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Non-Fungible Tokens – Gestaltungs­möglichkeiten und rechtliche Rahmen­bedingungen

12.07.2022

Während Kryptowerte und -dienstleistungen voraussichtlich in absehbarer Zeit durch die MiCA-Verordnung (= Markets in Crypto Assets) erstmals einem EU-weiten Regelungsregime unterworfen werden, sollen nicht-fungible Token (Non-Fungible Tokens,NFT“) nach dem jüngst zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission erzielten Verhandlungsergebnis vom Anwendungsbereich des Verordnungsentwurfs ausgeschlossen bleiben – sofern sie nicht in eine der vom Verordnungsentwurf umfassten Kategorien von Kryptowerten fallen. Die Europäische Kommission soll binnen 18 Monaten damit beauftragt werden, die Notwendigkeit für eine Regelung auch des NFT-Marktes zu prüfen und bei Bedarf einen entsprechenden Regelungsentwurf auszuarbeiten.

Da es somit auf absehbare Zeit noch kein EU-weit harmonisiertes aufsichtsrechtliches Regime für NFT geben wird, ist ein Blick auf die geltenden Rahmenbedingungen für den Handel mit NFT zu werfen. Aufgrund der weiten Gestaltungsmöglichkeiten für die Erzeugung von NFT und deren Handel können NFT in vielfältiger Gestalt erscheinen.

Was ist ein NFT?

Im Ausgangspunkt ist ein NFT eine singuläre, nicht reproduzierbare digitale Einheit, die sich auf ein bestimmtes Referenzobjekt („Asset“, in den meisten Fällen ein digitaler Wert, ggf. aber auch ein anderes Bezugsobjekt, z. B. ein körperlicher Gegenstand) bezieht. Im Unterschied zu anderen Arten von „Tokens“ – digitalen Einheiten, die Funktionen und Eigenschaften repräsentieren, die sie bei ihrer Erstellung (dem sog. „Minten“ des Tokens) erhalten  sind NFT Unikate, sie sind also nicht untereinander austauschbar. Dies unterscheidet sie von anderen Kryptowerten, insbesondere von digitalen Währungen wie Bitcoin oder Ether.

Die Speicherung von Tokens und deren Handel erfolgen über Blockchains (dezentral gespeicherte Ketten von Datenblöcken mit Transaktionsinformationen) – jedenfalls ist diese spezifische Ausprägung der distributed ledger technology („DLT“) derzeit für den Handel mit Tokens so etabliert, dass die Verwendung einer Blockchain regelmäßig vorausgesetzt wird. Denkbar ist indes auch der Einsatz anderer (DLT-basierter) Infrastrukturen. Das eWpG etwa verwendet insoweit technologieoffen den Begriff des „Aufzeichnungssystems“ (vgl. § 4 Abs. 11 eWpG).

In der Praxis nutzen bislang viele NFT die Ethereum-Blockchain, da sie Definition, Erzeugung und Transfer eigener Arten von Tokens erlaubt und eine bequeme Nutzung von Ether als Transaktionswährung ermöglicht. Über eine Identifikationsnummer kann jedes NFT eindeutig identifiziert und gezielt adressiert werden. Damit lässt sich ein NFT – untechnisch – als eine Art „digitale Beweisurkunde“ begreifen: Die Zuordnung des NFT zu seinem „Owner“ ist digital vermerkt und genießt dabei aufgrund der Dezentralität der DLT ein hohes Maß an Fälschungssicherheit.

Grundsätzlich kann sich ein NFT auf viele verschiedene Arten von Referenzobjekten beziehen. Häufige Anwendungsfälle sind digitale Kunstwerke, digitale (Sportler-)Sammelkarten oder sonstige digitale Werte (z. B. Musikdateien, Videos). NFT werden auch in virtuellen Realitäten („Metaversen“) genutzt, beispielsweise um Rechte an virtuellen Grundstücken innerhalb des jeweiligen Metaversums zu dokumentieren. Möglich, wenngleich in der Praxis bisher weniger verbreitet, ist auch eine Verknüpfung mit körperlichen Gegenständen.

Auch wenn es sich bei dem Referenzobjekt um ein digitales Objekt (etwa um eine Datei) handelt, wird das Referenzobjekt, um Speicherplatz zu sparen, üblicherweise nicht gemeinsam mit dem NFT auf einer Blockchain abgelegt, sondern lediglich ein auf das Referenzobjekt verweisender Link („Token URL“). Damit kommt der durch die Blockchain garantierte Sicherheitsstandard zwar diesem Link zugute, nicht aber dem Referenzobjekt selbst, das üblicherweise an einem externen Speicherort abgelegt ist (siehe hierzu im Folgenden).

