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Nachweis der ernsthaften Benutzung im Unionsmarkenrecht

06.11.2020

In seinem Urteil vom 16. Juni 2020 in der Rechtssache C-714/18 P hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der Frage befasst, wann eine Marke, die für eine Gruppe von Waren/Dienstleistungen eingetragen ist, aber nur teilweise für diese benutzt wurde, gleichwohl für alle oder eben nur für einen Teil dieser Waren/Dienstleistungen als ernsthaft benutzt anzusehen ist. Für diese Frage kommt es nach dem EuGH darauf an, ob die jeweilige Waren-/Dienstleistungsgruppe in selbständige Untergruppen unterteilbar ist. Diese Beurteilung wiederum ist anhand des Zwecks oder der Bestimmung der Ware/Dienstleistung für den Verbraucher zu treffen. Im konkreten Fall hat der EuGH befunden, dass unterschiedliche Bekleidungswaren ein und denselben Verwendungszweck haben. Damit bestätigt der EuGH das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 13. September 2018 (Rechtssache T-94/17).

Hintergrund des Rechtsstreits

Die ACTC GmbH (ACTC) meldete das Wort „tigha“ als Unionsmarke u.a. für Bekleidungswaren in Klasse 25 an. Die Taiga AB (Taiga) erhob Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr und stützte diesen auf ihre ältere Unionsmarke „TAIGA“, die unter anderem für Schutzbekleidung in Klasse 9 sowie für Bekleidungswaren in Klasse 25 eingetragen war. Im Verlauf der Auseinandersetzung wies Taiga auf den Nichtbenutzungseinwand von ACTC hin die Benutzung ihrer Marke für Schutzbekleidung nach. Die Beschwerdekammer wies die Anmeldung der Marke „tigha“ für Waren in Klasse 25 wegen Verwechslungsgefahr mit der Marke „TAIGA“ zurück. Dabei stellte sich die Beschwerdekammer auf den Standpunkt, Taiga habe die Benutzung für Schutzbekleidung in Klasse 9 sowie für Bekleidungswaren in Klasse 25 nachgewiesen. ACTC legte dagegen Klage beim EuG ein. Sie argumentierte, dass die Beschwerdekammer fälschlicherweise von einer Benutzung der Marke „TAIGA“ für Bekleidung, Oberbekleidung, Unterwäsche, Kopfbedeckungen, Handschuhe, Gürtel und Socken in der Klasse 25 ausgegangen sei. Nach Ansicht von ACTC habe Taiga aber keine Benutzung für all diese Waren nachgewiesen, sondern lediglich für „spezielle wetterschützende Oberbekleidung zum alleinigen Schutz gegen kalte, windige und/oder regnerische Wetterbedingungen“. Die Klage blieb ohne Erfolg, woraufhin ACTC ein Rechtsmittel vor dem EuGH einlegte.

ACTC beruft sich auf eine angebliche Verletzung von Art. 42 Abs. 2 VO 207/2009. Nach dieser Vorschrift kann der Anmelder vom Inhaber der älteren Marke einen Nachweis über die Benutzung der Marke für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen verlangen, sofern die ältere Marke bereits seit mindestens fünf Jahren eingetragen und damit benutzungspflichtig ist. Wurde die ältere Marke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen benutzt, gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen. Nach Ansicht von ACTC habe das Gericht, obwohl es festgestellt hatte, dass die (benutzten) Waren der älteren Marke alle denselben Verwendungszweck haben, zu Unrecht angenommen, dass diese Waren keine selbständige Untergruppe von Waren der Klasse 25 darstellten. Insofern habe das EuG beantworten müssen, ob die ältere Marke für eine derart weite Gruppe von Waren eingetragen ist, dass in dieser Gruppe selbständige Untergruppen enthalten sind, so dass die Benutzung nur spezifische Waren dieser „weiten Gruppe“ betrifft. Des Weiteren habe es berücksichtigen müssen, dass die sich gegenüberstehenden Waren für vielfältige Verwendungen bestimmt sind (nämlich dazu, den Körper zu bedecken, zu verbergen, zu kleiden oder gegen die Elemente zu schützen) und sich ihre Waren und die von Taiga an verschiedene Verkehrskreise richten und in unterschiedlichen Geschäften verkauft werden, so dass sie sich voneinander unterscheiden.

Würdigung der Rechtssache durch den EuGH

Der EuGH bestätigt in seinem Urteil zunächst die vom EuG aufgestellten Grundsätze zur Auslegung des Begriffs „Teil der Waren oder Dienstleistungen“ in Art. 42 Abs. 2 VO 207/2009. Der EuGH erinnert insofern, dass es sich bei dem Begriff der „ernsthaften Benutzung“ um einen autonomen Begriff des Unionsrechts handelt. Eine ernsthafte Benutzung im Sinne der UMV liegt vor, wenn die Marke gemäß ihrer Hauptfunktion, der Herkunftsfunktion, benutzt wird. Denn eine Marke, die nicht benutzt wird, stellt ein Hindernis nicht nur für den Wettbewerb dar, sondern auch für den freien Warenverkehr und den freien Dienstleistungsverkehr. In diesem Zusammenhang ist die Größe der Waren- oder Dienstleistungsgruppen, für die die ältere Marke eingetragen worden ist, ein entscheidender Faktor für das Gleichgewicht zwischen der Aufrechterhaltung und dem Schutz der Ausschließlichkeitsrechte des Inhabers der älteren Marke auf der einen Seite und der Beschränkung dieser Rechte auf der anderen Seite.

