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LkSG-Update: BAFA Hand­reichung zur Angemess­enheit und weitere Informa­tionen zur Wirksamkeit

19.01.2023

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat eine Handreichung und weitere Informationen zum Prinzip der Angemessenheit und Wirksamkeit nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) veröffentlicht.

Das Prinzip der Angemessenheit bezieht sich auf alle Sorgfaltspflichten und ist ein Grundprinzip des LkSG. Das BAFA erläutert in der Handreichung sein Verständnis von diesem Begriff und gibt praktische Hinweise zum Umgang mit diesem Prinzip bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten.

Für die Praxis besonders bedeutsame Punkte der Handreichung fassen wir nachfolgend zusammen:

Begriffsbestimmung: Prinzip der Angemessenheit

Hinsichtlich der Definition der Angemessenheit verweist das BAFA auf die in § 3 Abs. 2 LkSG genannten Angemessenheitskriterien und legt diese aus:

  • Art und Umfang der Geschäftstätigkeit: Zu berücksichtigen sind die Komplexität der Beschaffenheit oder Art der Produkte bzw. Dienstleistungen, Vielfältigkeit der Leistungen und Geschäftsbeziehungen, Ausrichtung des Unternehmens (regional oder überregional), Bestehen von länder-, branchen- oder warengruppenspezifischen Risken, Anfälligkeit des Unternehmens für Risiken (also Häufigkeit der Risiken) sowie Unternehmensgröße (Anzahl der Beschäftigen, Umsatz, Anlage- und Betriebskapital, Produktionskapazität).

  • Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher: Dies bemisst sich nach der Nähe des Unternehmens zum Risiko. Ist der unmittelbare Lieferant der Verursacher, spielt für das Einflussvermögen auf das Risiko und den Lieferanten der Grad der Marktdominanz des Unternehmens (bspw. im Vergleich zu Wettbewerbern) oder das Auftragsvolumen im Verhältnis zum Gesamtumsatzvolumen des unmittelbaren Zulieferers eine Rolle. Über dieses Gesamtumsatzvolumen des unmittelbaren Zulieferers soll sich das Unternehmen schrittweise Transparenz verschaffen. Indiz für das eigene Einflussvermögen auf den unmittelbaren Zulieferer soll etwa die Bereitschaft des unmittelbaren Zulieferers sein, an Verbesserungen mitzuwirken.

  • Typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung, Unumkehrbarkeit der Verletzung und Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht:

    • Die Schwere soll sich nach dem Grad der Beeinträchtigung bestimmen, also der Intensität oder Tiefe einer Verletzung. Zu berücksichtigen ist, ob eine Verletzung umkehrbar ist.

    • Für die Eintrittswahrscheinlichkeit sollen etwa Verletzungen in der Vergangenheit maßgeblich sein, aber auch das bisherige Verhalten des Verursachers und das Bestehen von möglichen Präventionsmaßnahmen.

  • Art des Verursachungsbeitrages des Unternehmens zum Risiko oder der Verletzung: Risiken im eigenen Geschäftsbereich verursacht das Unternehmen in der Regel selbst. Risken bzw. Verletzungen werden etwa durch das Erlauben, Ermöglichen oder Motivieren einer Handlung mitverursacht.

Durch das Prinzip das Angemessenheit steht dem Unternehmen ein Ermessens- und Handlungsspielraum für die Umsetzung (also das „Wie“) der Sorgfaltspflichten zu. Von der Unternehmens- und Risikosituation soll abhängen, in welcher Intensität und Reihenfolge das Unternehmen die Risiken angeht.

Das BAFA betont, dass die einzelnen Angemessenheitskriterien nicht in einer bestimmten Hierarchie zueinanderstehen, sondern stets gleichrangig zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich kann zwar das Unternehmen im Rahmen der Priorisierung einzelne – als hoch eingestufte Risiken – zunächst bearbeiten. Allerdings darf sich das Unternehmen hierbei nicht nur auf die Akteure beschränken, bei denen ein hohes Einflussvermögen besteht, sondern muss sich am Ende mit allen Akteuren und Risiken auseinandergesetzt haben.

