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Krypto-Token und Tokenisierung

28.08.2019
Die Regulierung von Kryptowerten bzw. von umfassend digitalisierten und daher Blockchain-tauglichen Vermögenswerten steht zunehmend im Fokus der Aufsichtsbehörden und des Gesetzgebers, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Beispielhaft für die gesetzgeberischen Initiativen sei nur auf die Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/843), den Ende Juli 2019 veröffentlichten Regierungsentwurf (RegE) zu deren Umsetzung (sehen Sie dazu unseren ausführlichen Newsletter) sowie die vom BMF und dem BMJV angekündigte Gesetzesinitiative zur Förderung der Blockchain-Technologie verwiesen. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat sich bereits mehrmals zu ihrer Verwaltungspraxis in Bezug auf digitalisierte Vermögenswerte geäußert, zuletzt im Februar 2018 in Form eines ersten Merkblatts zur aufsichtsrechtlichen Einordung von sog. Initial Coin Offerings (ICOs) sowie ebenfalls in 2018 in einem Beitrag mit Überlegungen zur Regulierung der Blockchain-Technologie. Nunmehr hat die BaFin ein zweites Merkblatt zu ICOs veröffentlicht (Merkblatt), in dem die BaFin zum einen ihre Anforderungen an Anfragen von Marktteilnehmern erläutert, die mit dem Ziel der Abklärung möglicher Prospekt- und Erlaubnispflichten bei der BaFin eingehen. Zum anderen präzisiert und ergänzt die BaFin in dem Merkblatt ihre bisherigen Ausführungen zu etwaigen Prospekt- und Erlaubnispflichten, die bei ICOs oder der Erbringung von tokenbezogenen Dienstleistungen relevant werden können.

Anforderungen an Anfragen bei der BaFin


Als Reaktion auf die zahlreichen Anfragen, mit denen Marktteilnehmer bislang auf die BaFin zugegangen sind, um die regulatorischen Implikationen von beabsichtigten ICOs oder tokenbezogenen Dienstleistungen abzuklären, macht die BaFin ihre Erwartungen an solche Anfragen deutlich. Diese Anfragen waren aus Sicht der BaFin in der Vergangenheit oftmals unvollständig oder unstrukturiert, so dass eine zeitnahe und aussagekräftige Beantwortung erschwert oder gar unmöglich gemacht wurde.

Dementsprechend macht die BaFin deutlich, dass Anfragen alle relevanten Unterlagen und Vertragsdokumente enthalten sollten. Dies wird in dem Merkblatt mit einer Liste von inhaltlichen Anforderungen konkretisiert. So sollen bspw. nicht nur sämtliche für die rechtliche Bewertung relevanten Dokumente in verbindlicher Form eingereicht, sondern auch eine konkrete rechtliche Selbsteinschätzung beigefügt werden, die bei eventuellen Sachverhaltsänderungen im Zeitverlauf anzupassen sei. Diese Anforderungen listet die BaFin sogar in einem eigens beigefügten Anhang im Detail auf, der somit die Struktur für künftige Anfragen vorgeben dürfte. In diesem Zusammenhang betont die BaFin, dass Anfragen, welche die aufgeführten Mindestanforderungen nicht erfüllen, mit einer zeitlich nachgelagerten Bearbeitung rechnen müssten. Überdies sei generell gerade bei ICOs eine möglichst frühzeitige Kontaktaufnahme mit der BaFin ratsam.

Kategorien von Krypto-Token


Im Folgenden wendet sich die BaFin im Merkblatt inhaltlichen Fragen zu. Insoweit skizziert sie zunächst in Übereinstimmung mit ihren bisherigen Stellungnahmen, dass die BaFin technologieneutral anhand der konkreten Ausgestaltung prüfe, ob ein ICO oder andere tokenbezogene Aktivitäten aufsichtsrechtlich relevant seien. Sodann wird für die aufsichtsrechtliche Beurteilung an der bereits aus anderen BaFin-Publikationen bekannten Unterscheidung in drei Kategorien von Krypto-Token angeknüpft und zwischen Utility-Token, Zahlungstoken und Wertpapier(ähnlichen) Token differenziert.

