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Leitfaden für Mindest­abstände von Wind­energie­anlagen zu Schutz­objekten

21.12.2017

Noerr hat im Auftrag des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW einen Anwendungsleitfaden zur probabilistischen Ermittlung von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und Schutzobjekten (z. B. Biogasanlagen) erstellt. Der juristische Anwendungsleitfaden fußt in technischer Hinsicht auf einem von der Dr. Ing. Veenker Ingenieurgesellschaft mbH erarbeiteten Generalgutachten und soll maßgeblich zur Rechtssicherheit und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren beitragen.

Anforderungen an die Errichtung von Windenergieanlagen

Bei Errichtung und Betrieb von Windenenergieanlagen müssen vielfältige öffentlich-rechtliche Anforderungen geprüft und eingehalten werden. Hierzu zählen etwa Anforderungen des Bauplanungsrechts, des Natur- und Artenschutzes sowie des Schallschutzes. Auch dürfen durch Windenergieanlagen keine sog. sonstigen Gefahren für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden. Solche Gefahren können in einem technischen Versagen der Windenergieanlagen bestehen und sich beispielsweise in dem Abwurf von Rotorblattteilen oder Eisfragmenten bzw. dadurch verursachter Schäden an Schutzobjekten manifestieren.

Diesen Gefahren kann unter anderem durch die Einhaltung von Mindestabständen begegnet werden. Indes stellt die Rechtsordnung bislang nur in begrenztem Maße konkrete Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Schutzobjekten zur Verfügung. So enthalten die Windenergieerlasse der Bundesländer zwar verschiedenste Abstandvorgaben für Windenergieanlagen. Diese verfolgen jedoch nur in den seltensten Fällen Gefahrenabwehrzwecke.

Das Generalgutachten

Vor diesem Hintergrund hat die Dr. Ing. Veenker Ingenieurgesellschaft mbH in Zusammenarbeit mit einem Fachgremium bestehend aus Vertretern der betroffenen Schutzobjekte bzw. der dahinter stehenden Industriezweige, einer Genehmigungsbehörde und der Windenergiebranche ein (General-)Gutachten erarbeitet. Darin werden unter Anwendung probabilistischer Bewertungsmethoden – auf der Grundlage konservativer Ansätze (abstrakt) – Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen auf der einen und Ferngasleitungen, Mineralölfernleitungen, Einrichtungen der E&P-Industrie, Kavernen, Biogasanlagen, Verkehrswegen, Deichanlagen und Einzelbauwerken auf der anderen Seite berechnet.

Probabilistischer Ansatz im Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen

Die in dem Generalgutachten unter Verwendung probabilistischer Verfahren ermittelten Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und Schutzobjekten sind rechtlich zutreffend im jeweiligen Zulassungsverfahren, d. h. regelmäßig im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen zu verorten. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungspflichtige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt sonstige Gefahren für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Die im Generalgutachten betrachteten Szenarien können solche sonstigen Gefahren darstellen.

Anwendungsleitfaden

Aus den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen sowie der Methodik des Generalgutachtens leitet sich zwanglos folgende Prüfungsreihenfolge für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ab:

1. Hält die Windenergieanlage den im Generalgutachten für eine Anlage des betreffenden Typs ausgewiesenen Mindestabstand zum Schutzgut ein?

Wird der probabilistisch auf der Grundlage konservativer Ansätze (abstrakt) ermittelte Mindestabstand eingehalten, stellt das betrachtete Szenario keinen Versagungsgrund im Sinne einer sonstigen Gefahr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Wird der Abstand unterschritten, ist mit Frage 2 fortzufahren.

2. Liegt ein probabilistisches Einzelfallgutachten vor und wird der darin für den konkreten Fall ausgewiesene Mindestabstand eingehalten?

Wird der probabilistisch für den konkreten Einzelfall (z. B. unter Berücksichtigung des konkreten Anlagentyps bzw. der konkreten Windverhältnisse) ermittelte Mindestabstand eingehalten, stellt das betrachtete Szenario keinen Versagungsgrund im Sinne einer sonstigen Gefahr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Wird der Abstand unterschritten, ist mit Frage 3 fortzufahren.

3. Sind Sicherungsmaßnahmen denkbar bzw. vorgesehen, durch die sich die Eintrittswahrscheinlichkeit des betrachteten Szenarios weiter reduziert?

Durch die Umsetzung von Sicherungsmaßnahmen an der Windenergieanlage (z. B. Verdichtung der Überwachung) oder dem Schutzobjekt (z. B. zusätzliches Abdecken von eingeerdeten Leitungen) lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit und damit der einzuhaltende Mindestabstand weiter reduzieren. Zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG wird regelmäßig ein – entsprechend angepasstes – probabilistisches Einzelfallgutachten erforderlich sein. Entbehrlich kann dies sein, wenn der im Einzelfallgutachten ohne Sicherungsmaßnahmen ausgewiesene Mindestabstand nur geringfügig unterschritten wird. Im Falle von Sicherungsmaßnahmen am Schutzobjekt ist die Umsetzbarkeit entsprechend abzusichern.

Gerne können Sie den juristischen Anwendungsleitfaden und das Generalgutachten bei uns anfordern. Sprechen Sie uns an!

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