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Neue Urteile des OLG Frankfurt a.M. zum Franchise-Recht

26.09.2022

Neuere Entscheidungen zur vorvertraglichen Aufklärungspflicht des Franchisegebers und zu Gerichtsstandsvereinbarungen in Franchiseverträgen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat sich in gleich zwei Entscheidungen mit der vorvertraglichen Aufklärungspflicht des Franchisegebers auseinandergesetzt. In der ersten Entscheidung vom 01.12.2021 (Az. 12 U 7/21) liefert das OLG Erkenntnisse dazu, ob ein Franchisegeber für Aussagen eines durch ihn empfohlenen Beratungsunternehmens bzw. für ein durch dieses Beratungsunternehmen erstelltes Unternehmenskonzept haftet. Die zweite Entscheidung vom 08.12.2021 (Az. 4 U 251/20) setzt sich mit der vorvertraglichen Aufklärungspflicht in grenzüberschreitenden Masterfranchiseverträgen auseinander. Nebenbei bezieht das OLG Stellung zur Frage, ob Gerichtsstandsvereinbarungen in Franchiseverträgen mit Existenzgründern wirksam vereinbart werden können.

I. Urteil vom 01.12.2021 (Az. 12 U 7/21)

Sachverhalt

Die beklagte Franchisegeberin betreibt ein Franchisesystem, das den Betrieb von Kosmetikstudios zur dauerhaften Haarentfernung zum Gegenstand hat.

Die klagende Franchisenehmerin ging im Mai 2015 auf die Franchisegeberin zu und äußerte Interesse für das Franchisekonzept. Im Rahmen der Erstinformation stellte die Franchisegeberin der Franchisenehmerin einen Unternehmensprospekt zum Franchisesystem zur Verfügung. Nach Abschluss einer Reservierungsvereinbarung überließ sie der Franchisenehmerin sodann einen Informationsprospekt für Franchiseinteressenten und einen Standortcheck. Auf Empfehlung der Franchisegeberin beauftragte die Franchisenehmerin anschließend ein Beratungsunternehmen mit der Erstellung eines Unternehmenskonzepts, in das auch Informationen aus der Sphäre der Franchisegeberinn einflossen. Dieses Konzept diente der Franchisenehmerin zur Vorlage bei einer Bank, um eine Finanzierung für den Franchisebetrieb zu erhalten. Die Ehefrau des Geschäftsführers des Beratungsunternehmens war ebenfalls Franchisenehmerin der Franchisegeberin. Im Februar 2016 schlossen die Franchisegeberin und die Franchisenehmerin den Franchisevertrag ab.

Das Franchisekonzept sah zur Kundengewinnung unter anderem die Durchführung von Kaltakquisemaßnahmen durch die Franchisenehmer vor, z.B. durch Ansprache potenzieller Kunden in Einkaufszentren. Nachdem es der Franchisenehmerin nicht gelang, die Kaltakquisemaßnahmen erfolgreich umzusetzen und Kunden zu gewinnen, schloss sie ihren Betrieb. Sie erklärte die Anfechtung des Franchisevertrags wegen arglistiger Täuschung durch eine fehlerhafte vorvertragliche Aufklärung seitens der Franchisegeberin und begehrte die Rückabwicklung des Franchisevertrags. Die Franchisegeberin verweigerte eine Rückabwicklung, verlangte die Weiterzahlung der Franchisegebühren und verhängte nach Abmahnung verschiedene Vertragsstrafen.

Im Kern stritten die Parteien um die Frage, ob das von dem Beratungsunternehmen erstellte Unternehmenskonzept bei der Franchisenehmerin vorvertraglich falsche Erwartungen durch irreführende Informationen geweckt hatte und ob dies der Franchisegeberin zugerechnet werden konnte. Die Vorinstanz (LG Darmstadt, Urteil vom 25.11.2020 –9 O 198/18) hatte entschieden, dass die Franchisegeberin ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten nicht verletzt hat. Das zur Verfügung gestellte Informationspaket habe alle wesentlichen Informationen enthalten und das von dem Beratungsunternehmen erstellte Unternehmenskonzept sei der Franchisegeberin nicht zuzurechnen. Es sei nur im Auftrag der Franchisenehmerin erstellt worden und habe nicht der Aufklärung, sondern der Vorlage zur Erlangung einer Finanzierungszusage durch eine Bank gedient.

Entscheidung

Das OLG bestätigte das Urteil des LG Darmstadt. Es kam zu dem Ergebnis, dass etwaige falsche Darstellungen in einem Unternehmenskonzept, das von einem vom Franchisegeber empfohlenen, aber vom Franchisenehmer beauftragten Beratungsunternehmen erstellt wird, dem Franchisegeber nicht zugerechnet werden kann und daher auch nicht Grundlage einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung sein kann.