Utility-Token (bzw. App-Token/Nutzungstoken) sind nach Lesart der BaFin solche Krypto-Token, die – ähnlich einem Gutschein – Zugriff auf bestimmte Dienstleistungen und Produkte erlauben. In diese Krypto-Tokenkategorie falle die Mehrzahl der bei der BaFin bekannten Krypto-Token, die bisher in Deutschland im Rahmen eines ICOs ausgegeben worden seien. Konsistent mit der bisherigen Verwaltungspraxis werden solche Utility-Token im Merkblatt nicht als Wertpapiere im Sinne des WpPG oder als Vermögensanlagen im Sinne des VermAnlG eingestuft. Zudem seien solche Krypto-Token häufig auch kein Finanzinstrument im Sinne von § 1 Abs. 11 KWG.

Als Zahlungstoken (bzw. virtuelle Währungen/Payment Token/Bare-Bone-Token) bezeichnet die BaFin Krypto-Token, die als alternative Zahlungsmittel vorgesehen sind. Auch Zahlungstoken seien in der Regel keine aufsichtsrechtlich relevanten Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen. Allerdings hält die BaFin an ihrer bisherigen Verwaltungspraxis fest und ordnet Zahlungstoken als Rechnungseinheit im Sinne von § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 KWG und damit als Finanzinstrument ein. Auch wenn diese Rechtsauffassung im Jahr 2018 durch eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin angegriffen wurde (sehen Sie dazu unseren Newsletter) ist dies alles andere als unerwartet, da die Bundesregierung zwischenzeitlich die Position der BaFin unterstützt und mit dem RegE auch ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht hat, das diese Auffassung in ein förmliches Gesetz überführen soll.

Unter wertpapierähnlichen Token (Equity Token/Security Token/Investment Token/Asset Token) versteht die BaFin solche Krypto-Token, die mitgliedschaftliche oder schuldrechtliche Ansprüche mit vermögenswertem Inhalt vermitteln, die bspw. den Rechten eines Aktionärs oder Schuldtitelinhabers vergleichbar sind. Solche Krypto-Token stuft die BaFin grundsätzlich als prospektpflichtige Wertpapiere im Sinne der Prospektverordnung (EU) 2017/1129 (ProspektVO) bzw. des WpPG und konsequenterweise auch als Finanzinstrumente im Sinne des KWG ein.

Die BaFin weist freilich wie bislang auch darauf hin, dass die Kategorisierung in drei Typen von Krypto-Token nur eine erste Annäherung sei und die in der Praxis häufig anzutreffenden Mischformen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen seien.

Prospektpflichten


Ob ein konkreter Krypto-Token im Einzelfall Prospektpflichten nach der ProspektVO bzw. dem WpPG unterliegt, soll sich nach dem Merkblatt – insoweit wiederum im Einklang mit der bisherigen Verwaltungspraxis – danach richten, ob dieser in den Anwendungsbereich des aufsichtsrechtlichen Wertpapierbegriffs fällt. Dafür seien letztlich die folgenden drei Kriterien maßgeblich: Übertragbarkeit, Handelbarkeit an den Finanzmärkten sowie Verkörperung von wertpapierähnlichen Rechten im Krypto-Token.

In ihrer Deutlichkeit neu sind indes die Ausführungen der BaFin zur „Tokenisierung von Vermögensanlagen“. Hiernach seien zwar klassische Vermögensanlagen nach dem VermAnlG grundsätzlich nicht als Wertpapiere nach der ProspektVO oder dem WpPG einzuordnen, weil diese hinsichtlich einer Übertragbarkeit, Standardisierung und Handelbarkeit am Kapitalmarkt nicht mit Wertpapieren vergleichbar seien. Durch die Blockchain-Technologie verändere sich jedoch die aufsichtsrechtliche Einschätzung, sofern die Krypto-Token frei übertragbar und an den Finanzmärkten handelbar sein. In diesem Fall stelle ein Krypto-Token ein „Wertpapier eigener Art (sui generis)“ dar.

