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Leiharbeit: Wird das Arbeitsschutzkontrollgesetz vom BVerfG gestoppt?

05.01.2021

Das Inkrafttreten des Arbeitsschutzkontrollgesetzes zu Beginn des neuen Jahres könnte hinsichtlich des Leiharbeitsverbots in der Fleischindustrie durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) noch verhindert werden. Im Rahmen laufender Eilverfahren hat der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ), auf die Aufforderung des BVerfG hin, zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Stellung genommen.

I. Hintergrund

Nachdem sich, wie zuletzt von uns berichtet, die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD schließlich einig geworden sind, wurde das Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) am 16. Dezember 2020 vom Bundestag beschlossen und erhielt am 18. Dezember 2020 die Zustimmung des Bundesrates. Seine Verkündung ist indes stand heute (5. Januar 2021) bislang nicht erfolgt.

Neben einem vollständigen Verbot des Fremdpersonaleinsatzes via Werkverträgen in der Fleischwirtschaft enthält das Arbeitsschutzkontrollgesetz Änderungen im Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch), die ab dem 1. April 2021 den Einsatz von Leiharbeitern weitestgehend und ab dem 1. April 2024 vollständig untersagen.

Dass diese Neuregelungen bei den betroffenen Zeitarbeitsunternehmen Missfallen hervorrufen, war absehbar und so sind am 23. Dezember mehrere Eilverfahren am BVerfG eingegangen, zumal bereits in der Diskussion des Gesetzesentwurfes dessen Verfassungsmäßigkeit bezweifelt worden war. Die Eilverfahren gemäß § 32 BVerfGG bezwecken, dass die in Frage gestellten Vorschriften bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden vorübergehend ausgesetzt werden, also erst gar nicht in Kraft treten.

Das BVerfG hat den iGZ, eine Arbeitgebervereinigung der Zeitarbeitsbranche mit bundesweit mehr als 3.600 Mitgliedsunternehmen, gemäß § 27a BVerfGG als sachkundige Dritte aufgefordert, Stellung zu nehmen.

II. Stellungnahme des iGZ

Der iGZ sieht in den Neuregelungen anhand des Arbeitsschutzkontrollgesetzes einen verfassungswidrigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG der Zeitarbeitsunternehmen. Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich dabei aus dem Verstoß gegen das Übermaßverbot.

Bereits die Geeignetheit der Beschränkungen des Fremdpersonaleinsatzes via Leihe zur Erfüllung der gesetzlichen Ziele, Gesundheits- und Arbeitsschutz, habe der Gesetzgeber nicht valide belegen können. In diesem Rahmen weist der iGZ darauf hin, dass es in der Diskussion um den Gesetzesentwurf stets um den Einsatz von Fremdpersonal anhand von Werkverträgen gegangen sei. Die Zeitarbeit dagegen sei nicht thematisiert und damit deren Regelungsbedarf, der aufgrund des umfangreichen Schutzes durch das AÜG sowie des geringen Anteils an Leiharbeitern in der Fleischindustrie, gar nicht bestünde, nicht differenziert berücksichtigt worden. Ein gesetzliches Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft zu verbessern, würde durch ein sektorales Leiharbeitsverbot hinsichtlich der vorhandenen gesetzlichen und tariflichen Schutz- und Kontrollregelungen für die Zeitarbeit eher noch konterkariert.

Darüber hinaus seien mildere Mittel gleicher Eignung nicht ausgeschöpft worden, das sektorale Verbot mithin nicht erforderlich. Der iGZ zeigt auf, dass der Gesetzgeber insbesondere die Wirkung der Maßnahmen in Form der Verstärkung der Kontrolltätigkeit und des Ausbaus gesetzlicher Grundlagen, die ebenso im Arbeitsschutzkontrollgesetz enthalten sind, abwarten müsse, bevor drastische Einschränkungs- und Verbotsmaßnahmen gegenüber der Zeitarbeit ergriffen werden dürften. Ferner wird in der Stellungnahme die Argumentation des Gesetzgebers, Ausweichbewegungen von Werkverträgen in die Zeitarbeit verhindern zu wollen, mit dem Hinweis auf eine mögliche engmaschigere Kontrolle und das umfassende Arbeitsschutzkonzept im AÜG widerlegt.

III. Weitere Stimmen

In seiner Stellungnahme verweist der iGZ außerdem auf weitere Stimmen, die die Verfassungskonformität des Arbeitsschutzkontrollgesetzes als nicht gegeben sehen. Neben einem Gemeinschaftsaufsatz in der NZA 2020, 1160 haben sich einige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sowie die Bundesrechtsanwaltskammer dahingehend zweifelnd geäußert.

IV. Ausblick

Abschließend stellt der iGZ in der Stellungnahme klar, dass die Verfassungsbeschwerden gegen das Arbeitsschutzkontrollgesetz aufgrund der Unverhältnismäßigkeit offensichtlich begründet seien und der Eilrechtsschutz durch das BVerfG demnach und im Hinblick auf die irreversiblen Nachteile, die bei Inkrafttreten des Gesetzes entstünden, gewährt werden sollte.

Ob das BVerfG der Stellungnahme des iGZ folgt und die entsprechenden Vorschriften des Arbeitsschutzkontrollgesetzes vorübergehend aussetzt, bleibt abzuwarten. Aufgrund der Dringlichkeit ist mit einer alsbaldigen Entscheidung im Rahmen der Eilverfahren zu rechnen.

Anschließend ist auf die Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache zu warten. Neben der Verfassungsmäßigkeit wurde aber auch die Europarechtskonformität hinsichtlich der Art. 45, 56 EUV sowie Art. 4 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG bereits in Frage gestellt. Im Falle einer negativen Entscheidung des BVerfG könnte die Thematik daher noch bis vor den EuGH führen.

Arbeitsrecht

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