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Google unterliegt im Rechtsstreit um Google Shopping

24.11.2021

In dem langjährigen Streit rund um den Preisvergleichsdienst Google Shopping ist kürzlich eine weitere Etappe mit einer Niederlage der Google Inc. („Google“) vor dem Gericht der Europäischen Union („EuG“) zu Ende gegangen. Das EuG bestätigte im Ergebnis eine Geldbuße der Europäischen Kommission („Kommission“) gegen Google sowie die Muttergesellschaft Alphabet Inc. („Alphabet“) in Höhe von EUR 2,42 Mrd. aus dem Juni 2017. Das EuG schloss sich zudem weitgehend der rechtlichen Würdigung der Kommission an: Google habe seine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Suchdienste missbraucht, um unzulässigerweise seinen Preisvergleichsdienst gegenüber dem Wettbewerb zu bevorzugen (Aktenzeichen des Verfahrens: T-612/17; eine englischsprachige Zusammenfassung des Urteils findet sich hier).

Missbräuchliche Ausgestaltung der Suchalgorithmen zur Förderung von Google Shopping

Zur Erinnerung: Die Kommission hatte am 27.06.2017 das besagte Bußgeld von EUR 2,42 Mrd. verhängt. Der Vorwurf: Google habe jedenfalls ab Anfang 2008 seine Marktmacht auf dem Markt für allgemeine Internetsuchdienste (mit Marktanteilen von über 90 % in vielen EWR-Staaten bei gleichzeitig hohen Schranken für den Marktzutritt von potenziellen Wettbewerbern) genutzt, um bei produktbezogenen Suchen die zu Google Shopping gehörenden Ergebnisse in bevorzugter Position auf der Ergebnisseite anzuzeigen. Diese erschienen entweder weit oben in der Ergebnisliste oder in speziellen Kästen rechts neben den Suchergebnissen. Gleichzeitig habe Google seine Algorithmen so gestaltet, dass die relevantesten, auf andere Preisvergleichsdienste verweisenden Ergebnisse bestenfalls auf Seite 4 der Resultate angezeigt wurden. Der Verkehr auf der Google Shopping-Seite habe sich durch diese Praxis in manchen Ländern um den Faktor 45 erhöht, während der Verkehr auf den Seiten von Wettbewerbern um bis zu 92 % eingebrochen sei.

Diese – häufig als „self-preferencing“ oder Selbstbevorzugung bezeichnete – Praxis von Google hielt die Kommission für einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“). Hiernach ist zwar das Erlangen einer marktbeherrschenden Stellung nicht verboten, allerdings treffen marktmächtige Unternehmen besondere Pflichten, ihre Position auf den jeweiligen Märkten nicht zum Schaden der Wettbewerber und des Wettbewerbs auszunutzen. Neben die Verhängung des Bußgelds trat zudem auch die Verfügung, das beanstandete Verhalten abzustellen und jegliches Verhalten mit gleicher oder ähnlicher Zielrichtung zu unterlassen.

Bestätigung der Geldbuße durch das Gericht der Europäischen Union

Das EuG schloss sich nun mit Urteil vom 10.11.2021 weit überwiegend der rechtlichen Würdigung der Kommission an und bestätigte zudem die Geldbuße in voller Höhe. Die Feststellung: Vor allem aufgrund der Bedeutung der Google-Suche für andere Preisvergleichsdienste sowie des Verhaltens von Konsumenten, die üblicherweise auf eines der ersten Ergebnisse klicken, war das Verhalten Googles zu einer Schwächung der Wettbewerber und des Wettbewerbs geeignet. Entscheidend aus Sicht des EuG waren hierbei neben dem Einbruch des Verkehrs auf den Seiten der anderen Preisvergleichsdienste auch der Umstand, dass diese Verluste nicht auf andere Weise ausgeglichen werden konnten.

Daher durfte die Kommission aus Sicht des EuG davon ausgehen, dass das Verhalten von Google insgesamt zu einem Verschwinden von konkurrierenden Preisvergleichsdiensten und damit zu einem Verlust an Innovation und Wahlmöglichkeiten für Verbraucher führen konnte. Das EuG wies schließlich auch Argumente von Google zurück, dass sein Verhalten durch wettbewerbsfördernde Effekte – insbesondere in Form einer Verbesserung seines eigenen Suchdienstes – gerechtfertigt gewesen sei. Im Ergebnis sei daher auch die von der Kommission verhängte Geldbuße gerechtfertigt.

Ausblick: Stärkere Regulierung und Verfolgung von Geschäftsmodellen von Big Tech durch die (Kartell-)Behörden

Google kann gegen das Urteil des EuG noch ein (auf Rechtsfragen beschränktes) Rechtsmittel zum Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“) einlegen. Es ist also durchaus möglich – und auch wahrscheinlich –, dass im Rechtsstreit zu Google Shopping noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Dennoch stellt das Urteil einen wichtigen Sieg für die Kommission dar und dürfte auch als Bestärkung von Bemühungen zahlreicher Wettbewerbsbehörden und Gesetzgeber zur zunehmenden Regulierung der Geschäftspraktiken der großen Digitalunternehmen zu werten sein. Hierzu gehört allen voran der sich noch im Gesetzgebungsverfahren der EU befindliche Digital Markets Act (DMA), der wettbewerbsfeindliche Geschäftspraktiken von großen Online-Plattformen (sogenannte „Gatekeeper“) bereits im Vorhinein verbieten soll. Hierunter befindet sich nach den bisherigen Entwürfen auch die Praxis der Selbstbevorzugung.

Ein wichtiger Faktor bei der Kontrolle der Geschäftsmodelle und -praktiken von Big Tech durch die Kartellbehörden bleibt aber weiterhin der Input der von den Praktiken betroffenen Marktteilnehmer. (Kartell-)Behörden sind insbesondere in digitalen Märkten stark vom Input der Marktteilnehmer abhängig, die die Marktbedingungen und Wettbewerbsverhältnisse kennen und den Behörden Einblicke in die Auswirkungen der Geschäftspraktiken der dominanten Tech-Unternehmen geben können. So wurden die Ermittlungen gegen Google auch im Fall Google Shopping in erster Linie durch Beschwerden von Wettbewerbern bei der Kommission und bei nationalen Wettbewerbsbehörden (darunter das Bundeskartellamt) angestoßen. Auch viele der von der Kommission vorgebrachten Beweise stammten von Wettbewerbern von Google. Die von möglicherweise missbräuchlichen Geschäftspraktiken der großen Digitalunternehmen betroffenen Unternehmen sollten daher in jedem Einzelfall prüfen, ob ein Herantreten an die Kartellbehörden nicht für Abhilfe oder zumindest Aufklärung sorgen könnte. Hierauf aufbauend kann in einem späteren Stadium auch erwogen werden, ob gegebenenfalls Ersatz für erlittene Schäden geltend gemacht werden sollte.