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Novelle der §§ 46 ff. EnWG in Kraft

06.02.2017

Am 01.12.2016 hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung (BT-Drs. 18/8184) beschlossen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16.12.2016 beschlossen, zu diesem Gesetz keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG auf Einberufung eines Vermittlungsausschusses zu stellen und damit keinen Einspruch gegen das Änderungsgesetz einzulegen. Das Änderungsgesetz wurde am 2. Februar 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet, sodass es entsprechend Art. 3 am 3. Februar 2017 in Kraft getreten ist.

Wir möchten Ihnen im Folgenden einen Überblick über die wichtigsten Neuregelungen und die Folgen für bereits laufende Konzessionierungsverfahren geben. Gerne möchten wir Sie darauf hinweisen, dass wir zu diesem Thema Frühstücksveranstaltungen organisieren. Weitere Informationen finden Sie hier.

I. Die wichtigsten Neuregelungen

  1. Objektivierter Ertragswert als wirtschaftlich angemessene Vergütung, § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG

    Nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG n.F. soll für die wirtschaftlich angemessene Vergütung der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessene objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich sein. Eine Definition, was unter dem objektivierten Ertragswert zu verstehen ist, findet sich jedoch weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung. Den Energieversorgungsunternehmen bleibt es gemäß § 46 Abs. 2 S. 5 EnWG n.F. zudem unbenommen, sich auf eine anderweitig basierte Vergütung zu einigen. Letzteres dürfte in der Praxis jedoch weitgehend wirkungslos bleiben. Bereits vor Inkrafttreten der Änderungen war der Kaufpreis das wesentliche Streitthema. Daran wird sich durch die Aufnahme eines nicht definierten "objektivierten Ertragswerts" kaum etwas ändern. Es steht zu befürchten, dass deren Konkretisierung daher in Zukunft zahlreiche Gerichte beschäftigen wird.

  2. Berücksichtigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, § 46 Abs. 4 S. 2 EnWG

    In § 46 Abs. 4 S. 2 EnWG wird ausdrücklich klargestellt, dass kommunale Belange bei der Auswahl des neuen Netzbetreibers berücksichtigt werden können. Eine konkrete Vorgabe zur möglichen Gewichtung der gemeindlichen Belange findet sich in dem Gesetzesentwurf nicht. Durch die Formulierung „können auch […] berücksichtigt werden“ und die Hervorhebung der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz sowohl im Gesetzestext als auch in der Gesetzesbegründung wird aber deutlich, dass für die Auswahl des Netzbetreibers nach wie vor die Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG vorrangig maßgeblich sein müssen, die in der Gesetzesbegründung im Einzelnen näher erläutert werden. Insoweit spricht Einiges dafür, dass diese Regelung keine Erweiterung der Berücksichtigung kommunaler Interessen beinhaltet.

  3. Verpflichtung der Gemeinde zur Information der unterlegenen Bewerber, § 46 Abs. 5 S. 1 EnWG

    Durch § 46 Abs. 5 S. 1 EnWG werden die Gemeinden explizit verpflichtet, die unterlegenen Bewerber über die Gründe für die Nichtannahme ihrer Angebote sowie den frühesten Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsschlusses zu informieren. Für die Bewerber muss aufgrund der in § 47 EnWG vorgesehenen Rügeobliegenheit (dazu sogleich) klar erkennbar sein, warum ein anderer Bewerber den Vorzug erhalten soll. Dabei muss der Bewerber nach den Vorstellungen des Gesetzgebers den bestmöglichen Einblick in die Erwägungen der Gemeinde für deren diskriminierungsfreie Sachentscheidung erhalten.

  4. Auskunftsanspruch der Gemeinde, § 46a EnWG

    Der bislang in § 46 Abs. 2 S. 4 und 5 EnWG geregelte Auskunftsanspruch der Gemeinde findet sich nun in einem eigenständigen § 46a EnWG. Die Informationen über die wirtschaftliche Situation des Netzes werden dahingehend konkretisiert, dass auch kalkulatorische Netzdaten herauszugeben sind. Damit bezieht § 46a EnWG die Daten ausdrücklich mit ein, die bereits nach dem Urteil des BGH vom 14.04.2015, EnZR 11/14 („Gasnetz Springe“) gemäß § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG herauszugeben sind.

