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Kann der Arbeitgeber Betriebsferien anordnen?

26.10.2020

Arbeitgeber, denen die in Teil 2 dieser Beitragsserie dargestellten Unwägbarkeiten bei einseitiger Urlaubsanordnung zu groß sind, können ihnen unter den nachfolgend dargestellten Voraussetzungen durch die Anordnung sog. „Betriebsferien“ ausweichen. Unter Betriebsferien versteht man die komplette Schließung eines Betriebs für einen bestimmten Zeitraum unter gleichzeitiger Anordnung, dass während dieser Zeit Urlaub zu nehmen ist (BAG, Beschl. v. 28.07.1981 - 1 ABR 79/79).

1. Beteiligung des Betriebsrats

Voraussetzung für die Einführung von Betriebsferien ist - soweit er gebildet wurde - die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats. Denn die Einführung von Betriebsferien ist gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat muss daher zustimmen. Dass der Arbeitgeber in Extremsituationen vorläufig ohne die Zustimmung des Betriebsrats agieren kann, ist im vorliegenden Kontext reine Theorie. Schon angesichts der bereits mehrere Monate andauernden Pandemie liegen die Voraussetzungen hierfür (vgl. dazu BAG, Beschl. v. 19.01.2010 - 1 ABR 55/08) nicht vor.

Fehlt es an der Zustimmung des Betriebsrats, ist die Einführung von Betriebsferien gegenüber den Beschäftigten kollektivrechtlich unwirksam. Der Arbeitnehmer kann der Anordnung von Urlaub während den Betriebsferien (unverzüglich) widersprechen. Fehlt es an einem unverzüglichen Widerspruch des Arbeitnehmers, lehnen Teile der Instanzrechtsprechung (LAG Nürnberg, Urt. v. 21.02.2014 - 6 Sa 588/13) die wirksame  Urlaubsgewährung ab. Obwohl auch insoweit viel dafür spricht, dass die in Teil 2 dieser Beitragsserie vorgestellten Grundsätze zur Wirksamkeit einer einseitigen Anordnung von Urlaub auch hier gelten, sollte im Zweifel stets versucht werden, die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Eine Regelungsabrede ist zwar kollektivrechtlich ausreichend, wirkt aber - anders als eine Betriebsvereinbarung - nicht unmittelbar in die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter hinein. Eine Betriebsvereinbarung ist daher in der Regel vorzugswürdig. Unabhängig von der gewählten Art der Vereinbarung mit dem Betriebsrat gelten für deren Inhalt allerdings die folgenden weiteren Vorgaben.

2. Inhaltliche Anforderungen

2.1 Umfang der Betriebsferien

Bei der Einführung von Betriebsferien muss zunächst sichergestellt werden, dass noch genügend Urlaubstage zur freien Verfügung des Arbeitnehmers verbleiben. Nach der Rechtsprechung des BAG genügt es, wenn den Arbeitnehmern zwei Fünftel des Urlaubsanspruchs zur freien Verfügung bleiben (BAG, 28.07.1981 – 1 ABR 79/79).

2.2 Wahrung einer Ankündigungsfrist

Zur wirksamen Anordnung von Betriebsferien muss zudem eine angemessene Ankündigungsfrist gewahrt werden, damit die Interessen des Arbeitnehmers an der Gewährung von Erholungsurlaub ausreichend berücksichtigt werden. Die Länge der Ankündigungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wir empfehlen grundsätzlich (mindestens) den Einhalt von zwei Wochen, welche in besonders dringenden Fällen aber auch unterschritten werden kann.

2.3 Keine Berücksichtigung von Urlaubswünschen

Obwohl bei der Urlaubsplanung grundsätzlich die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG), stehen sie der Einführung von Betriebsferien nach der überzeugenden Rechtsprechung des BAG (Beschl. v. 28.07.1981 - 1 ABR 79/79) nicht entgegen. Denn wirksam eingeführte Betriebsferien bilden selbst einen sog. „betrieblichen Belang“, der nach § 7 Abs. 1 BUrlG zur Abweichung von Urlaubswünschen einzelner Arbeitnehmer berechtigt. Schließlich wird durch die Beteiligung des Betriebsrats sichergestellt, dass die (Gesamt-)Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt wurden und ein Ausgleich mit den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers erfolgte.

3. Betriebsferien in betriebsratslosen Betrieben

Was tun, wenn kein Betriebsrat gebildet wurde? Nach der zutreffenden Rechtsprechung kann der Arbeitgeber - vorbehaltlich seltener Härtefälle - kraft des ihm zustehenden Direktionsrechts Betriebsferien einführen (BAG Urt. v. 12.10.1961 - 5 AZR 423/60; LAG Düsseldorf Urt. v. 20.6.2002 - 11 Sa 378/02; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 25.09.2012 - 10 Ta 149/12). In der Literatur wird demgegenüber (teilweise nur vorsorglich) eine Anordnungsbefugnis im Arbeitsvertrag empfohlen. Gegen das Erfordernis eines solchen Vorbehalts im Arbeitsvertrag spricht, dass der Arbeitgeber auch gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Belangen einseitig – entgegen dessen Wünschen – Urlaub anordnen kann. Dementsprechend muss die Urlaubsanordnung auch einheitlich und kollektiv für den Betrieb möglich sein. Die coronabedingte Wirtschaftskrise kann zudem einen betrieblichen Belang darstellen, der die Urlaubswünsche einzelner zurücktreten lässt.

4. Ausblick

Nachdem damit die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers für die Gewährung von Urlaub zusammengefasst sind, beschäftigen wir uns im nächsten Beitrag dieser Serie mit der im Jahr 2020 für viele Unternehmen ebenso relevanten Frage, unter welchen Voraussetzungen genehmigter bzw. angeordneter Urlaub vom Arbeitgeber „zurückgenommen“ werden kann. Relevant war dies zuletzt nicht nur in der Gesundheitsbranche in Situationen, in denen pandemiebedingte Personalengpässe vermieden werden sollten.

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