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Leiharbeit und Werk­verträge: Geplante Änderungen nach dem Referenten­entwurf Stand 17. Februar 2016

23.02.2016

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Fremdpersonaleinsätze befinden sich im Umbruch. Schon im Koalitionsvertrag kündigte die Große Koalition an, „den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit“ verhindern zu wollen. Um dieses Vorhaben noch in diesem Jahr in die Tat umzusetzen, liegt seit Mitte Februar ein neuer Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor. Mit tiefgreifenden Beschränkungen, einer strikteren Abgrenzung der verschiedenen Einsatzarten sowie empfindlichen Konsequenzen bei Verstößen stellt das BMAS Unternehmen vor neue Herausforderungen.

Wir geben Ihnen einen ersten Überblick:

Überlassungshöchstdauer

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß
  • Überlassung darf nur „vorübergehend“, also nicht dauerhaft sein
  • Nicht nur vorübergehende Überlassung ist derzeit sanktionslos
  • Derselbe Leiharbeitnehmer darf nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden.“
  • Abweichungen durch oder aufgrund eines Tarifvertrags der Einsatzbranche - des Entleihers - möglich, ggf. sogar verkürzend
  • Nicht tarifgebundene Entleiher können in sehr engen Grenzen in Anlehnung an einschlägige Tarifverträge Modifizierungen vorsehen
  • Ordnungswidrigkeit:
    Bußgelder bis zu 30.000 € je Einzelfall
  • Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher
  • Ausnahme: Der Arbeitnehmer erklärt binnen eines Monats nach Überschreitung der Höchstdauer schriftlich, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten wolle

Auf derzeit laufende Fremdpersonaleinsätze wird die Überlassungshöchstdauer vorerst keinen Einfluss haben, denn Überlassungszeiten vor dem 1. Januar 2017 werden bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt. Beachtenswert ist die Einführung der Widerspruchsmöglichkeit gegen die Fiktion des Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher als neue Rechtsfigur. Diese wird in der Praxis vielfach Gestaltungsversuche und Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.

Equal Pay

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß
  • Vergütung unmittelbar nach Equal Pay
  • Zeitlich unbegrenzte Abweichungen durch Tarifvertrag der Leiharbeitsbranche möglich und üblich
  • Zeitliche Abweichung von Equal Pay grundsätzlich nur noch für längstens neun Monate, in bestimmten Einzelfällen bis 15 Monate zulässig
  • Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 500.000 € je Einzelfall
  • Versagungsgrund für Erlaubniserteilung bzw. Widerrufsgrund für bereits erteilte (auch unbefristete) Erlaubnisse

Entleiher werden hierdurch vor die Wahl gestellt: Austausch des Leiharbeitnehmers nach neun Monaten oder Inkaufnahme höherer Kosten durch Weiterbelastung des Equal Pay.

Entfall der Vorratserlaubnis bei Werk- und Dienstverträgen

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß
  • Risiko fehlerhafter Einordnung und Benennung von Vertragstypen (Dienst-/Werkvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung) durch Vorhalten einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zulässiger Weise auffangbar
  • Vorratserlaubnis schützt nicht mehr bei Werk- oder Dienstverträgen, die aufgrund der tatsächlichen Durchführung als Arbeitnehmerüberlassung zu bewerten sind
  • Grund: Arbeitnehmerüberlassung muss im Vertrag ausdrücklich als solche bezeichnet sein; Arbeitnehmer ist vor Überlassung über Einsatz als Leiharbeitnehmer zu informieren
  • Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 30.000 € je Einzelfall
  • Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher
  • Ausnahme: Der Arbeitnehmer erklärt binnen eines Monats ab Beginn des Einsatzes beim „Entleiher“, dass er am Arbeitsvertrag mit dem „Verleiher“ festhalten wolle

Durch die oftmals bestehenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung des passenden Vertragstyps tragen Unternehmen künftig ein noch größeres Risiko beim Einsatz von Fremdpersonal. Diese zeigen sich insbesondere bei komplexer Projektarbeit, die darauf abzielt, Know-How Träger für einen begrenzten Zeitraum zusammenzuführen. Auch neue Formen der Zusammenarbeit, wie beispielsweise „Scrum“, stellen die Praxis bei der Beantwortung der Frage, welcher Vertragstyp zugrunde zu legen ist, vor besondere Herausforderungen. Ein Berufen auf eine irrtümliche Falschbezeichnung scheint in diesem Ausschnitt des Rechtsverkehrs nicht mehr möglich.

Kettenverleih

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß
  • Durch die Bundes-agentur für Arbeit an sich untersagt, jedoch nach h. M. sanktionslos, wenn mindestens der Erstverleiher eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis innehat
  • Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih untersagt
  • Grund: Arbeitnehmer dürfen nur von ihrem vertraglichen Arbeitgeber als Verleiher überlassen werden
  • Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 30.000 € je Einzelfall
  • Bei kumulativen Verstößen (z. B. keine Erlaubnis, nur „Vorratserlaubnis“, Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer) Rechtsfolgen entsprechend

Kettenverleih liegt vor, wenn der Entleiher den Leiharbeitnehmer an einen Dritten (weiter-) verleiht. Ein solcher Kettenverleih tritt insbesondere und regelmäßig unabsichtlich bei der Einschaltung von Unternehmen und Subunternehmen auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen auf, wenn Arbeitnehmer des Subunternehmens in den Betrieb des ursprünglichen Werkbestellers oder Dienstberechtigten eingegliedert werden. Ein derartiger verdeckter Kettenverleih dürfte unter Zugrundelegung des Referentenentwurfs nun mit der Begründung von Arbeitsverhältnissen mit dem Werkbesteller oder Dienstberechtigten besonders gravierende Folgen haben, vor denen auch das Vorhalten einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht mehr schützen wird.

Definition des Arbeitnehmers

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß
  • Die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft findet auf Basis einer wertenden Gesamtbetrachtung im Einzelfall statt
  • Der Begriff des Arbeitnehmers wird gesetzlich definiert
  • Risiko der fehlerhaften Einordnung von Vertragsverhältnissen, insbesondere im Spannungsfeld Arbeitnehmer/Selbständiger

Die gesetzliche Festlegung der in der Rechtsprechung entwickelten Definition soll insbesondere den Kontrollbehörden helfen, Missbrauchsfälle leichter aufzudecken.

Der Mehrwert dieser Regelung ist jedoch fraglich, da die Definition im Zweifel mehr Missverständnisse schafft als Beurteilungen erleichtert. Nach derzeitiger Planung soll der Entwurf am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Dennoch sind kleinere Änderungen als Ergebnis parlamentarischer Beratungen durchaus denkbar und wahrscheinlich.

Dies gibt Ihnen und der Organisation Ihres Unternehmens Vorlaufzeit, um einen etwaigen Änderungsbedarf in laufenden Projekten und Kooperationen sowie innerhalb Ihrer Compliance-Organisation zu analysieren und gegebenenfalls erforderliche Anpassungen rechtzeitig umzusetzen. Gerne helfen wir Ihnen hierbei mit unserem HR-Compliance-Healthcheck. Wenn Sie hierzu mehr Informationen erhalten möchten, kontaktieren Sie bitte Lars Kutzner oder Daniel Happ.