Jeweils muss eine Untergruppe der von einer Unionsmarkenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen anhand eines Kriteriums zu bestimmen sein, das es ermöglicht, diese Untergruppe hinreichend genau abzugrenzen. Bei der Unterteilbarkeit in weitere Untergruppen ist daher zwischen zwei Arten von Gruppen zu differenzieren, die jeweils auch auf die Anforderungen an den Nachweis der ernsthaften Benutzung durchschlagen. Handelt sich um eine besonders genau definierte, homogene Gruppe, innerhalb derer keine weiteren eindeutigen Unterteilungen vorgenommen werden können, genügt der Nachweis, dass die ältere Marke für einen Teil dieser Waren oder Dienstleistungen ernsthaft benutzt wird. Sofern eine weite Gruppe vorliegt, die Waren oder Dienstleistungen zusammenfasst, welche eindeutig in mehrere selbständige Untergruppen unterteilbar sind, muss die ernsthafte Benutzung für alle Untergruppen nachgewiesen werden.

Im Rahmen der Prüfung, ob eine selbständige, kohärente Untergruppe gebildet werden kann, kommt der Art oder den Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen ebenso wenig Bedeutung zu wie den Fragen, an welche Verkehrskreise sie sich richten und in welchen Geschäften sie verkauft werden. Stattdessen ist insbesondere auf deren Zweck und Bestimmung abzustellen, denn davon lässt sich der Verbraucher bei der Produktauswahl leiten. Dieses Kriterium ist sodann in kohärenter und konkreter Weise anzuwenden und dient nicht dazu, abstrakt oder künstlich Untergruppen von Waren zu definieren. Hat eine Ware z.B. typischerweise mehrere Zwecke und Bestimmungen, die sich beim Inverkehrbringen der Ware vereinen, so können diese unterschiedlichen Zwecke nicht zur Festlegung von Untergruppen dienen. Vielmehr müssen „ähnliche“ oder nicht „wesentlich unterschiedliche“ Waren oder Dienstleistungen zusammengefasst werden. Insofern ist konkret, hauptsächlich in Bezug auf die Waren, für die der Inhaber der älteren Marke den Nachweis der Benutzung der älteren Marke erbracht hat, zu prüfen, ob diese Waren in Bezug auf die Waren der betreffenden Warengruppe eine selbständige Untergruppe bilden, und zwar in der Weise, dass die Waren, für die die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen wurde, zu der von der Anmeldung dieser Marke erfassten Warengruppe in Beziehung gesetzt werden.

Ergebnis in der konkreten Rechtssache

Dem EuGH zufolge hat das EuG richtigerweise geprüft, ob die in den von Taiga vorgelegten Benutzungsnachweisen bezeichneten Waren in Bezug auf die Waren der Klasse 25, d. h. in Bezug auf die allgemeinere Gruppe, für die die ältere Marke eingetragen wurde, eine selbständige Untergruppe darstellen. Des Weiteren hat das EuG diese Waren zutreffend zu dieser allgemeineren Gruppe in Beziehung gesetzt, bevor es zu dem Schluss gelangt ist, dass diese Waren nicht als wesentlich unterschiedlich angesehen werden können. Schließlich hat das EuG die von ACTC angeführten Verwendungszwecke von Bekleidungsartikeln (nämlich den Körper zu bedecken, zu verbergen, zu kleiden oder gegen die Elemente zu schützen) korrekterweise nicht isoliert berücksichtigt, da sie sich beim Inverkehrbringen dieser Waren vereinen.

Kommentar

Es ist zu begrüßen, dass der EuGH die Kriterien des EuG für die Beurteilung der Benutzung für einen „Teil der Waren oder Dienstleistungen“ bestätigt und insoweit für Klarheit gesorgt hat. Ziel ist es, eine angemessene Balance zu schaffen. Einerseits gilt es, die Rechte des Inhabers der älteren Marke zu beschränken, um zu verhindern, dass einer teilweise genutzten Marke nur deshalb ein erweiterter Schutz zuteilwird, weil sie für eine weite Waren- oder Dienstleistungspalette eingetragen wurde. Andererseits besteht das berechtigte Interesse dieses Markeninhabers daran, seine Waren- oder Dienstleistungspalette in Zukunft in den Grenzen der Begriffe für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen erweitern und dafür den Schutz in Anspruch nehmen zu können, den die Eintragung der Marke ihm verleiht. Ansonsten wäre der Anreiz zu Forschung und Entwicklung gebremst, welche durch das Markenrecht aber gerade gefördert werden sollen.

Markenanmelder sind gut beraten, das vorliegende Urteil des EuGH beim Entwurf neuer Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse zu bedenken.

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