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Noerr gewinnt Streit um Fernseh­verbot für UFC – Grund­satz­urteil stellt Bayerns medien­politischen Sonder­weg in Frage

22.11.2017

Noerr hat für die Veranstalter der Ultimate Fighting Championship (UFC) vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Grundsatzurteil erstritten. Der Gerichtshof bestätigte die Rechtswidrigkeit des Ausstrahlungsverbots der UFC-Kampfsportwettkämpfe durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM). Das Urteil ist über den Fall hinaus auch medienpolitisch bedeutsam: Nach der Entscheidung ist die Zukunft des bayerischen Sonderwegs ungewiss, privaten Rundfunk nur in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betreiben zu dürfen (Urteil vom 20.09.2017, AZ.: 7 B 16.1319)

Mit dem Urteil weist das Gericht die Berufung der BLM gegen ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München aus 2014 zurück (AZ.: M 17 K 10.1438). Das Verwaltungsgericht hatte das Ausstrahlungsverbot der Kampfsportwettkämpfe durch die BLM für rechtswidrig erklärt und den dem Verbot zugrunde liegenden Bescheid aufgehoben. Mit dem 2009 erlassenen Bescheid hatte die Behörde den Sender Sport1 verpflichtet, die vom Sender lizenzierten Formate der UFC aus dem Programm zu nehmen. Die jetzt getroffene Entscheidung hat grundlegende Bedeutung für die Rechtsstellung der BLM.

Der Verwaltungsgerichtshof folgt in seinem Berufungsurteil vollständig der Argumentation der UFC und stellt fest, dass der BLM jegliche Kompetenz fehlt, im Alleingang eine inhaltliche Bewertung von Fernsehsendungen vorzunehmen. Da eine solche Prüfung bzw. eine daran anschließende Verbotsverfügung intensiv in die Grundrechte der Betroffenen eingreife, brauche es dafür in jedem Falle einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Die BLM habe aber das hierfür eigentlich vorgesehene Verfahren unter Einschaltung der Kommission für Jugendschutz (KJM) nicht beschritten. Das Bayerische Landesmedienrecht sehe eine eigene Kompetenz der BLM nicht vor. Die BLM handele in einem solchen Falle hoheitlich als Aufsichtsbehörde. Ein hoheitlicher Eingriff in Grundrechte ohne gesetzliche Grundlage verletzte aber fundamentale rechtsstaatliche Grundsätze.

Bayerisches Trägermodell unter Druck

Das Gericht widerspricht damit dem im Prozess vorgetragenen Selbstverständnis der BLM grundlegend. Hintergrund der Argumentation der BLM ist das sog. Bayerische Trägerschaftsmodell. Nach dieser – bundesweiten einmaligen – Konzeption findet auch der private Rundfunk in Bayern in öffentlicher Trägerschaft statt. Eigentlicher Veranstalter des Rundfunks ist danach die BLM; den privaten Rundfunksendern wird dagegen die Rolle von Programmanbietern zugewiesen, die der BLM Inhalte zur Ausstrahlung anbieten.

Ob das Trägerschaftsmodell überhaupt noch eine eigenständige Bedeutung hat, ist bereits seit der sogenannten Extra-Radio-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998 sehr fraglich. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass sich die Rundfunksender auch in ihrer Rolle als „Programmanbieter“ auf die Rundfunkfreiheit berufen können, weil sie faktisch den Rundfunk veranstalten und das Programm verantworten. Die BLM vertrat dennoch weiterhin die Position, sie könne sich ihrerseits auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (jedenfalls nach der Bayerischen Landesverfassung) berufen; daraus folge eine Befugnis, gestaltend in das Programm privater Rundfunksender einzugreifen und eigene programmliche Entscheidungen zu treffen.

Dieser Rechtsauffassung hat der Verwaltungsgerichtshof nun eine klare Absage erteilt: Wenn die BLM Rundfunksendern wie im vorliegenden Fall als Aufsichtsbehörde entgegentritt, kann sie sich nicht auf eigene Grundrechte berufen, vielmehr hat sie umgekehrt die Grundrechte der Betroffenen zu respektieren. Damit stellt der Verwaltungsgerichtshof klar, dass die BLM – wie alle anderen Landesmedienanstalten – ausschließlich im Rahmen der Mediengesetze und der Rundfunkstaatsverträge handeln kann. Ob das bayrische Trägerschaftsmodell vor diesem Hintergrund weiter aufrecht erhalten werden kann, ist fraglich; jedenfalls dürfte es keine praktische Relevanz mehr entfalten. 

Bereits zweites Grundsatzurteil

Den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts München war ein längerer Rechtsstreit über die Zulässigkeit der Klage der UFC vorausgegangen, der ebenfalls mit einer Grundsatzentscheidung für die UFC entschieden werden konnte. Hintergrund dieses Rechtsstreits war der Umstand, dass der Sender Sport1 die Entscheidung der BLM nicht selbst angegriffen hatte. Geklagt hatte nur die UFC als Drittbetroffene. Im Eilverfahren hatten die Gerichte noch die Auffassung vertreten, die UFC sei nicht klagebefugt: Der Bescheid sei nicht gegen sie gerichtet und eine Betroffenheit in eigenen Rechten nicht ersichtlich. In den anschließenden Teilurteilen im Hauptsacheverfahren konnte sich die UFC mit ihrer Rechtsansicht durchsetzen. 2015 stellte schließlich das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich fest, dass die Entscheidung der BLM jedenfalls die Berufsfreiheit der UFC einschränkt. Damit wurde erstmals eine Klagebefugnis von Inhalteproduzenten bzw. Lizenzgebern gegen die Entscheidung einer Landesmedienanstalt anerkannt.

Vertretung Ultimate Fighting Championship: Noerr LLP

Dr. Tobias Bosch, Dr. Julian von Lucius (beide Telecommunications, Berlin)

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Gewerblicher Rechtsschutz

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