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Minderung des Annahme­verzugs­lohn­risikos bei Versetzungen

28.09.2021

Veränderungen im Arbeitsverhältnis wie Zuweisung anderer Aufgaben, eines anderen Arbeitsortes, aber auch die (beabsichtigte) Übertragung auf einen neuen Arbeitgeber im Rahmen von Umstrukturierungen führen häufig zu Streit und münden bisweilen sogar in gerichtlichen Auseinandersetzungen. Druckmittel des Arbeitnehmers ist in solchen Situationen zumeist der Annahmeverzugslohn: Wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen nicht vertragsgemäß beschäftigt, gerät der Arbeitgeber gem. § 615 S. 1 BGB in Annahmeverzug, d.h. er bleibt zur Zahlung der Vergütung verpflichtet, obwohl der Mitarbeiter keine Arbeitsleistung erbringt (sog. Annahmeverzugslohn). Gerade bei langdauernden gerichtlichen Verfahren ist das wirtschaftliche Risiko für den Arbeitgeber erheblich. Unter Nutzung der von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten lässt es sich aber deutlich reduzieren. Über die bereits in unserem Beitrag vom 22.01.2021 aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten hinaus hat das BAG jüngst folgende Gestaltungsoptionen des Arbeitgebers bestätigt.

Strategie des Arbeitgebers: Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes durch den Arbeitnehmer

Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung während des Annahmeverzugs entfällt gem. § 615 S. 2 BGB, soweit der Mitarbeiter es „böswillig“ unterlässt, während des Annahmeverzugs anderweitigen Verdienst zu erzielen. Ein „böswilliges“ Unterlassen in diesem Sinne liegt immer dann vor, wenn dem Mitarbeiter eine zumutbare Tätigkeit angeboten wird, er sie aber ablehnt. Dann muss der Mitarbeiter sich auf den Annahmeverzugslohn das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er das Angebot angenommen hätte.

Auch eine vertragswidrige Tätigkeit ist zumutbar

Bei einem Streit um die Wirksamkeit einer Versetzung, in dem der Arbeitnehmer behauptet, die Versetzung sei unwirksam, weil er auf dem Arbeitsplatz, auf den er versetzt werden solle, nicht arbeiten müsse, ist deshalb das Angebot (nicht: die Weisung) für die Dauer eines Rechtsstreits um die Frage der Wirksamkeit der Versetzung schon einmal auf dem „neuen“ Arbeitsplatz zu arbeiten, eine wichtige Gestaltungsoption für Unternehmen. Zumutbar ist nach der Rechtsprechung des BAG nämlich ggf. auch eine vertragswidrige Beschäftigung (vgl. schon BAG v. 07.02.2007 – 5 AZR 422/06, Rn. 16). Die hat das BAG in einer jüngeren Entscheidung nochmals ausdrücklich bekräftigt (BAG v. 23.02.2021 – 5 AZR 213/20, Rn. 17):

„Die rechtskräftig festgestellte Unwirksamkeit der Versetzung und die mit einer unbilligen Weisung einhergehende Unverbindlichkeit […] schließen nicht zwangsläufig Böswilligkeit iSd. § 615 Satz 2 BGB aus. […]. Dass der Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung vertragsrechtlich nicht folgen muss […] besagt nichts darüber, ob ihn im Annahmeverzug nach § 615 Satz 2 BGB die Obliegenheit trifft, aus Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) vorübergehend eine nicht vertragsgerechte Arbeit zu verrichten und dadurch einen zumutbaren anderweitigen Verdienst zu erzielen. […].“

Unternehmen sollten daher bei einem Streit um die Wirksamkeit einer Versetzung stets das Angebot, dennoch erst einmal auf der „neuen“ Stelle tätig zu werden, im Blick behalten. Das gilt auch im Rahmen von Änderungskündigungen.

Möglicher anderweitiger Verdienst durch Einsatz als Leiharbeitnehmer

Genutzt werden kann diese Option ggf. sogar bei betriebsbedingten Beendigungskündigungen, soweit sich die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht bei dem bisherigen Arbeitgeber, sondern einem Drittunternehmen befindet. Selbst die Zuweisung einer Tätigkeit durch den Vertragsarbeitgeber bei einem anderen Unternehmen kann dem Mitarbeiter zumutbar sein und den Annahmeverzugslohn ausschließen. Das muss insbesondere im Rahmen von Umstrukturierungen berücksichtigt werden. Bestätigt hat das BAG diese Gestaltungsoption jüngst in seinem Urteil vom 19.05.2021 (5 AZR 420/20):

Veräußerer und Erwerber hatten vereinbart, dass die im Rahmen eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB widersprechenden Mitarbeiter für die Dauer von 12 Monaten bei dem Erwerber als Leiharbeitnehmer eingesetzt werden können, um die bei dem Erwerber durch den Widerspruch entstehende Vakanz zu kompensieren. Darüber hinausgehende Änderungen waren damit für den Mitarbeiter nicht verbunden. Die betroffenen Mitarbeiter hätten dieselbe Tätigkeit in denselben Räumlichkeiten bei unveränderter Vergütung verrichten sollen – lediglich das Direktionsrecht wäre zwischen Vertragsarbeitgeber als Verleiher und Erwerber als Entleiher aufgespalten gewesen. Dies hat das BAG zu Recht für zumutbar gehalten und deshalb einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn abgelehnt (Urteil v. 19.05.2021 – 5 AZR 420/20, Rn. 17):

„Die von der Beklagten angebotene, auf zwölf Monate befristete anderweitigen Beschäftigung war als solche der Klägerin an sich zumutbar. Es sollten sich weder die Art der Tätigkeit, noch der Arbeitsort, noch die von der Klägerin bezogene Vergütung ändern. Sie hätte nicht vorübergehend in ein „klassisches“ Leiharbeitsverhältnis wechseln müssen, sondern lediglich ihre bisherige Arbeitsleistung zu den bisherigen Konditionen für einen Dritten erbringen müssen. Dabei wäre sie zwar, soweit es die Erbringung der Arbeitsleistung betrifft, (auch) dessen Direktionsrecht unterworfen gewesen. Die Klägerin hat aber keine Bedenken gegen die Person der Erwerberin geltend gemacht. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten und unzumutbaren Nachteile mit dem „gespaltenen Direktionsrecht“ für die Klägerin verbunden gewesen wären. […].“  

Fazit

Die Rechtsprechung des BAG ermöglicht es dem Arbeitgeber auch, sein Annahmeverzugslohnrisiko zu minimieren, indem er zumutbare anderweitige Beschäftigungen anbietet. Der dadurch für den Mitarbeiter entstehende wirtschaftlichen Druck lässt sich für Verhandlungen mit dem Mitarbeiter nutzen, zumal der Arbeitgeber bis zu einer abschließenden gerichtlichen Klärung die Gehaltszahlungen einstellen könnte, wenn er das Risiko von Verzugszinsen nicht scheut.  

Arbeitsrecht

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