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LG Dresden: Mindest­laufzeit von 20 Jahren in Betriebs­führungs­verträgen unwirksam

21.07.2021

Das Landgericht Dresden hat mit Urteil vom 25.06.2021 (Az. 44 HK O 80/19, nicht rechtskräftig) entschieden, dass eine AGB-Klausel über eine Mindestvertragslaufzeit von 20 Jahren in einem Vertrag über die Betriebsführung von Windenergieanlagen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

Hintergrund und Sachverhalt

Die klagende Betriebsführerin begehrte die Vergütung aus einem Betriebsführungsvertrag. Die Beklagte ist Betreiberin von Windenergieanlagen. Der zwischen den Parteien geschlossene Betriebsführungsvertrag enthält eine Klausel über eine Mindestvertragsdauer von 20 Jahren. Die Beklagte hat den Vertrag vor Ablauf der 20 Jahre ordentlich gekündigt. Streitig war insbesondere die Frage, ob die ordentliche Kündigung auf Grund der vereinbarten Mindestvertragsdauer unwirksam ist.

Die Entscheidung des Landgerichts Dresden

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die von Noerr vertretene Beklagte habe den Vertrag wirksam gekündigt. Das Landgericht wertete die streitgegenständliche Klausel als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.

Die Klausel über die Mindestvertragsdauer von 20 Jahren stelle eine unangemessene Benachteiligung der Betreiberin des Windparks dar. Eine Regelung über eine derart lange Mindestvertragslaufzeit sei nur bei Bestehen eines besonderen Interesses des Verwenders wirksam. Beispielsweise könne bei hohen Investitionskosten, die sich nur durch eine lange Vertragslaufzeit amortisieren lassen, ein solches vorliegen. Bei der üblichen Betriebsführung von Windenergieanlagen fielen jedoch üblicherweise keine erheblichen Investitionskosten bei der Betriebsführerin an. Hinzukomme, dass die Rechtsprechung bei Wartungsverträgen schon eine Klausel über eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren als unwirksam ansieht. Die Klägerin habe vorliegend auch kein besonderes Interesse dargelegt. Ihr Versuch, durch die Klausel eine Gewinnmaximierung zu erzielen, sei gerade nicht schützenswert.

Nach dem Landgericht bestehe vielmehr ein besonderes Interesse des Betreibers von Windenergieanlagen an einer – wie im Dienstvertragsrecht üblichen – kurzen Kündigungsfrist. Beispielsweise könne der Betreiber die Betriebsführung selbst übernehmen wollen. Außerdem müsse der Betreiber die Möglichkeit haben, günstigere Anbieter zu wählen. Dies gelte gerade in einer „boomenden“ Branche mit wachsender Konkurrenz. Ferner müsse der Betreiber die Möglichkeit haben, sich zeitnah vom Vertrag zu lösen, wenn die Leistungen des Betriebsführers hinter seinen Erwartungen zurückbleiben.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis. Gerade im Kontext von Verkäufen von Windparks von den ursprünglichen Entwicklern an Investoren werden nicht selten langlaufende technische und/oder kaufmännische Betriebsführungsverträge mit verkauft. Über solche langlaufenden Betriebsführungsverträge verdienen die Entwickler oder konzernverbundene Unternehmen oftmals auch nach dem Verkauf des Windparks über einen längeren Zeitraum an dem Projekt mit.

Mit dem Urteil des LG Dresden könnte diese intransparente und den Wettbewerb beschränkende Praxis ein Ende finden oder zumindest erheblich eingeschränkt werden.

Investoren, die in der Vergangenheit Windparks erworben haben und dabei langlaufende Betriebsführungsverträge mit nicht marktgerechten Konditionen übernehmen mussten, können gestützt auf das Urteil des LG Dresden mit guten Erfolgschancen versuchen, diese Verträge durch eine ordentliche Kündigung vorzeitig zu beenden. Über den Abschluss neuer Betriebsführungsverträge können diese Projektgesellschaften in erheblichem Umfange Kosten einsparen.

Die Entscheidung des LG Dresden sowie deren Begründung lassen sich im Übrigen zwanglos auf ähnliche Konstellationen bei Solarparks oder auf Investitionen in konventionelle Stromerzeugungsanlagen übertragen.

Will Ihr Unternehmen sich von langlaufenden Betriebsführungsverträgen befreien? Haben Sie Fragen? Dann kommen wir gerne unverbindlich mit Ihnen ins Gespräch.

 

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