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Markt­verhältnisse bei Online-Werbung: Bundes­kartell­amt startet Sektor­untersuchung

05.02.2018

Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung im Bereich Online-Werbung eingeleitet. Untersucht werden insbesondere die Marktstruktur sowie die Marktchancen der verschiedenen Akteure in diesem hochgradig technisierten Bereich. Das Amt hat verschiedene Themen (u. a. „Walled Gardens“) als wettbewerblich bedeutsam identifiziert. Die in dem relevanten Markt tätigen Unternehmen sollten bereits jetzt ihre Geschäftspraktiken auf die Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht überprüfen.

Worum geht es?

Das Bundeskartellamt nutzt das neue Jahr, um eine weitere Sektoruntersuchung einzuleiten: In den nächsten Monaten wird das Amt die Marktverhältnisse bei Online-Werbung analysieren. Insbesondere werden die Auswirkungen der gegenwärtigen und absehbaren technischen Entwicklung auf die Marktstruktur sowie die Marktchancen der verschiedenen Akteure untersucht. Konkret wird sich das Amt dabei mit der Funktionsweise und der Bedeutung verschiedener technischer Dienste auseinandersetzen. Hierzu gehören zum Beispiel Angebote zur Sichtbarkeitsmessung, zur Datenerhebung und zur Betrugsprävention sowie von Diensten, die stärker auf der Ebene der eigentlichen Vermarktung bzw. der Beschaffung von Werbeflächen verortet sind.

Die Behörde begründet das Einleiten dieser Untersuchung mit der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Online-Marktes für Werbetreibende sowie für Anbieter von Inhalten im Netz und verweist auf vorherrschende Diskussionen um ein schwieriges wettbewerbliches Umfeld auf diesem Markt. In seiner Pressemeldung verweist das Bundeskartellamt hierzu ausdrücklich auf die beiden Internet-Giganten Facebook und Google, deren Marktmacht auch in anderen Verfahren der deutschen Kartellbehörde (siehe hierzu Beiträge hier und hier) sowie der Europäischen Kommission untersucht wird bzw. wurde. Die Digital Economy ist damit kurz nach dem Ende der Sektoruntersuchung der Europäischen Kommission zum elektronischen Handel (Abschlussbericht hier) erneut Gegenstand einer Sektoruntersuchung.

Im Rahmen der Sektoruntersuchung wird das Bundeskartellamt diesbezüglich u. a. Vorwürfen nachgehen, wonach diese Unternehmen geschlossene Systeme, sogenannte „Walled Gardens“, etabliert haben, die vom Hersteller oder Betreiber mit Restriktionen für die Nutzer versehen und den Nutzern damit tiefere Einblicke in die Plattform verwehren würden. Für Werbetreibende seien deswegen diese Werbeplattformen weniger transparent, wodurch beispielsweise die unabhängige Messung der Werbereichweiten bzw. der Werbewirkung erschwert würde. Zudem werde durch die geschlossenen Systeme auch die Bekämpfung des Online-Werbebetrugs („Ad Fraud“) schwieriger. Als wettbewerblich bedeutsam nennt das Bundeskartellamt daneben auch die Frage des Zugangs zu Daten und deren Verarbeitung.

In einem zeitgleich mit der Bekanntgabe der Einleitung der Sektoruntersuchung veröffentlichten Beitrag zur „Online-Werbung“ in der Schriftenreihe „Wettbewerb und Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft“ (abrufbar unter folgendem Link) identifiziert das Bundeskartellamt neben den „Walled Gardens“, „Ad Fraud“ und dem Zugang zu Daten auch die folgenden Themen als von besonderem Interesse im Bereich der Online-Werbung: Mobile Werbung, AMP (Accelerated Mobile Pages), Markensicherheit („Brand Safety“) sowie Werbeblocker („Ad Blocker“).

Es ist nicht auszuschließen, dass auch diese Themen im Rahmen der Sektoruntersuchung aufgegriffen werden.

Was haben Unternehmen zu erwarten?

Bei einer Sektoruntersuchung besteht kein konkreter Verdacht, dass bestimmte Unternehmen gegen rechtliche Vorgaben verstoßen haben. Vielmehr soll zunächst nur generell geprüft werden, ob branchenweite Defizite bestehen, die ggf. weitere Maßnahmen erforderlich erscheinen lassen.

Zunächst wird das Bundeskartellamt Gespräche mit verschiedenen Unternehmen aus den betroffenen Wirtschaftskreisen führen, um die einzelnen Sichtweisen auf die oben gennannten Aspekte vertieft zu erfassen und die Untersuchungsgegenstände weiter einzugrenzen. Darauf aufbauend werden im Frühjahr 2018 erste Fragebögen an Marktteilnehmer versandt werden, die diese dann innerhalb von etwa ein bis zwei Monaten beantworten müssen.

Die durch das Bundeskartellamt befragten Unternehmen sind verpflichtet, den Fragenkatalog zu beantworten, ggf. auch Informationen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen offenzulegen und entsprechende Unterlagen herauszugeben. Auch interne Unterlagen wie beispielsweise Marktstudien, die Aussagen zu den Wettbewerbsbedingungen und der Marktlage enthalten, können herausverlangt werden.

Die Beantwortung der Fragen sowie die Identifizierung und Sammlung der benötigten Unterlagen kann unserer Erfahrung nach äußerst zeitintensiv sein. Die von dem Bundeskartellamt befragten Unternehmen sollten daher frühzeitig ggf. notwendige organisatorische Maßnahmen treffen, um die fristgerechte Übermittlung der Informationen an das Bundeskartellamt sicherzustellen.

Sofern ein Unternehmen die Informationen bzw. Unterlagen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt bzw. herausgibt, kann das Bundeskartellamt ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro verhängen.  

Wann sind Ergebnisse zu erwarten?

Nach Auswertung der Antworten wird das Bundeskartellamt einen Untersuchungsbericht veröffentlichen. Ausgehend von früheren Untersuchungen kann mit einer Verfahrensdauer von ein bis zwei Jahren gerechnet werden.

Was sind die Folgen?

Bei der Beantwortung der Fragen des Bundeskartellamtes ist Sorgfalt geboten. Jede Antwort kann sich deutlich auf das Untersuchungsergebnis auswirken und dadurch Auslöser für spätere behördliche oder gar gesetzgeberische Maßnahmen sein.

Zudem sollten nicht nur jene Unternehmen, die durch das Bundeskartellamt angeschrieben werden, ihre Geschäftspraktiken kurzfristig auf die Vereinbarkeit mit Kartellrecht überprüfen, sondern auch nicht direkt betroffene Unternehmen.

Es besteht selbstverständlich kein Grund, vorschnell grundlegende Veränderungen an Geschäftsmodellen vorzunehmen. Die Unternehmen sollten jedoch kritisch hinterfragen, ob ihre Geschäftsprozesse und vertraglichen Grundlagen dem aktuellen Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung entsprechen.

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