  5. Rügeobliegenheiten und Präklusion – Der neue § 47 EnWG

    Die wichtigste Neuregelung findet sich in § 47 EnWG. Dort wird erstmalig eine zeitlich gestaffelte Rügeobliegenheit sowie eine Präklusion der Bewerber statuiert. Sehen die Bewerber von einer Rüge erkennbarer Mängel innerhalb der vorgegebenen Fristen ab, können sie den erkennbaren und nicht gerügten Fehler zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr geltend machen und sind insoweit entsprechend präkludiert. In § 47 Abs. 2 EnWG sind Rügen zu drei verschiedenen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Rügefristen vorgesehen: 

    - Rüge von Fehlern in der gemäß § 46 Abs. 3 EnWG im Bundesanzeiger zu veröffentlichenden Bekanntmachung über das Auslaufen des Konzessionsvertrages innerhalb der Interessensbekundungsfrist des § 46 Abs. 4 S. 4 EnWG von mindestens 3 Monaten

    - Rüge von Fehlern in den Bewerbern gemäß § 46 Abs. 4 S. 4 EnWG mitzuteilenden Auswahlkriterien und deren Gewichtung innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab deren Zugang

    - Rüge von Fehlern in der Auswahlentscheidung der Gemeinde, die aus der Information der unterlegenen Bewerber gemäß § 46 Abs. 5 S. 1 EnWG erkennbar sind, innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab Zugang

    Zur Vorbereitung einer Rüge der Auswahlentscheidung nach § 47 Abs. 2 S. 3 EnWG ist die Gemeinde verpflichtet, den Bewerbern auf Antrag, der innerhalb einer Woche ab Zugang der Information über die Nichtberücksichtigung ihrer Angebote zu stellen ist, Akteneinsicht zu gewähren. Den unterlegenen Bewerbern sollen ausweislich der Gesetzesbegründung zügig Informationen über sämtliche Tatsachen zugänglich gemacht werden, die eine Verletzung in ihren Rechten begründen könnten. Bei Antragstellung beginnt die 30-tägige Rügefrist erneut ab dem Tag, an dem die Gemeinde die Akten zur Einsichtnahme bereitstellt.

    Eingeschränkt wird das Akteneinsichtsrecht allerdings durch die Regelung des § 47 Abs. 3 S. 2 EnWG, wonach die Gemeinde die Akteneinsicht zu versagen hat, soweit dies zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen geboten ist. Dies birgt die Gefahr, dass Bewerber große Teile ihrer Angebote als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis deklarieren und die vom Gesetzgeber gewünschte Information der unterlegenen Bewerber dann ins Leere läuft. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung, in der das Vorliegen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen überwiegend verneint wird, spricht vieles dafür, dass der Begründungsaufwand für das Bejahen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen noch steigen wird.

    Die Gemeinde ist gemäß § 47 Abs. 4 EnWG zu einer Entscheidung über die erhobenen Rügen verpflichtet. Hilft sie einer Rüge nicht ab, muss sie den rügenden Bewerber über ihre Entscheidung in Textform informieren und diese begründen. Der Bewerber ist, sofern er seine Rüge aufrecht erhalten will, gemäß § 47 Abs. 5 EnWG sodann verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen ab Zugang der Nichtabhilfe-Entscheidung eine einstweilige Verfügung vor den ordentlichen Gerichten zu beantragen. Dies kann dazu führen, dass in einem einzigen Konzessionierungsverfahren bis zu drei einstweilige Verfügungen zu beantragen sind. Der Streitwert für diese Verfahren wird durch eine Änderung des § 53 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes nach Art. 2 des Änderungsgesetzes auf 100.000 EUR begrenzt.

    Allerdings hat die Gemeinde auch weiterhin die Möglichkeit, die Rügepflicht für alle drei Zeitpunkte an das Ende des Verfahrens zu legen. Hierauf sollte bereits in der Bekanntmachung aufmerksam gemacht werden.

  6. Pflicht zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe nach Ablauf des Konzessionsvertrages, § 48 Abs. 4 EnWG

    Mit der Neufassung des § 48 Abs. 4 EnWG wird die bislang bestehende Jahresfrist zur Fortzahlung der Konzessionsabgaben nach Vertragsablauf aufgehoben. Die vertraglich vereinbarten Konzessionsabgaben sind nunmehr bis zur Übertragung der Verteilungsanlagen auf den neuen Konzessionär zu zahlen. Eine Ausnahme gilt für den Fall, wenn die Gemeinde es unterlassen hat, ein Verfahren nach § 46 Abs. 3 bis 5 EnWG zu führen. Unklar bleibt, wann ein "Unterlassen" gegeben ist. 

