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Handlungsfähigkeit für Stiftungen und ihre Vorstände

05.11.2020

Stiftungen sind nur handlungsfähig, solange ihre Vorstände es sind. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, kann das Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit haben. Gremienentscheidungen sind naturgemäß schon nicht einfach. Und wenn auch noch die Zusammenkunft von Personen erschwert wird, wie gegenwärtig unter Covid-19, stellen sich wichtige Fragen:

  • Was wenn der Stiftungsvorstand nicht zu einer Sitzung zusammenkommen kann?
  • Was wenn die Stiftungssatzung keine Regelung zur Entscheidung ohne Sitzung enthält?
  • Welche Covid-19-Erleichterugen gelten für Stiftungen?
  • Was wenn Vorstandsämter auslaufen und nicht nachbesetzt werden können?

Antworten auf diese Fragen - insbesondere zu den gegenwärtigen Covid-19-Erleichterungen und deren Verlängerung bis 31.12.2021 - erhalten Sie nachfolgend:

1. Was wenn der Vorstand nicht zu einer Sitzung zusammenkommen kann?

In einer guten Stiftungssatzung ist für diesen Fall vorgesorgt, indem auch Entscheidungen durch Beschluss außerhalb von Sitzungen ermöglicht werden (z.B. als sog. Umlaufverfahren). Traditionell zweckmäßig ist z.B. die Schriftform, die durch Brief oder Telefax gewahrt werden kann. Zeitgemäßer ist die Textform z.B. durch E-Mail. Modern sind elektronisch-digitale Zusammenkünfte virtuell über Bildschirme und in Telefonkonferenzen.

Die Satzung kann für diese Verfahren besondere Voraussetzungen vorsehen, muss es aber nicht. Die Verfahren können auch als gleichberechtigte Alternativen unter denselben Voraussetzungen wie eine Präsenzsitzung zugelassen sein. Ihre Anwendung kann auch der Entscheidung z.B. eines Vorstandsvorsitzenden unterstellt werden.

Die Einzelheiten ergeben sich aus der Satzung, die unbedingt geprüft und korrekt angewendet werden sollte.

2. Was wenn die Stiftungssatzung keine Regelung zur Entscheidung ohne Sitzung enthält?

Fehlen vorgenannte Regelungen in der Satzung, kann vielleicht das gute alte Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) von 1900 helfen. Denn das Stiftungsrecht verweist mit § 86 BGB grundsätzlich auf das Vereinsrecht und dort ist ein Vorstandsbeschluss auch ohne Versammlung gültig, wenn alle Mitglieder schriftlich dieser Verfahrensart zustimmen (§§ 28, 32 BGB).

Damit sind also Entscheidungen durch Beschluss auch ohne Versammlung möglich, dann auch durch anschließende virtuelle Zusammenkunft oder in Telefonkonferenzen, wenn alle Vorstandsmitglieder - ohne Gegenstimme oder Enthaltung - der Verfahrensart schriftlich zustimmen. Für die Entscheidung in der Sache bleibt es bei den regulären Mehrheitserfordernissen insbesondere solchen aus der Satzung. Die Schriftform für die vorherige Zustimmung kann nicht nur durch eigenhändige Namensunterschrift gewahrt werden, sondern auch durch qualifizierte elektronische Signatur (§ 126a BGB), was bei entsprechender technischer Ausstattung auch sehr schnelles Handeln ermöglichen kann.

Weiterhin gelten gegenwärtig und bis 31.12.2021 Covid-19-Erleichterungen für Beschlussfassungen außerhalb Versammlungen.

3. Welche Covid-19-Erleichterugen gelten für Stiftungen?

Für Stiftungen und Vereine sieht das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht in Artikel 2 § 5 bestimmte Erleichterungen vor:

(1) Ein Vorstandsmitglied einer Stiftung (oder eines Vereins) bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.

Damit sollen Stiftungen handlungsfähig bleiben, wenn zeitlich befristete Vorstandsämter auslaufen und aufgrund Covid-19 neue Vorstände nicht bestellt werden können. Eine gute Stiftungssatzung enthält eine solche Regelung ohnehin. Sie gilt nun aber auch für alle Stiftungen, deren Satzung eine solche Regelung fehlt. Wichtig: Die Möglichkeit zur Abberufung eines Vorstands bleibt unberührt.

