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Mobilithek - Nationaler Zugangspunkt für Mobilitätsdaten gestartet

07.07.2022

Bereits im November 2021 wurde sie angekündigt und jetzt ist sie da: Die Mobilithek als neuer einheitlicher Zugangspunkt für Mobilitätsdaten wurde am 01.07.2022 offiziell gelauncht. Stück für Stück soll diese einerseits das OpenData-Portal mCLOUD und den Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM) ablösen, andererseits die Nutzbarkeit von Mobilitätsdaten für neue Geschäftsmodelle und Verkehrskonzepte steigern.

Schon heute sind Daten das Herzstück der digitalen Wirtschaft und spielen auch in klassischen Geschäfts- und Lebensbereichen eine immer größer werdende Rolle. Gerade in Branchen, die von gewachsenen Strukturen geprägt sind, ist eine umfassende Datenanalyse oft der Schlüssel zu einer Digitalisierung und Modernisierung. Schätzungen zufolge werden 80 % der Industriedaten derzeit nicht genutzt. Der Bereich öffentliche Verkehrsinfrastruktur ist ein gutes Beispiel hierfür: Die Daten werden dezentral bei dem jeweiligen Unternehmen erhoben und können darum nicht ohne weiteres für verkehrsmittelübergreifende Informations- und Buchungsapps genutzt werden. Die Mobilithek soll nun (wie deren Vorgänger in Gestalt des OpenData-Portal mCLOUD und des MDM) diesem Zustand Abhilfe schaffen. Unionsrechtlicher Hintergrund ist die „Delegierte Verordnung“ (EU) 2017/1926, die auf der "Richtlinie 2010/40/EU zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme (IVS) im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern" aufbaut.

Die rechtliche Grundlage sowie Rechte und Pflichten im Rahmen der öffentlich zur Verfügung zu stellenden Mobilitätsdaten sind seit dem Gesetz zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts (PBefG) vom 16.04.2021 in den §§ 3 ff. PBefG und der darauf aufbauenden und konkretisierenden Mobilitätsdatenverordnung geregelt. Stufenweise traten immer weitreichendere Datenbereitstellungspflichten in Kraft. Zum 01.07.2022 müssen die Adressaten des PBefG, insbesondere der Personennahverkehr, Kraftfahrzeuge im Linienverkehr und Kraftfahrzeuge im Gelegenheitsverkehr auch dynamische Daten zur Verfügung stellen.

Ein echter Game-Changer: Gemäß dem neu gefassten § 3 der Mobilitätsdatenverordnung gilt seit dem 01.07.2022 sogar eine Bereitstellungspflicht für bestimmte dynamische Daten. Dies sorgte bereits im Gesetzgebungsverfahren der PBefG-Novelle für weitreichende Kritik, da mit dieser Bereitstellungspflicht auch sensible, teils als Geschäftsgeheimnis angesehene Daten nach Wunsch des Verkehrsministeriums zugänglich gemacht werden sollen. Welche Daten als dynamische Daten im Sinne des § 3a PBefG anzusehen sind und damit von den betroffenen Unternehmen zu veröffentlichen sind, wurde unlängst mit der 2. Änderungsverordnung zur Mobilitätsdatenverordnung am 10.06.2022 konkretisiert. Besonders delikat für die betroffenen Unternehmen im Gelegenheitsverkehr sind dabei, wie erwähnt, die dynamischen Echtzeitdaten zu den verfügbaren Fahrzeugen im Verkehr, der Auslastung und des tatsächlich abgerechneten Fahrtpreises. Branchenverbände sehen hierin einen empfindlichen Eingriff in die Geschäftspraktiken der Beförderungsunternehmen und kritisieren die weitreichende Bereitstellungspflicht. Auch das genaue Verhältnis zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen der DS-GVO bereitet der Praxis Kopfzerbrechen – immerhin können Echtzeitdaten über Fahrzeuge unter Umständen Personenbezug haben. Laut Pressemitteilung des BMDV sollen auch diese dynamischen Daten als offene Daten uneingeschränkt für Dritte nutzbar sein. Inwieweit diese Ziele sich mit der Mobilithek erreichen lassen, bleibt abzuwarten und ist entscheidend mit der weiteren Umsetzung von Bereitstellungspflichten verbunden. Zunächst gilt es jedoch, die in den Vorgängerportalen gespeicherten und gesammelten Daten auf die neue Plattform zu übertragen und die alten Plattformen vollständig abzulösen. Ab Februar 2023 sollen dann erste Funktionen wie Berechnungen innerhalb der Mobilithek möglich sein. 

Im Ergebnis verspricht die Mobilithek neue Möglichkeiten der Datenanalyse. Es ist zu erwarten, dass insbesondere durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) neue Wertschöpfungsmöglichkeiten rum um die Mobilithek entstehen werden, etwa im Bereich der gezielten Verkehrssteuerung und der nachhaltigen Verkehrsplanung. Unternehmen, die mit Mobilitätsdaten neue Geschäftsmodelle erproben wollen, müssen sich dann die Frage stellen, wie sich Risiken mangelnder Datenqualität (vertraglich) allokieren lassen. Einerseits sollen bestimmte Daten über die Mobilithek offen und uneingeschränkt zugänglich gemacht werden (sog. Open Data) – hier stellt sich die Frage, wie sich sekundäre KI-Analyseergebnisse rechtlich abgrenzen und vertraglich absichern lassen. Andererseits soll die Mobilithek als „Daten-Marktplatz“ einen privaten Datenaustausch mit individuell zu verhandelnden Nutzungsrechten ermöglichen. Hier bleibt mit Spannung abzuwarten, welche Standards und Best Practices sich bei der Gestaltung der zugrundeliegenden Datenlizenzen durchsetzen werden.

 

 

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