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Kein Ausgleichs­anspruch des Vertrags­händlers bei Verpflich­tung des Herstellers zur Sperrung der Kunden­daten bei Vertrags­beendigung

05.03.2015

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun – in Fortführung seiner Rechtsprechung (vgl. damaliges Urteil vom 17. April 1996 – VIII ZR 5/95 (NJW 1996, 2159)) – entschieden, dass dem Vertragshändler kein Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung der handelsvertreterrechtlichen Regelung des § 89b HGB zusteht, wenn der Hersteller / Lieferant vertraglich verpflichtet ist, die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen (BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 - VII ZR 315/13).

Hintergrund

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH müssen für einen Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers in analoger Anwendung des Handelsvertreterrechts (§ 89b HGB) zwei Voraussetzungen vorliegen:

  • die Einbindung des Vertragshändlers in die Absatzorganisation des Herstellers / Lieferanten; und
  • die Verpflichtung des Vertragshändlers, dem Hersteller / Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, sodass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann

(siehe hierzu auch BGH, Urt. v. 13.06.2007 – VIII ZR 352/04 Tz. 13 = BB 2007, 1586; BGH, Urteil vom 13.01.2010 – VIII ZR 25/08 Tz. 15 = NJW RR 2010, 1263; BGH, Urt. v. 06.10.2010 – VIII ZR 209/7 Tz. 17 = NJW 2011, 848).

Insbesondere die Frage, wann eine solche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms gegeben ist, ist in der Praxis brisant. Ein Beispiel: So muss die Überlassungspflicht nicht ausdrücklich im Vertrag festgelegt sein; ausreichend ist, wenn sich die Überlassungspflicht zumindest mittelbar aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt (BGH NJW 1981, 1961, 1962; BGH NJW 1983, 2877, 2878). Insoweit wird z. B. auch in der Verpflichtung des Vertragshändlers, Garantiekarten des Unternehmers von dem Kunden ausfüllen zu lassen und an den Unternehmer zu übermitteln, eine ausreichende mittelbare Verpflichtung des Vertragshändlers zur Bekanntgabe bzw. zur Überlassung des Kundenstamms gesehen (BGH BB 2000, 60).

Aktuelle Entscheidung

Der Verwalter der insolventen Vertragshändlerin (Schuldnerin) klagte gegen die Herstellerin auf Zahlung von Ausgleich entsprechend § 89b HGB. Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestanden ehemals ein Vertragshändlervertrag sowie eine gesonderte Vereinbarung zur Überlassung von Kundendaten zwecks Kundenbetreuung durch die Beklagte und zwecks Marktforschung. Diese gesonderte Vereinbarung war nicht Voraussetzung für den Abschluss des Vertragshändlervertrages. Sie regelte unter anderem, dass

  • die Schuldnerin zwecks Kundenbetreuung und Marktforschung laufend die Kundendaten an die Herstellerin zu übermitteln habe,
  • die Kundenbetreuung unter anderem durch Beendigung des Vertragshändlervertrags ende, und
  • die Herstellerin nach Beendigung der Teilnahme der Schuldnerin an der Kundenbetreuung die überlassenen Daten sperren, ihre Nutzung einstellen und auf Verlangen löschen müsse.

Die gesonderte Vereinbarung enthielt zudem ein Angebot der Beklagten zum Ankauf der Kundendaten nach Beendigung des Vertragshändlervertrags. Das Vertragshändlerverhältnis war durch außerordentliche Kündigung durch die Beklagten beendet worden. Eine Vereinbarung über den Ankauf der Kundendaten kam nicht zustande.

Der BGH verneint einen Ausgleichsanspruch, da es an der für die analoge Anwendung des § 89b HGB erforderlichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes fehle. Der BGH führt hierzu aus, dass die Beklagte die ihr von der Schuldnerin überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertragshändlervertrags nicht ohne weiteres für sich nutzbar machen könne. Diese Möglichkeit bestehe nämlich dann nicht, wenn der Hersteller – wie hier – vertraglich verpflichtet sei, die ihm überlassenen Kundendaten bei Vertragsbeendigung zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen. Zum Vergleich greift der BGH seine Rechtsprechung auf, wonach es an der Nutzbarkeit von Kundendaten fehle, wenn ein vom Hersteller eingesetzter Treuhänder, dem der Vertragshändler die Kundendaten zu überlassen habe, auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung gesetzlich verpflichtet sei, die überlassenen Kundendaten nach Vertragsbeendigung zu löschen (§§ 11, 28 bzw. 35 BDSG und §§ 667, 675 BGB). Die Sachverhalte seien vergleichbar, da der Hersteller die ihm überlassenen Kundendaten in beiden Fällen – der vertraglichen Pflicht zur Sperrung und der gesetzlichen Verpflichtung zur Löschung der Kundendaten – bei Vertragsbeendigung nicht ohne weiteres für sich nutzbar machen könne.

Darauf, ob der Vertragshändler die Löschung dieser gesperrten Daten verlange, komme es nicht an, die Pflicht zur Sperrung bestehe unabhängig von einem solchen Verlangen. Ohne Belang sei es auch, dass der Hersteller nach Vertragsbeendigung bis zur Datenlöschung – unter Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten – noch faktisch auf die überlassenen Kundendaten zugreifen könne.

Demnach könne die Schuldnerin nach Vertragsbeendigung auf die bei ihr vorhandenen Kundendaten des von ihr geworbenen Kundenstamms zurückgreifen und diese im eigenen Interesse weiter nutzen. Sofern die Kundendaten bei der Schuldnerin infolge ihrer Übertragungsverpflichtung jedoch nicht mehr oder nicht vollständig vorhanden sein sollten, bestünde für die Beklagte sogar eine vertragliche Nebenpflicht der Schuldnerin die ihr überlassenen Kundendaten wieder zur Verfügung zu stellen.

Fazit

Der BGH lässt in seiner Entscheidung wohl bewusst offen, ob ein Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 89b HGB bereits daran scheitert, dass die Verpflichtung zur Weitergabe von Kundendaten in einer gesonderten Vereinbarung geregelt ist, zu deren Abschluss keine Pflicht besteht. Vielmehr legt der BGH (auch) in dieser Entscheidung den Fokus auf die Frage, ob sich der Hersteller / Lieferant bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen konnte. Damit spielt diese Kernfrage insbesondere in der Vertragsgestaltungs-Praxis nach wie vor eine entscheidende Rolle.

Bitte sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie mit der Thematik des Ausgleichsanspruchs konfrontiert sind oder zu anderen Themen des Vertragshändler- oder Vertriebsrechts nähere Informationen wünschen. Gerne schicken wir Ihnen auch den Volltext der Entscheidung (BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 - VII ZR 315/13) zu.

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