„Minten“ eines NFT

Die Tokenisierung eines digitalen Referenzobjekts, also das Minten eines NFT, erfolgt häufig über etablierte NFT-Handelsplattformen. Über diese Handelsplattformen kann der Ersteller eines NFT eine Datei bereitstellen (und ggf. auf den Server der Handelsplattform hochladen) und ein Token mit dem Link zu dieser Datei auf der jeweils verwendeten Blockchain ablegen. Dabei wird das NFT dem „Account“ des Erstellers zugeordnet, d. h. der digitalen Adresse des Erstellers, die ihm als Blockchain-Teilnehmer individuell zugewiesen ist. Das NFT kann nur vom Ersteller selbst erstmals veräußert bzw. übertragen werden. Die Veräußerung und Übertragung eines NFT erfolgt typischerweise mittels Blockchain-Transaktion und unterscheidet sich insoweit nicht wesentlich von Transaktionen mit anderen Kryptowerten.

Beim Minten des NFT kann ggf. über die verwendete Plattform ein zugehöriger „Smart Contract“ definiert werden. Dabei handelt es sich um Computeranweisungen, die die Parameter für die zu erzeugenden Tokens und deren spätere Handel- und Übertragbarkeit festlegen. So kann der Ersteller in einem Smart Contract z. B. etwa die Weiterübertragung des NFT völlig ausschließen oder eine anteilige Erlösbeteiligung zu seinen Gunsten („Royalty“) definieren. Diese Royalty würde dann bei jeder Veräußerung des NFT automatisch an den Ersteller transferiert und ihm in der verwendeten Kryptowährung gutgeschrieben. Ein Smart Contract kann auch die Auflage („Scarcity“) von NFT festlegen: Auf diese Weise lassen sich NFT in beliebiger Stückzahl erzeugen, die sich über ihre Identifikationsnummern jeweils individuell nachverfolgen lassen. Nach seiner Erstellung wird der Smart Contract ebenfalls auf der Blockchain abgelegt und ist damit nachträglich nicht mehr veränderbar. Die Übertragung erzeugter NFT erfolgt dann automatisch stets anhand der im Smart Contract festgelegten Regeln.

Schutz des Referenzobjekts

Wird das Referenzobjekt nicht zusammen mit dem NFT selbst dezentral gespeichert, sondern lediglich die auf das Referenzobjekt verweisende Token URL (wie es üblicherweise bei der Speicherung auf Blockchains der Fall ist), ist der Erwerber des NFT nicht vor einem Verlust der Zugriffsmöglichkeit auf das Referenzobjekt, etwa infolge eines Austauschs der über die Token URL erreichbaren Datei oder eines Datenverlusts, geschützt. Der Ersteller des NFT kann das Risiko eines unbefugten Drittzugriffs vermindern, indem er das Referenzobjekt auf einem von ihm selbst betriebenen Server speichert. Er kann seinem NFT zudem Metadaten hinzufügen, in denen er dem NFT z. B. einen Namen gibt oder seine Eigenschaften beschreibt. So lassen sich zumindest Hinweise auf das über die Token URL verlinkte Objekt im NFT hinterlegen.

Bei besonders wertvollen NFT wird teilweise aus der vom NFT referenzierten Datei ein nur für diese Datei in ihrer Originalgestalt gültiger Hash-Wert errechnet, der als „digitaler Fingerabdruck“ zusätzlich zur Token URL mit dem NFT auf der Blockchain gespeichert wird. Ist die Datei zudem fälschungssicher auf einer dezentralen, öffentlich zugänglichen Datenbank gespeichert (z. B. im Interplanetary File System), ist dann allgemein überprüfbar, ob das Referenzobjekt tatsächlich dem bei seiner Erstellung mit dem NFT verknüpften Objekt entspricht. Vereinzelt wird die verknüpfte Datei dem Erwerber eines NFT auch zusätzlich auf einem physischen Datenträger oder einer physischen Wiedergabemöglichkeit (z. B. einem digitalen Bilderrahmen) übergeben.