  7.  Übergangsregelung in § 118 Abs. 20 EnWG

    Zwar sollen die neuen Regelungen nach der Gesetzesbegründung nicht rückwirkend in Kraft treten. Der Gesetzgeber hat allerdings in § 118 Abs. 20 EnWG eine Übergangsregelung zur Anwendung des § 47 EnWG getroffen. Danach ist das Rügeregime gemäß § 47 EnWG auf laufende Konzessionierungsverfahren, in denen am Tag des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes schon die Auswahlkriterien und deren Gewichtung bekannt gegeben wurden, mit der Maßgabe anwendbar, dass die in § 47 Abs. 2 S. 1 bis 3 EnWG genannten Fristen mit Zugang einer Aufforderung zur Rüge beim jeweiligen Unternehmen beginnen.

II. Folgen für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes laufende Konzessionierungsverfahren

Mit der Übergangsregelung des § 118 Abs. 20 EnWG erklärt der Gesetzgeber die Präklusions- und Rügevorschriften des
§ 47 EnWG in laufenden Konzessionierungsverfahren für anwendbar. Um die dort genannten Fristen in Gang zu setzen, bedarf es jedoch einer Aufforderung durch die Gemeinde zur Rüge. Dies ist unproblematisch, sofern die Gemeinde ein gesondertes Schreiben mit einer entsprechenden Aufforderung verschickt. Unklar ist allerdings, was gilt, wenn die Gemeinde bereits in ihrem Verfahrensbrief die Bewerber zu einer Rüge von Verfahrensfehlern aufgefordert hat. Bedarf es auch in diesen Fällen einer erneuten Aufforderung oder kann sich die Gemeinde auf den Verfahrensbrief berufen? Die gleiche Frage stellt sich, sofern die Bewerber bereits über die Auswahlentscheidung durch die Gemeinde informiert, der neue Konzessionsvertrag aber noch nicht abgeschlossen wurde. Da bislang weder eine Rügeobliegenheit noch eine etwaige Präklusion der Bewerber gesetzlich geregelt ist, wird sich die Gemeinde nur dann auf die Präklusion eines unterlegenen Bewerbers berufen können, wenn sie nochmals explizit zur Erhebung von Rügen auffordert.

Weitgehend unproblematisch ist hingegen die Anwendbarkeit der anderen Neuregelungen. Sofern Verhandlungen über einen Netzkaufvertrag schweben, können die Parteien an ihren Verhandlungsergebnissen zum Kaufpreis festhalten, da sie nach
§ 46 Abs. 2 S. 5 EnWG die Vergütung im Rahmen der Vertragsautonomie weitestgehend frei bestimmen können. Hat die Gemeinde die Auswahlkriterien bekannt gegeben und die Bewerber bereits zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert, darf sie die Auswahlkriterien nicht mehr ändern. Im Übrigen kann sie bei der Gestaltung der Auswahlkriterien unter Maßgabe des
§ 46 Abs. 4 EnWG auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigen. § 46a EnWG stellt nach der Gesetzesbegründung eine Konkretisierung des bereits nach derzeitiger Rechtslage als Nebenpflicht aus dem Konzessionsvertrag ableitbaren Auskunftsanspruchs der Gemeinde dar, sodass dies für laufende Konzessionierungs-verfahren, in denen die Gemeinde ihren Auskunftsanspruch bereits geltend gemacht hat, keine großen Auswirkungen haben dürfte. Schließlich kann sich die Gemeinde nach Ablauf der Vertragslaufzeit nunmehr jederzeit auf
§ 48 EnWG berufen und den Altkonzessionär zur Zahlung der Konzessionsabgabe auffordern.

Mit den neuen Regelungen stellen sich sowohl Fragen für bereits eingeleitete als auch für zukünftig beginnende Konzessionierungsverfahren zahlreiche Fragen. Neben vielen Auslegungsfragen der neuen Regelungen werden auch die prozessualen Themen zunehmen. Aufgrund der bezüglich § 47 EnWG genannten Unsicherheiten ist den Bewerbern in einem laufenden Konzessionierungsverfahren zu raten, frühzeitig Rechtsrat einzuholen, um die im Einzelfall erforderlichen Schritte zu prüfen.

Anmeldung Noerr Frühstücksveranstaltungen

Wir geben Ihnen gerne persönlich einen Überblick zu den wichtigsten Neuregelungen und Folgen für bereits laufende Konzessionierungsverfahren. Diese möchten wir Ihnen in komprimierter Form vorstellen und darüber mit Ihnen diskutieren – ungezwungen vor dem Start in den Büroalltag.

Wir laden Sie herzlich um 8.30 Uhr an einen unserer Veranstaltungsorte ein:

Berlin, am 1. März 2017

Frankfurt am Main, am 8. März 2017

München, am 14. März 2017

Düsseldorf, am 15. März 2017
 

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