Das OLG wiederholt zunächst die Anforderungen, die allgemein an die vorvertragliche Aufklärungspflicht des Franchisegebers (i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB) gestellt werden: Grundsätzlich trägt jede Partei ihr Vertragsrisiko selbst. Sie muss sich selbst über Risiken und Chancen der angestrebten Geschäftsverbindung informieren und sich ein eigenes Bild von den Marktchancen verschaffen. Der Franchisegeber hat nicht die Aufgabe eines Existenzgründungsberaters. Insbesondere muss er den Franchisenehmer nicht über die allgemeinen Risiken einer beruflichen Selbstständigkeit aufklären oder für ihn Kalkulationen erstellen, die ein mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen vertrauter Franchisenehmer selbst erstellen kann. Er darf ihn allerdings nicht über vertragswesentliche Umstände täuschen oder in die Irre führen. Zudem muss er ihn über solche Umstände aufklären, die nur ihm bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie seine Entscheidung beeinflussen. Das betrifft vor allem solche Umstände, die für den geschäftlichen Erfolg des Franchisenehmers maßgeblich sind und mit denen der Franchisegeber aufgrund seiner Kenntnis des Systems und seiner Wirkungsweise am Markt besser vertraut ist. Für die Reichweite dieser Aufklärungspflicht lassen sich keine allgemeingültigen Vorgaben aufstellen; sie hängt von den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ab (vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 25.02.2022 – 1 U 104/19).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hielt das OLG fest, dass die Franchisegeberin keine Aufklärungspflichten verletzt hat. Dabei konnte es offenlassen, ob Teile des von dem Beratungsunternehmen erstellten Unternehmenskonzepts irreführend oder ungenügend waren. Es mangelt bereits daran, dass das Handeln des Beratungsunternehmens der Franchisegeberin gemäß § 278 BGB zugerechnet werden konnte. Nach § 278 BGB hätte sich die Franchisegeberin das Verschulden des Beratungsunternehmen nur dann zurechnen lassen müssen, wenn es sich bei dem Beratungsunternehmen um einen Erfüllungsgehilfen der Franchisegeberinn gehandelt hätte, was das OLG vorliegend verneinte.

Zum einen war die Erstellung des Unternehmenskonzepts keine eigene Verbindlichkeit der Franchisegeberin, die sie gegenüber der Franchisenehmerin zu erfüllen hatte. Sinn und Zweck des Unternehmenskonzepts war es, eine Finanzierung bei einer Bank zu erhalten. Es diente nicht der Aufklärung der Franchisenehmerin. Zum anderen wurde das Beratungsunternehmen nicht von der Franchisegeberin, sondern von der Franchisenehmerin beauftragt. Allein aus der Empfehlung des Beratungsunternehmens durch die Franchisegeberin oder aus den persönlichen Verflechtungen (über die Ehefrau des Geschäftsführers) kann keine Zurechnung erfolgen.

Auch eine Gesamtschau der Umstände rechtfertigte nach Auffassung des OLG kein anderes Ergebnis: Unabhängig davon, ob die Franchisegeberin dem Beratungsunternehmen gegebenenfalls falsche oder ungenügende (da veraltete) Informationen zur Konzepterstellung zur Verfügung gestellt hatte, lag es in dessen Verantwortungsbereich, Informationen zur Franchisegeberin bzw. zur Entwicklung des Systems zu aktualisieren.

II. Urteil vom 08.12.2021- Az. 4 U 251/20

Sachverhalt

Im zweiten Fall schloss die klagende Masterfranchisegeberin mit Sitz in Deutschland einen Masterfranchisevertrag mit einer in Frankreich ansässigen Masterfranchisenehmerin (Beklagte). Die Masterfranchisenehmerin war bei Abschluss des Masterfranchisevertrags Existenzgründerin. Die Parteien hatten im Franchisevertrag eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts sowie eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Standorts Frankfurt a.M. getroffen. Die Masterfranchisegeberin begehrte im Gerichtsverfahren nunmehr die Zahlung der vertraglich vereinbarten Eintrittsgebühr. Die Masterfranchisenehmerin verteidigte sich gegen dieses Begehren. Sie trug u.a. vor, die Gerichtsstandsvereinbarung sei unwirksam. Darüber hinaus schulde sie nicht die Zahlung der Eintrittsgebühr. Die Masterfranchisegeberin hätte ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt. Die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs bezüglich der Eintrittsgebühren sei daher jedenfalls rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

Entscheidung

Hinsichtlich der Gerichtsstandsvereinbarung bestätigt das OLG die Rechtsauffassung der Vorinstanz, dass diese Vereinbarung zulässig ist. Bei der Masterfranchisenehmerin handelte es sich um eine Existenzgründerin, die erst mit Abschluss des Masterfranchisevertrags eine kaufmännische Tätigkeit aufnahm. In solchen Fällen ist es umstritten, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung nach deutschem Recht zulässigerweise geschlossen werden kann (vgl. § 38 ZPO). Während etwa das LG Stuttgart jüngst eine derartige sog. Prorogation für unzulässig hielt (LG Stuttgart, Beschluss vom 18.10.2021 – 15 O 298/21), positionierte sich die Vorinstanz dahingehend, dass es für die Kaufmannseigenschaft ausreicht, dass durch den Masterfranchisevertrag ein kaufmännisches Unternehmen erst gegründet werde. Eine Gerichtsstandsvereinbarung könne daher wirksam mit Existenzgründern vereinbart werden. Diese Rechtsauffassung bestätigte das OLG. Daneben führte das OLG im Rahmen der Argumentation zum Verbrauchervertrag (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Rom I-VO) aus, dass für die Einordnung als Verbraucher der Zweck, zu dem der Vertrag abgeschlossen wird, maßgeblich ist. Die Tatsache, dass die Masterfranchisenehmerin die gewerbliche Tätigkeit erst für die Zukunft aufgenommen hat, ändert nichts daran, dass die Tätigkeit gewerblicher Natur ist und der Masterfranchisevertrag mithin zu einem gewerblichen Zweck abgeschlossen wurde.