Zu beachten ist, dass ein NFT seinem Inhaber keine alleinigen Nutzungs- oder Zugriffsrechte für das Referenzobjekt gewährt. Verweist das NFT auf eine frei zugängliche Datei, ist der Inhaber des NFT weder berechtigt noch technisch in der Lage, eine Reproduktion oder Wiedergabe durch Dritte zu verhindern.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Der Erwerber eines NFT erwirbt kein zivilrechtliches Eigentum am Referenzobjekt und auch keine entsprechenden Nutzungs- oder sonstigen Rechte (vgl. §§ 15 ff., 44 Abs. 1 UrhG). Er erlangt lediglich die Eintragung als „Owner“ des NFT innerhalb des verwendeten Aufzeichnungssystems. Der Wert des NFT ist somit lediglich Ausdruck der in ihm verbrieften „Authentizität“, also etwa der lückenlosen Rückführbarkeit auf seinen Ersteller anhand der Blockchain-Transaktionskette.

Soll der Erwerber Rechte am Referenzobjekt erwerben, muss dies vertraglich gesondert vereinbart werden, etwa durch Abschluss eines Nutzungs- oder Lizenzvertrags. Es ist möglich, in den Metadaten eines NFT auf entsprechende Vertragsbedingungen zu verweisen. Sofern die Vertragsbedingungen selbst nicht dezentral gemeinsam mit dem NFT gespeichert werden, genießen sie jedoch nicht den durch die Blockchain gewährten Schutz vor Verlust oder Veränderung. Insgesamt ist hinsichtlich der Rechtsposition, die der „Owner“ eines NFT erlangt, und der weiteren rechtlichen Implikationen, etwa aus Perspektive des Urheberrechts, derzeit vieles noch ungeklärt (siehe hierzu auch den Noerr-Newsletter „Non-Fungible Tokens (NFTs) und das Urheberrecht“ vom 15.10.2021).

Finanzaufsichtsrechtlich können NFT je nach konkreter Ausgestaltung ggf. als Kryptowerte i.S.v. § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 10 KWG (bzw. § 2 Abs. 5 Nr. 10 WpIG) anzusehen sein. Eine Qualifikation als Kryptowert im Sinne des Aufsichtsrechts kann Erlaubnispflichten auslösen, etwa für den Handel mit NFT oder für ihre Verwahrung (Kryptoverwahrgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 KWG). Ggf. kann auch eine Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG bestehen (Kryptowertpapierregisterführung). Die konkrete aufsichtsrechtliche Einordnung hängt jedoch vom Einzelfall ab. Eine typisierende Betrachtung ist aufgrund der Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten nur bedingt möglich und sieht sich zudem dem Hindernis ausgesetzt, dass sich die Verwaltungspraxis der BaFin hierzu stetig entwickelt.

Mögliche Indikatoren für eine Erlaubnispflicht können insbesondere eine Verwendung des NFT zur Renditeerzielung (insbesondere der Handel mit Anlageerwartung in der Hoffnung auf steigenden Wert) oder eine Standardisierung von NFT sein, etwa bei Erstellung von NFT mit bestimmter Auflage und unter Bedingungen, die dazu führen, dass die einzelnen NFT faktisch untereinander austauschbar werden (was letztlich bedeutet, dass es sich nicht mehr um NFT im eigentlichen Sinne handelt).

NFT können auch kapitalmarktrechtlich relevant sein: Je nach Ausgestaltung kommt eine Qualifikation als Wertpapier in Betracht (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II-Verordnung). Auch in diesem Zusammenhang sind wesentliche Kriterien, ob Erwerber der NFT in der Erwartung zukünftiger Rendite handeln (Anlagefunktion) und ob eine hinreichende Standardisierung (Handelbarkeit) gegeben ist. Aus einer Qualifikation als Wertpapier können ggf. Prospektpflichten (nach Verordnung (EU) 2017/1129) und Veröffentlichungspflichten (nach Verordnung (EU) 596/2014) folgen.

Fazit

Während der Umgang mit anderen Arten von Krypto-Tokens in rechtlicher Handhabung und aufsichtlicher Praxis allgemein zunehmend an Kontur gewinnt, befinden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen des NFT-Marktes noch deutlicher in Bewegung. Angesichts der geplanten Ausnahme von NFT aus dem Regelungsbereich der MiCA-Verordnung ist auf absehbare Zeit jedenfalls nicht mit einem EU-weit einheitlichen Regelungsrahmen für NFT zu rechnen, so dass zunächst Gesetzgebung und aufsichtliche Verwaltungspraxis auf nationaler Ebene maßgeblich bleiben. Für NFT bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Angesichts der bestehenden Nähe von NFT zu regulierten Geschäftsfeldern sollten Unternehmen dabei stets genau prüfen, inwiefern ggf. finanzaufsichts- oder kapitalmarktrechtliche Vorgaben zu beachten sind.

 

 

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