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Novellierung der Vertikal-Gruppen­freistellungs­verordnung geht in die nächste Phase

11.09.2020

Am 31. Mai 2022 laufen die aktuelle Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung sowie die dazugehörigen Vertikal-Leitlinien der EU-Kommission aus. Bereits im Herbst 2018 startete daher der Novellierungsprozess mit der Evaluierungsphase. Das Ziel dieser Phase lag insbesondere darin, herauszufinden, inwieweit die bestehenden Regelungen ihren Zweck erfüllen, um entscheiden zu können, wie mit der Vertikal-GVO und den Leitlinien nach dem besagten Stichtag umgegangen werden sollte. Dabei gab es drei Optionen: Auslaufen lassen, verlängern oder überarbeiten.

1. Der bisherige Reformprozess

Im Rahmen einer öffentlichen Konsultation hatten insofern alle Stakeholder die Möglichkeit, anhand eines vorbereiteten Fragebogens und der Abgabe einer Stellungnahme Feedback zu den bestehenden Regelungen zu geben. Die Interessengruppen konnten dann an einem vertiefenden Workshop teilnehmen, um in kleinen Gruppen über Vertikal-GVO und Leitlinien zu diskutieren bzw. Defizite zu identifizieren. Daneben konsultierte die Kommission gezielt die nationalen Wettbewerbsbehörden und gab eine externe Studie zur Unterstützung der Evaluierung in Auftrag. Als weitere Informationsquellen dienten die Erkenntnisse der Kommission aus ihrer eigenen Durchsetzungspraxis und der Praxis der nationalen Wettbewerbsbehörden. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen berücksichtigt, wie z.B. die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel.

2. Das Staff Working Document der EU-Kommission

Am 8. September 2020 wurde das Staff Working Document veröffentlich, welches die Ergebnisse der Evaluierungshase zusammenfasst. Die Evaluierung hat gezeigt, dass sich die Vertikal-GVO und die Leitlinien zur Anwendung des Art. 101 AEUV in der Praxis grundsätzlich bewährt haben und die Selbstprüfung vertikaler Vereinbarungen erheblich erleichtern. So führen die Regelungen insgesamt zu mehr Rechtssicherheit und zu geringeren Kosten für Unternehmen im Vergleich zu der Situation ohne eine Vertikal-GVO. Für die Kommission steht somit fest, dass es auch weiterhin eine Vertikal-GVO und entsprechende Leitlinien geben sollte. Im Rahmen der Evaluierung wurden jedoch auch mehrere Defizite ausfindig gemacht. Insbesondere die Digitalisierung und die Zunahme des Online-Handels sowie die wachsende Anzahl an Online-Plattformen seit Erlass der letzten Vertikal-GVO im Jahr 2010 haben zu nicht unerheblichen Veränderungen auf den Märkten und bei den Vertriebsmodellen geführt. Diese Entwicklungen wurden durch die Corona-Pandemie der letzten Monate noch zusätzlich beschleunigt. So hat beispielsweise die Anzahl der Direktverkäufe sowie der Einsatz selektiver Vertriebssysteme zugenommen. An diese neuen Umstände müssen die Regelungen angepasst werden. Insbesondere folgende Themen wurden zur Überarbeitung identifiziert:

  • Sprachliche Unklarheiten einiger Bestimmungen
  • Teilweise passen Bestimmungen nicht auf neue Marktteilnehmer, die nicht unter die traditionellen Liefer- und Vertriebskonzepte fallen
  • Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung (z.B. Coty-Entscheidung des EuGH)
  • Gerügt wurde auch der erhebliche Spielraum, den nationale Wettbewerbsbehörden und nationale Gerichte für unterschiedliche Auslegungen der Regeln haben
  • Freistellung einiger weiterer spezifischer vertikaler Vereinbarungen, die normalerweise die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen
  • Möglichkeiten für eine Vereinfachung und weitere Kostensenkung, insbesondere durch eine Verringerung der Komplexität der Regeln

Insgesamt stellt das Staff Working Document dar, dass die Vertikal-GVO und die Leitlinien eine wesentliche Bedeutung im Bereich des Kartellrechts haben. Aufgrund der Erfahrungen mit den Regelungen und der Entwicklungen in den letzten Jahren bedürfen sie jedoch einer Überarbeitung. Das Arbeitspapier nennt ausdrücklich Änderungsbedarf bei Regelungen zu Handelsvertreterverträgen, beim selektiven Vertrieb, den Regeln für Paritätsklauseln, der Behandlung von Online-Shops, Marktplätzen und Preisvergleichsinstrumenten. Die Kommission bezieht jedoch derzeit selbst keinerlei Stellung zum Umfang oder Art und Weise der Änderungen.

3. Weitere Schritte und Ausblick

In einem nächsten Schritt beginnt die EU-Kommission nun mit der Phase der Folgenabschätzung. Im Ergebnis soll diese Phase zeigen, inwieweit EU-Maßnahmen erforderlich sind und welche möglichen Auswirkungen die verschiedenen Lösungsansätze haben könnten. Die daraus resultierenden Erkenntnisse wird die Kommission veröffentlichen. Dazu sollen Stakeholder gegen Ende des Jahres wiederum in einem öffentlicher Konsultationsprozess eine Stellungnahme abgeben können. Im Laufe des nächsten Jahres wird die EU-Kommission dann einen ersten Entwurf zur Änderung der Regelungen veröffentlichen.

Der Reformprozess und die aktuellen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Vertikal-GVO waren bereits ausführlich Thema in dem Workshop von Dr. Reto Batzel und Prof. Dr. Karsten Metzlaff auf dem Noerr Competition Day 2020. Warum und inwieweit die zunehmende Digitalisierung der Vertriebswege und die wachsende Bedeutung von Online-Handelsplattformen ein Update der Vertikal-Gruppenfreistellung erforderlich machen und welche Änderungen im Rahmen der Novellierung zu erwarten sind, erklären die beiden in folgendem Video.

 

Informationen der EU-Kommission über den Reformprozess sind hier abrufbar.

Das Staff Working Document finden Sie hier.

Weitere Informationen zum bisherigen Novellierungsprozesses finden Sie auch hier.

 

 

 

 

Novellierung der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung

Kartellrecht
Einkauf Logistik & Vertrieb

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