Begriffsbestimmung: Prinzip der Wirksamkeit

Maßnahmen sind wirksam, wenn sie ermöglichen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen und zu minimieren, Verletzungen zu verhindern, zu beenden oder deren Ausmaß zu minimieren, vgl. § 4 Abs. 2 LkSG.

Zusammenspiel Wirksamkeit und Angemessenheit

Das BAFA verdeutlicht den engen Zusammenhang zwischen Angemessenheit und Wirksamkeit. Nur aus wirksamen Maßnahmen dürfen Unternehmen angemessen auswählen. Dies soll gewährleisten, dass eine angemessene Maßnahme stets auch wirksam Risken oder Verletzungen verringert oder beendet. Über die Wirksamkeits- und Angemessenheitsprüfung soll das Unternehmen die Maßnahmen auswählen und so Ressourcen zielführend einsetzen.

Erster Eindruck und Kritikpunkte

Die Veröffentlichung berührt grundlegende Themen, die noch vertieft zu behandeln sein werden.

  • Verengung des vom LkSG vorgesehenen Ermessens- und Handlungsspielraums
    Ein Blick in die Beispiele lässt vermuten, dass das BAFA den vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessens- und Handlungsspielraum verengt und sogar teilweise ganz schließt. Möchte ein Unternehmen bspw. eine Akquisition in einem Land vornehmen und stellt dieses Unternehmen im Rahmen der Risikoanalyse fest, dass in der zu erwerbenden Gesellschaft Kinder im Alter von unter 15 oder 13 beschäftigt werden, muss es angemessene Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen. Laut BAFA kommt das Unternehmen seiner Pflicht nur dann nach, wenn höhere Löhne ausgezahlt, Kinderarbeit untersagt und adäquate Betreuungsmöglichkeiten (also Schulen) für Kinder vor Ort vorgesehen werden. Das Unternehmen wird, da es laut BAFA als wirksames uns angemessenes Mittel angesehen wird, hier also zur Eröffnung einer Schule vor Ort verpflichtet und kann nicht entscheiden, ob bereits die Auszahlung höherer Löhne, die Untersagung der Kinderarbeit, die Schulung der Mitarbeiter:innen vor Ort und die Förderung von bereits bestehenden Schulen und/oder die Teilnahme an örtlichen Initiativen wirksam ist. Es entsteht hierbei der Eindruck, dass das BAFA sich zu sehr von entwicklungspolitischen Erwägungen leiten lässt und staatliche Verantwortung gänzlich auf Unternehmen abwälzt.

  • Einflussvermögen:
    Während das BAFA sehr detailliert das Einflussvermögen auf den unmittelbaren Zulieferer als Verursacher eines Risikos oder einer Verletzung beschreibt, schweigt es zum Einflussvermögen auf mittelbare Zulieferer. Dies ist für uns nicht verständlich, denn gerade hier stellt sich in der Praxis die Frage, ob und wie Unternehmen auf mittelbare Zulieferer (ohne bestehende Vertragsbeziehung) überhaupt Einfluss nehmen können.

Es könnte also der Eindruck entstehen, dass das BAFA den Ermessens- und Handlungsspielraum verengt. Allerdings stünde eine solche Tendenz allen Verlautbarungen des Gesetzgebers entgegen. Denn dieser betont im Rahmen der Gesetzesbegründung an zahlreichen Stellen, dass den Unternehmen bei allen Entscheidungen ein weiter Ermessens- und Handlungsspielraum zusteht. Es bleibt abzuwarten, was vom Spielraum, den der Gesetzgeber eingeräumt hat, in der Anwendungspraxis des LkSG verbleibt. 

 

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