrichtlinie. Der Vorstoß der Bundesnetzagentur käme zudem zur Unzeit; die Behörde wolle dem politischen Prozess vorgreifen.

Die Bundesnetzagentur hatte erwidert, dass die Server der Google Inc. bereits im technischen Sinne (nach dem OSI-Schichten-Modell) Übertragungsdienste erbrächten. Google Inc. verfüge daher über eine eigene Vermittlungstechnik und habe daher jedenfalls teilweise Kontrolle über die Signalübermittlung. Die unverbindliche Stellungnahme der Kommission sei zudem überholt, weil der EuGH in einem wenig später gesprochenen Urteil vom 30. April 2014 (Rechtssache C-475/12) klargestellt habe, dass eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit über die Übertragungsinfrastruktur für die Einordnung als elektronischer Kommunikationsdienst nicht erforderlich sei. Schließlich müssten die Zwecke des TKG bei der Beurteilung dieser Frage Berücksichtigung finden. Der Bundesnetzagentur sei es nicht daran gelegen, das gesamte Internet zu regulieren. Anbietern von Diensten wie Gmail oder anderer OTT-Diensten müssten aber denselben Anforderungen an Datenschutz, Kundenschutz und Sicherheit genügen wie klassische TK-Anbieter.

Fazit

Im Ergebnis folgte das Gericht der Ansicht der Bundesnetzagentur. Entscheidend sei aber nicht eine rein technische Betrachtungsweise. Der Begriff des Telekommunikationsdienstes im TKG sei vielmehr einer funktional-wertenden Betrachtungsweise zugänglich. Das VG Köln hat die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, um eine möglichst schnelle höchstrichterliche Klärung zu ermöglichen.

Ausblick

Sollten die nächsten Instanzen der Rechtsansicht des VG Köln folgen, hätte dies für alle Anbieter von OTT-Diensten und die Regulierungspraxis in Deutschland weitreichende Folgen, weil die OTT-Dienste dann ebenfalls den Pflichten nach dem TKG nachkommen müssten und dabei der Aufsicht durch die Bundesnetzagentur unterlägen.

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