In der Sache zu der vorvertraglichen Aufklärungspflicht wiederholt das OLG zunächst die bereits in der ersten Entscheidung aufgeführten Grundsätze: Die Masterfranchisegeberin hat die Masterfranchisenehmerin vollständig, unmissverständlich und richtig über alle Umstände zu informieren, die für deren Investitionsentscheidung erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind. Grund für die vorvertragliche Aufklärungspflicht ist das typischerweise bestehende Informationsgefälle zwischen den Parteien. In der Regel hat der (Master)Franchisegeber einen erheblichen Informationsvorsprung im Hinblick auf Chancen und Risiken seines Geschäftskonzepts. Er verfügt häufig über Informationen zu Investitionsbedarf, Umsätzen, Kosten und Erträgen der vorhandenen Systembetriebe, auf deren Grundlage er Rückschlüsse auf die Entwicklung neuer Betriebe ziehen und Prognosen für zukünftige Entwicklungen abgeben kann. Dies ist dem (Master)Franchisenehmer meist nicht möglich. Das Informationsgefälle besteht insbesondere dann, wenn der Franchisenehmer – wie im vorliegenden Fall – kein erfahrener Unternehmer der betreffenden Branche, sondern vielmehr Existenzgründer ist.

Im vorliegenden Fall war es zwischen den Parteien unstreitig, dass die Masterfranchisegeberin vor Vertragsschluss unzutreffende Aussagen gemacht hatte, insbesondere wurde die beklagte Masterfranchisenehmerin unzutreffend über die Umsatzmöglichkeiten und die Erfolgsaussichten des Franchisesystems aufgeklärt. Zudem hat die Masterfranchisenehmerin erst nach Vertragsschluss erfahren, dass die Vermarktungsmöglichkeit – entgegen den Aussagen in der Präambel des Masterfranchisevertrags – wissenschaftlich umstritten ist. Im Ergebnis hatte die Masterfranchisegeberin deshalb keinen Anspruch auf Zahlung der Eintrittsgebühr. Denn die Eintrittsgebühr war zwar wirksam vereinbart worden, wegen der Aufklärungspflichtverletzung hätte die Masterfranchisegeberin die Eintrittsgebühr aber als Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 249 BGB praktisch sofort wieder an die Masterfranchisenehmerin zurückgewähren müssen, was ein Einfordern der Eintrittsgebühr treuwidrig macht.

III. Fazit

Das OLG Frankfurt am Main bestätigt und schärft die bestehenden Maßstäbe hinsichtlich des Umfangs der vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchisegebers in nationalen sowie grenzüberschreitenden Sachverhalten. Besteht (was regelmäßig der Fall sein dürfte) keine vertragliche Verpflichtung des Franchisegebers zur Beibringung eines Businessplans bzw. Unternehmenskonzepts für den Franchisenehmer, haftet der Franchisegeber auch nicht für ein Unternehmenskonzept, das ein externes Beratungsunternehmen im Auftrag des Franchisenehmers erstellt. Das gilt auch dann, wenn der Franchisegeber ein bestimmtes Beratungsunternehmen empfohlen hat, das sodann das Konzept erstellt.

Gleichwohl zeigen die Urteile, dass es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. So kann eine Haftung des Franchisegebers jedenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Franchisegeber Unterstützung bei der Erstellung eines Businessplans bzw. Unternehmenskonzepts zusagt oder einen externen Berater selbst mit der Erstellung beauftragt. Auch sind in diesen Fällen oder bei einem bewussten Zusammenwirken zwischen Franchisegeber und Berater zulasten des Franchisenehmers andere Haftungsgrundlagen denkbar. Sowohl der Franchisegeber als auch der Franchisenehmer sind daher gut beraten, vor Beauftragung eines externen Beraters – ggfs. unter Einholung von Rechtsrat – klar festzuschreiben, wer für die Beauftragung verantwortlich ist und mit welcher Zwecksetzung sie erfolgt.

Die nach wie vor umstrittene Frage, ob auch mit Franchisenehmern als Existenzgründer wirksam Gerichtsstandsvereinbarungen geschlossen werden können, bejaht das OLG – in erfreulichem Gegensatz zum LG Stuttgart (Beschluss vom 18.10.2021 – 15 O 298/21). Bis zu einer höchstgerichtlichen Klärung sollten sich die Parteien jedoch weiterhin bewusst sein, dass das Risiko besteht, dass deutsche Gerichte Gerichtsstandsvereinbarungen mit Existenzgründern für unwirksam erachten.