(2) Abweichend von der gesetzlichen Regel im Verein (§ 32 Abs. 2 S. 1 BGB) kann der Vorstand - auch ohne Ermächtigung in der Satzung - Mitgliedern ermöglichen,
1. 
an der Versammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
2. 
ohne Teilnahme an der Versammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Versammlung schriftlich abzugeben.

Mit Nr. 1 sollen - auch ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Satzung - „virtuelle“ Versammlungen im Wege elektronischer Kommunikation ermöglicht werden. Dabei kann auch ein Teil der Mitglieder an einem bestimmten Ort zusammenkommen und andere Mitglieder können an der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation teilnehmen. Mit Nr. 2 soll ermöglicht werden, vor Beginn einer Versammlung die Stimme schriftlich abzugeben, ohne an der Veranstaltung teilnehmen zu müssen, was auch als "Stimmbotschaft" bezeichnet wird.

(3) Abweichend von der gesetzlichen Regel im Verein (§ 32 Abs. 2 BGB) ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn (i) alle Mitglieder beteiligt wurden, (ii) bis zu einem gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und (iii) der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

Damit soll die Beschlussfassung im Umlaufverfahren erleichtert und von dem strengen Erfordernis der Zustimmung aller Mitglieder zu dieser Verfahrensart entkoppelt werden. Dazu soll es genügen, dass alle Mitglieder beteiligt werden und bis zu einem festgesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder im Umlaufverfahren ihre Stimme abgibt. Für die Entscheidung in der Sache bleibt es bei den regulären Mehrheitserfordernissen insbesondere solchen aus der Satzung. Die Stimmabgabe muss nicht mehr in Schriftform erfolgen, sondern ist auch in Textform möglich, so dass anstelle einer eigenhändig unterschriebenen Erklärung, auch eine Stimmabgabe z.B. durch E-Mail und Telefax möglich ist.

Rechtsunsicherheit für Stiftungen

Für Stiftungen besteht leider Rechtsunsicherheit bei den vorgenannten Covid-19-Erleichterungen zur Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen.

Dies rührt daher, dass diese Erleichterungen nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur für Mitglieder von Vereinen gelten, und zur Anwendung auf Vorstände von Stiftungen eine gesetzliche Verweisungskette bemüht werden muss (§§ 86, 28, 32 BGB). Und die Akzeptanz dafür ist überraschenderweise nicht einheitlich.

Zwar gibt es Stiftungsaufsichtsbehörden, welche die Erleichterungen zur Beschlussfassung auch auf Stiftungen anwenden, unter ausdrücklicher Annahme der Verweisungskette (z.B. Hamburg und Rheinland-Pfalz). Andere Aufsichtsbehörden wie die Regierung von Oberbayern vertreten jedoch die Auffassung, dass die Sonderregeln für Stiftungen nicht gelten sollen. In der Rechtsliteratur gibt es Stimmen dafür und dagegen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen will sich immerhin dafür einsetzen, dass die Regelungen von den Stiftungsaufsichtsbehörden einheitlich angewendet werden.

Auch wenn Rechtsprechung dazu noch nicht ersichtlich ist, spricht alles dafür, dass die Erleichterungen auch für Stiftungen gelten:

  • Dass zeigt schon der Gesetzentwurf (BT-Drucks. 19/18110) in seiner Einleitung bei Aufriss von Problem und Lösung: Dort sind ausdrücklich die erheblichen Auswirkung von Covid-19 auf die „Handlungsfähigkeit verschiedener Rechtsformen“ erkannt, dass nämlich teilweise nicht mehr auf herkömmlichem Weg Beschlüsse auf Versammlungen der entsprechenden Organe herbeigeführt werden können, mit der ausdrücklichen genannten Möglichkeit „existenzieller Bedeutung für Stiftungen“. Also hatte der Gesetzgeber für Stiftungen nicht nur deren Vorstands- und Führungslosigkeit im Blick, die er für Stiftungen ausdrücklich gelöst hat, sondern auch und vor allem die Handlungsunfähigkeit mangels Möglichkeit zur herkömmlichen Beschlussfassung in Versammlungen, die er ausdrücklich für den Verein verbessert hat, offensichtlich davon ausgehend, dies auch für Stiftungen zu tun. Die Regelungs- und Erleichterungsabsicht des Gesetzgebers für Stiftungen ausschließlich auf den Erhalt zeitlich befristeter Vorstandsämter zu reduzieren, geht vollkommen an den Problemen und Lösungsabsichten des Gesetzgebers vorbei, die auch ausdrücklich im Gesetzentwurf (BT-Drucks. 19/18110) genannt sind.