Die BaFin macht ferner deutlich, dass ein Emittent von Krypto-Token im Rahmen eines ICO ggf. weitergehende Vorgaben zu berücksichtigen habe, die im Merkblatt nicht näher erläutert werden und die im Rahmen der Wertschöpfungs-, Übertragungs- und Handelskette von Krypto-Token relevant werden können.

Die BaFin schließt ihre Ausführungen zur Prospektpflicht mit dem ebenfalls bekannten Hinweis ab, dass die BaFin für öffentliche Angebote zuständig sei, die in Deutschland erfolgten. Ein entsprechendes Angebot liege bspw. bei einem unbeschränkt zugänglichen öffentlichen Angebot im Internet vor.

Erlaubnispflichten


Sodann wendet sich die BaFin möglichen Erlaubnispflichten zu, die sich bei Aktivitäten mit Krypto-Token aus dem KWG, ZAG oder KAGB ergeben können. Inhaltlich enthält das Merkblatt dazu nichts wirklich Neues, sondern stellt die maßgeblichen Tatbestände lediglich in erfreulicher Transparenz dar. Hierbei unterscheidet die BaFin zwischen der Ausgabe von Krypto-Token durch den Emittenten einerseits und tokenbasierten Dienstleistungen andererseits.

Bei der Ausgabe von Krypto-Token komme – abhängig von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen ICOs – insbesondere eine Erlaubnispflicht nach dem KWG für das Betreiben des Einlagengeschäftes, nach dem ZAG für das Betreiben des E-Geld-Geschäfts und nach dem KAGB für das Betreiben des Investmentgeschäfts in Betracht.

Für die einem ICO nachgelagerte Phase tokenbezogener Dienstleistungen kommen Erlaubnispflichten für das Betreiben von weiteren Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen in Betracht, die an der Einordnung des Krypto-Tokens als Finanzinstrument anknüpfen und diese voraussetzen. Beispielhaft dafür ist das Finanzkommissionsgeschäft, die Anlagevermittlung oder der Betrieb eines multilateralen bzw. organisierten Handelssystems.

Fazit

Mit der Veröffentlichung des Merkblatts setzt die BaFin im Wesentlichen ihre bisherige Verwaltungspraxis fort, ohne inhaltlich über geringfügige Präzisierungen hinauszugehen. Zu den neuen zusätzlichen Akzentuierungen gehören die Aussagen zur Tokenisierung von Vermögenswerten, wenn die BaFin ausführt, dass Krypto-Token wegen ihrer Handelbarkeit als Wertpapiere eigener Art (sui generis) zu qualifizieren sein könnten. Das Merkblatt ist trotz der überschaubaren neuen inhaltlichen Positionen für die Praxis von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da es ganz konkrete Erwartungen an Form und Inhalt von Anfragen beinhaltet, die mit dem Ziel der Abklärung regulatorischer Implikationen bei der BaFin eingereicht werden. Wer künftig mit solchen Anfragen an die BaFin herantritt, ist gut beraten, diese Erwartungen ernst zu nehmen, da ansonsten die Neigung der BaFin, sich mit der Anfrage inhaltlich auseinanderzusetzen, gering sein dürfte. Als Zeichen der Professionalisierung und eines fortschreitenden Reifestadiums des Krypto-Marktes kann dies durchaus positiv gesehen werden. Dies gilt umso mehr, als damit ein Beitrag dazu geleistet wird, dass die BaFin ihre Ressourcen für ernsthafte Anfragen einsetzen kann. Freilich ist bereits jetzt absehbar, dass dem Merkblatt nur eine kurze Halbwertszeit beschieden sein dürfte, weil mit der zu erwartenden Verabschiedung des RegE und der Umsetzung der Initiative zur Regulierung der Blockchain-Technologie ein neuer gesetzlicher Rahmen entstehen wird.
 

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