  • In diesem Sinne hat auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in seinen FAQs zur Handlungsfähigkeit von Stiftungen während der Corona-Krise die Frage beantwortet, warum keine "gleichen" Regelungen für die Beschlussfassung der Vereins- und Stiftungsorgane vorgesehen worden sind: Besondere Regelungen wurden nicht als erforderlich angesehen, weil davon auszugehen ist, dass die Regelungen über die Beschlussfassung der Mitglieder aufgrund der Verweisung in § 28 BGB auch auf Beschlussfassung eines … Stiftungsvorstands, der aus mehreren Mitgliedern besteht, anzuwenden sind. Da § 28 BGB auch entsprechend auf andere Organe von … Stiftungen angewendet wird, gelten diese Regelungen auch entsprechend für die Beschlussfassung dieser Organe.

  • Das BMJV hat darüber hinaus auch in seinem mit Pressemeldung vom 19.09.2020 veröffentlichten Referentenentwurf einer Verordnung zur Verlängerung der Covid-19-Sonderregeln darauf hingewiesen, dass die Erleichterungen durch die Verweisnorm aus § 28 BGB auch für Stiftungsvorstände gelten (Seite 8): Die Sonderregelungen in den § 5 Absatz 2 und 3 GesRuaCOVBekG, durch die § 32 BGB ergänzt und modifiziert wird, sind nach § 28 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch auf die Beschlussfassung der … Stiftungsvorstände anzuwenden. Auch die Vorstände werden 2021 weiterhin von diesen Sonderregelungen bei ihrer Beschlussfassung Gebrauch machen können, soweit die … Stiftungssatzung nichts Abweichendes regelt.

Verlängerter Geltungszeitraum 2020/21

Zeitlich sind die Covid-19-Sonderregeln als Gesetz am 28.03.2020 in Kraft getreten und sollten zunächst nur für im Jahr 2020 stattfindende Versammlungen und auslaufende Vorstandsämter gelten. Zugleich wurde aber das BMJV ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Geltung bis höchstens zum 31.12.2021 zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen von Covid-19 geboten erscheint.

Und von dieser Verlängerungsmöglichkeit hat das BMJV nun auch Gebrauch gemacht: mit am 28.10.2020 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 2258) verkündeter und am Folgetag in Kraft getretener Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Damit sind die Erleichterungen bis zum 31.12.2021 verlängert worden, um unter Covid-19 insbesondere für Stiftungen Beschlussfassungen zu ermöglichen und Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.

4. Fazit - Handeln: Satzungen prüfen, anwenden und anpassen!

Es spricht alles dafür, dass die Erleichterungen zur Beschlussfassung außerhalb Versammlungen aus dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie auch für Stiftungsvorstände gelten. Folgerichtig hat dies auch das BMJV in seinen FAQs zur Handlungsfähigkeit von Stiftungen in der Corona-Krise und in seiner Verordnung zur Verlängerung der Covid-19-Erleichterungen klargestellt. Außer dass das Gesetz eine ganz ausdrückliche Anwendung der Erleichterungen für Stiftungen handwerklich vermissen lässt, gibt es auch keinen vernünftigen Grund, die Anwendung auf Stiftungen zu verneinen – jedenfalls nicht wenn man Stiftungen nicht schaden will.

Bis zur 100-prozentigen Rechtssicherheit durch gesicherte Rechtsprechung oder eine ausdrücklich gesetzliche Klarstellung, muss man Stiftungen und ihren Vorständen allerdings raten, sich mit ihrer zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde abzustimmen. Dies gilt umso mehr bei bedeutenden Entscheidungen, etwa in Bezug auf das Stiftungsvermögen.

Alternativ kann die Beschlussfassung außerhalb Versammlungen z.B. durch vorherige schriftliche Zustimmung ermöglicht werden (dazu oben 2. Was wenn die Stiftungssatzung keine Regelung zur Entscheidung ohne Sitzung enthält?).

Und natürlich gehören Regelungen zu Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen in jede gute Stiftungssatzung. Deshalb sollten Satzungen geprüft, korrekt angewendet und ggf. geändert werden, was auch verhältnismäßig einfach möglich sein sollte. Dies ist der rechtssicherste Weg.

Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Private Banking Magazins

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